Forschern identifizieren neuen Ansatz zur Behandlung von Schmerzen
Viele Erkrankungen werden von chronischen Schmerzen begleitet, die für Betroffene eine zusätzliche Belastung im Alltag darstellen. Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg haben nun einen neuen Ansatz entdeckt, um bei bestimmten Erkrankungen die Schmerzen effektiv zu lindern.
Capsaicin ist als Inhaltsstoff von Chilis bekannt und verantwortlich für deren Schärfe. Die Substanz kann aber zum Beispiel auch bei den Schmerzen einer sogenannten Post-Zoster-Neuralgie nach einer Gürtelrose helfen, berichtet die FAU. Doch seien hierbei häufig Nebenwirkungen wie ein starkes Brennen festzustellen. Die Forscher konnten nun allerdings eine Substanz identifizieren, „die sich ebenso eignen könnte, um starke Schmerzen zu bekämpfen – jedoch weitaus verträglicher ist“, so die Mitteilung der Universität. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Scientific Reports“.
Nozizeptoren zuständig für das Schmerzempfinden
Die Vermittlung von Schmerzempfinden wird im Körper durch spezielle Nervenfasern, die sogenannten Nozizeptoren, gesteuert. Werden die Nozizeptoren aktiviert, setzen sie unter anderem entzündungsfördernde Neuropeptide frei, erläutern die Forscher. Schädliche Einflüsse erkennen die Nozizeptoren mit Hilfe einer Vielzahl von Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. So reagiere der Capsaicin-Rezeptorkanal zum Beispiel stark auf den scharfen Inhaltsstoff der Chilischoten. Ein weiterer dieser Rezeptoren werde durch Senf, Meerrettich oder Zwiebeln aktiviert, weshalb die Wissenschaftler diesen als „Senföl-Rezeptor“ bezeichnen – der wissenschaftliche Fachausdruck lautet „TRPA1“. Dieser Rezeptor spielt laut Aussage der Wissenschaftler auch eine maßgebliche Rolle bei schmerzhaften Entzündungen des Dickdarms und der Bauchspeicheldrüse sowie bei Asthma.
Chronische Dickdarmentzündung verhindert
In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Forscher um Dr. Matthias Engel vom Lehrstuhl für Innere Medizin I, und Prof. Dr. Peter Reeh vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie an der FAU, die Wirkung der Substanz Capsazepin, welche den „Chili-Rezeptor“ teilweise blockiert. In früheren Studien sei mit Hilfe von Capsazepin die Entwicklung einer chronische Dickdarmentzündung (Colitis ulcerosa) bei Mäusen verhindert worden, erläutern die Mediziner. Welche Prozesse hierfür verantwortlich waren, blieb jedoch unklar. Dies müsse auf eine unbekannte Nebenwirkung von Capsazepin zurückgehen, denn der Capsaicinrezeptor sei am Krankheitsprozess dieser Entzündung gar nicht beteiligt, betont Dr. Engel.
Auch hatten Wissenschaftler in früheren Arbeiten nachgewiesen, dass ein synthetischer Hemmstoff des Senföl-Rezeptors die Dickdarmerkrankung nicht nur verhindern, sondern sogar heilen kann, berichtet die FAU. So gingen die Forscher nun dem Verdacht nach, dass Capsazepin eine solche hemmende Nebenwirkung auf den Senföl-Rezeptor haben könnte. Das Ergebnis ihrer Untersuchung war jedoch eine Überraschung. Statt gehemmt zu werden, wurde der Rezeptor durch den Wirkstoff aktiviert – und dies höchst effektiv. Dadurch wurde der Rezeptor wiederum gegen den Reizstoff unempfindlich. So entfaltete Capsazepin seine schützende Wirkung, weil die Nozizeptoren auf entsprechende Reize weniger reagierten und keine Neuropeptide mehr freisetzten, erläutern die Forscher.
Desensibilisierung im gesamten Körper
Die Wissenschaftler konnten darüber hinaus feststellen, dass die Ausschüttung der Neuropeptide beispielsweise auch in der Haut zurückging, obwohl das Capsazepin nur lokal im Darm verabreicht wurde. Scheinbar könne Capsazepin auf dem Blutweg alle Nozizeptoren im Körper wirksam erreichen und entsprechend desensibilisieren. Hier sehen die Forscher auch Möglichkeiten für eine therapeutische Verwendung als Mittel gegen starke Schmerzen. Schon lange sei bekannt, dass sich Nozizeptoren durch große Dosen Capsaicin im ganzen Körper desensibilisieren lassen, doch habe dabei das Problem massiver Nebenwirkungen bestanden.
Neue Ansätze der Schmerztherapie
Durch die Einnahme Großer Mengen des Chili-Wirkstoffs kann der Körper die Temperatur nicht mehr gut regeln, das Empfinden für schmerzhafte Hitze geht verloren und die die Durchblutung mancher Organe wird schlechter, erläutern die Wissenschaftler. Alle dies Nebenwirkungen seien dauerhaft und unumkehrbar, weshalb Capsaicin beim Menschen nur lokal begrenzt mit Pflastern und in niedriger Dosis in Cremes eingesetzt werde. Bei mehrtägiger Gabe von Capsazepin in hoher, aber gut verträglicher Dosis sei jedoch die Empfindlichkeit für schmerzhafte chemische und Hitzereize nach und nach im ganzen Körper deutlich zurückgegangen und gleichzeitig konnte die Dickdarmentzündung verhindert werden. Dies ist ein vielversprechendes Ergebnis, das langfristig helfen könnte, hochwirksame Schmerzmittel zu entwickeln, für Krankheiten, bei denen der Senföl-Rezeptor eine wichtige Rolle spielt, so die Mitteilung der FAU. Als solche Krankheiten seien neben der chronischen Dickdarmentzündung zum Beispiel Gelenkarthrosen, chronische Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Morbus Crohn oder chronisches Asthma zu nennen. (fp)
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