Neue Arzneimittel haben oft nicht mehr Nutzen
01.06.2013
Die Anzahl zugelassener Medikamente in Deutschland nimmt ständig zu. Ein aktuell veröffentlichter Report der Techniker Krankenkasse kommt zu dem Ergebnis, dass kein klarer Zusatznutzen von den meisten dieser Arzneien ausgeht.
Neue Medikament teurer als bisherige
Die Zeiten in denen neu auf den Markt kommende Arzneien revolutionär für die Behandlung kranker Menschen galten, sind leider längst vorbei. Neue Präparate wie Insulin, die ersten Antibiotika oder Medikamente zur Chemotherapie gegen Krebs waren auch deshalb so wertvoll, weil es bis zu deren Entwicklung meist keine vergleichbaren Mittel gab. Die Pharmaindustrie scheint aber derzeit von medizinischen Quantensprüngen weit entfernt zu sein. Von den 23 Präparaten, die 2010 und 2011 neu auf den Markt kamen, hatte nur eines einen klaren Zusatznutzen im Vergleich zu herkömmlichen Mitteln. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Innovationsreport der Techniker Krankenkasse. Acht Medikamente hatten etwas mehr Nutzen und die restlichen 14 Arzneien hatten keinen Extraeffekt. Der Gesundheitsökonom und Leiter der Studie, Gerd Glaeske, meinte: „Wir haben eine Innovationskrise.“ Nur das Herzmittel Brilique hat demnach eine klaren Zusatznutzen erbracht, da es das Infarktrisiko senken kann. Ärgerlich dabei ist, dass die neuen Mittel für Beitragszahler und Kassen eine kostspielige Angelegenheit sind, obwohl sich viele davon als Flop erwiesen haben. Laut TK waren drei von vier Präparaten teurer als bisherige Medikamente. Auch ein Arzneimittelreport der Barmer stellte fest, dass rund 40 Prozent neuer Mittel „keinen zusätzlichen Nutzen für den Patienten bieten“ und nur höhere Ausgaben verursachen. Von 145 Millionen Euro Ausgaben für die neuen Arzneimittel sprach der TK-Chef Jens Baas. Er meint, dass man "auch ohne Folgen für die Patienten, 68 Millionen Euro durch herkömmliche Medikamente einsparen kann.
Einsparungen durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz
Durch die Resultate wird erneut der Nutzen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) deutlich, das die schwarz-gelbe Koalition vor über zwei Jahren verabschiedet hat. In der Zeit vor diesem Gesetz konnten Pharmafirmen für neue Mittel im Prinzip verlangen, was sie wollten und die Kassen hatten zu zahlen. Die Medikamente, die im TK-Report erwähnt werden, stammen zum Teil noch aus jener Zeit vor AMNOG. Pharmahersteller müssen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Zusatznutzen ihrer neuen Präparate nachweisen, bevor sie mit den Kassen über die Erstattung verhandeln können. Ein Beispiel für einen zusätzlichen Nutzen wäre eine verlängerte Lebenszeit, die durch das Mittel erreicht werden kann. Nur durch einen solchen Mehrwert können die Pharmaunternehmen mit zusätzlichen Gewinnen rechnen. Erste Auswirkungen seien durch diese Kostenbremse bereits erkennbar. So konnten die Versicherer nach Schätzungen des Krankenkassen-Spitzenverbandes bislang 120 Millionen Euro sparen. Die Regierung hofft mit dem AMNOG jährlich bis zu zwei Milliarden Euro einzusparen.
Kritik von Pharmabranche und Apothekern
Die Pharmabranche ist mit dem AMNOG nicht zufrieden. Die Hauptgeschäftsführerin des Pharmaherstellerverbandes VFA, Birgit Fischer, kritisiert, Innovationen würden „schlicht bestraft“. Der Pharmalobby drohen milliardenschwere Einbußen und so ist die Wut der Branche naheliegend. Kritik kam auch bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes vom Deutschen Apothekerverband, DAV. So meinte damals deren Vorsitzender Fritz Becker: „Weil die Kassen ihre Verträge geheim halten, wird aus der von uns seit langem kritisierten mangelnden Transparenz nun langfristig Chaos. Ausbaden müssen diesen bürokratischen Irrsinn wieder einmal die Patienten und die Apotheken.“ (sb)
Bildnachweis: Andrea Damm / pixelio.de
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