Multiples Sklerose durch spezielle Genvariante
10.07.2012
Eine spezielle Genvariante hat bei Patienten mit Multiples Sklerose (MS) einen wesentlichen Anteil an der Erkrankung. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Adam P. Gregory und Calliope A. Dendrou von der University of Oxford (UK) konnte eine Genvariante identifiziert, die bei MS-Patienten zu einer Blockierung des sogenannten Tumor-Nekrosefaktors Alpha (TNF Alpha) führt, was die typischen Entzündungserscheinungen der Multiples Sklerose zur Folge hat.
Im Rahmen einer genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) haben die Forscher das Erbgut von rund 2.000 MS-Patienten untersucht und dabei die spezielle Genvariante „als stärkstes mit MS verbundenes Signal“ ausgemacht, berichtet Adam Gregory in dem Fachmagazin „Nature“.
Genomweite Assoziationsstudie ermittelt genetische Ursachen der Multiples Sklerose
Die bislang unbekannte genetische Veränderung mobilisiere bei den Patienten mit Multiples Sklerose eine bestimmte Andockstelle (Rezeptor) im Nervensystem, was zur Folge hat, dass die mobilen Rezeptoren im Gehirn das Signalmolekül TNF Alpha blockieren und so die typischen MS-Entzündungsreaktionen auslösen. Auf die Spur kamen die Forscher der Genvariante im Rahmen einer genomweiten Assoziationsstudie, bei der zunächst das Erbgut von 379 Europäern untersucht wurde. Hier ergaben sich bereits erste Hinweise darauf, dass die Genvariante möglicherweise im Zusammenhang mit MS steht, denn sie wurde bei den MS-Patienten besonders häufig nachgewiesen. Daher analysierten die Wissenschaftler anschließend das Erbgut von 1.853 MS-Patienten und 5.174 gesunden Probanden einer Kontrollgruppe. Dabei bestätigte sich der bereits zuvor beobachtete statistische Zusammenhang zwischen der Genvariante und den Multiples-Sklerose-Erkrankungen.
Entdeckte Genvariante Ansatzpunkt für neue MS-Therapien
Die Forscher gingen auch dem kausalen Zusammenhang zwischen der entdeckten Genvariante und den MS-Erkrankungen auf den Grund und stellten dabei laut Aussage von Adam Gregory fest, dass „das veränderte Gen eine neue, lösliche Form dieses Rezeptors entstehen lässt, die den Tumor-Nekrosefaktor Alpha blockieren kann.“ Bereits zuvor war bekannt, dass bestimmte Medikamente, die den Tumor-Nekrosefaktor Alpha blockieren, zu einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufes bei MS-Patienten führen können. Die Blockade des TNF Alpha fördere die MS-typischen Entzündungen im Gehirn, welche ihrerseits für die Zerstörung der Hüllen der Nerven verantwortlich sind. Als spezifischer Anhaltspunkt für MS könne die neu entdeckte Genvariante nicht nur die Diagnose erleichtern, sondern auch einen Ansatzpunkt für künftige Therapien bilden, erläuterte der Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum und Koautor der Studie, Professor Ralf Gold. Des weiteren könne das Wissen über den Wirkungszusammenhang zwischen der TNF-Alpha-Blockierung und den MS-typischen Entzündungen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern beitragen.
TNF-Alpha-Blocker bei Multiples Sklerose ungeeignet
Denn „im klinischen Alltag stellen wir fest, dass Medikamente, die TNF Alpha blockieren, nur bei der Multiplen Sklerose, aber nicht bei anderen Autoimmunerkrankungen zu einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufes führen“, so Prof. Gold. Patienten mit anderen Autoimmunerkrankung wie beispielsweise starkem Rheuma können demnach weiterhin mit entsprechenden Arzneimitteln behandelt werden. Hier ist die Blockade des TNF Alpha laut Prof. Gold ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Bei der Autoimmunerkrankung MS ist hingegen dringend auf derartige Medikamente zu verzichten, da hier eine Verstärkung der Symptome droht.
2,5 Millionen MS-Patienten weltweit
MS beruht auf einem fälschlichen Angriff des körpereigenen Abwehrsystems gegen die Hüllen der Nervenfasern, wodurch die Übertragung der Nervensignale nachhaltig beeinträchtigt wird. In Deutschland leiden nach Schätzung der Experten rund 130.000 Menschen an Multiples Sklerose, weltweit seien rund 2,5 Millionen Personen betroffen. MS ereilt besonders häufig Frauen und beginnt meist im jungen Erwachsenenalter, wobei die Erkrankung zwischen dem 20. und 45 Lebensjahr ihre Hochphase erreicht. (fp)
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Wichtiger Hinweis:
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