Anti-Aids-Pille soll vor Ansteckung bewahren
16.05.2014
Die US-amerikanischen Gesundheitsbehörden „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) haben erstmals eine formelle Empfehlung für ein Mittel zur Vorbeugung von HIV und Aids für bestimmte Risikogruppen herausgegeben. Demnach sollten vor allem Personen die Anti-Aids-Pille einnehmen, die einen HIV-infizierten Partner haben oder Materialien zum Drogenspritzen mit anderen teilen. Aber auch jene, die ungeschützten Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern haben, könnten von dem Mittel profitieren, berichtet die Nachrichtenagentur „Bloomberg“. Truvada – so der Name der Präventionspille – soll das Infektionsrisiko für HIV Studien zufolge um über 90 Prozent senken können.
Mit der Pille zur Vorbeugung von HIV soll das Ansteckungsrisiko um mehr als 90 Prozent gesenkt werden
Mit Truvada sollten sich insbesondere Menschen schützen, die Geschlechtsverkehr mit ihren HIV-infizierten Partnern haben, sowie Personen, die nicht immer ein Kondom verwenden, wenn sie mit Partnern aus Risikogruppen schlafen. Auch Schwulen und Bisexuellen wird von den CDC ausdrücklich zur Einnahme von Truvada geraten, wenn sie sich in offenen Beziehungen befinden – auch dann, wenn der HIV-Test des Sexpartners negativ ausfällt. Darüber hinaus gilt die Empfehlung für Menschen, die Materialien zum Spritzen von Drogen mit anderen teilen.
Durch die Einnahme des Mittels soll das Ansteckungsrisiko für HIV um mehr als 90 Prozent gesenkt werden. Wie die „New York Times“ berichtet, seien seit 2010 drei von einander unabhängige Studie zu dem Ergebnis gekommen, „dass Truvada bei täglicher Einnahme die Wahrscheinlichkeit einer Infektion erheblich reduzieren kann. Das wurde für homosexuelle Männer, heterosexuelle Paare und Drogenkonsumenten nachgewiesen“. In der Studie mit homosexuell Männern, bei denen anhand von Blutuntersuchungen bestätigt worden sei, dass sie die Pille jeden Tag einnahmen, sei sogar ein 99-prozentiger Schutz vor einer HIV-Infektion belegt worden.
Anti-Aids-Pille soll massenhaft verbreitet werden
Die Pille, die von dem Pharmaunternehmen Gilead Sciences Inc. hergestellt wird, wurde offiziell als Präventivarzneimittel gegen den Virus, der Aids verursacht, zugelassen. Truvada stammt eigentlich aus einer Kombination von zwei Mitteln des Herstellers. Bereits 2012 wurde die Pille von der Arzneimittelaufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) als Teil eines Präventionskonzepts mit regelmäßigen HIV-Tests und geschütztem Geschlechtsverkehr zugelassen.
Für HIV „gibt es keine Impfung oder Heilung auf kurze Sicht. Prävention ist der Schlüssel", erläuterte Jonathan Mermin, Direktor am CDC-Center für AIDS-Prävention, in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur. „Es handelt sich um ein Mittel, das potenziell Leben retten kann."
Die CDC erhoffen sich, mit ihrer Empfehlung zur massenhaften Verbreitung von Truvada beizutragen. Die Behörde arbeitet mit anderen Gesundheitsorganisationen zusammen, um Pilotprojekte einzurichten. Mermin zufolge sollen diese zunächst in Chicago, Houston, Philadelphia und Newark nahe New York City durchgeführt werden, da es in diesen Städten sowohl geeignete Gesundheitszentren sowie hohe Aids-Quoten gebe. Die Anti-AIDS-Pille ist jedoch alles andere als preisgünstig. In den USA soll sie etwa 15.000 Dollar pro Jahr kosten. Cara Miller, Sprecherin von Gilead Sciences Inc., betonte jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur, dass Truvada von den Patienten nicht zwangsläufig das ganze Jahr über eingenommen werden müsse.
Kritiker der Pille gegen HIV-Infektionen befürchten verringerten Einsatz von Kondomen
Die offizielle Empfehlung zur Einnahme des Mittels stößt bei einigen Medizinern, Gesundheitsexperten und Hilfsorganisationen auf scharfe Kritik. Denn durch Truvada könnten sich andere Geschlechtskrankheiten wieder verstärkt ausbreiten, vor denen nur ein Kondom schützt. „Wenn eine Pille vor HIV schützt, brauche ich doch kein Kondom mehr zu benutzen“, könnten sich viele Menschen sagen und auf Safer Sex verzichten. Auch die AIDS Healthcare Foundation – ein gemeinnütziger Verein aus Los Angeles für Gesundheitsdienste – befürchtet eine geringere Nutzung von Kondomen durch die Anti-Aids-Pille. Michael Weinstein, Präsident der Organisation, bezeichnete Truvada gegenüber der „New York Times“ als „Party-Pille“. Durch das Mittel würden Männer dazu ermuntert, auf Kondome zu verzichten, was wiederum die Infektionsrate erhöhen könnte. Die Richtlinien der CDC seien „ein beschämendes Kapitel in der Geschichte der CDC“.
Ein weiterer Aspekt, der gegen die präventive Verschreibung des Mittels spricht, sind die Nebenwirkungen der Anti-Aids-Pille. Einer Studie von National AIDS Manual zufolge verschreiben einige Ärzte aus diesem Grund nur ungern Truvada. „Es gibt das Potenzial widriger Nebenwirkungen bei jedem Medikament", argumentiert Mermin gegenüber der Nachrichtenagentur. „Die beiden Mittel, die verwendet werden, sind sehr sichere Arzneien. Die meisten Menschen haben keine Nebenwirkungen – selbst dann nicht, wenn sie es täglich für ein Jahr nehmen." Der präventive Einsatz der Pille „hat das Potenzial, den Verlauf dieser Epidemie zu verändern", so der Experte. „Die Veröffentlichung der Empfehlungen zum jetzigen Zeitpunkt wird hoffentlich tausende Menschen daran hindern, die potenziell tödliche Krankheit zu bekommen und zu verbreiten.“ (ag)
Bild: Harald Wanetschka, Pixelio
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.