Bei neuer Therapie wird Blutgerinnsel mit einem Draht entfernt
13.02.2015
Zukünftig könnten Ärzte bei der Behandlung von Schlaganfällen ganz neue Wege gehen. Während bisher das Standardverfahren im medikamentösen Auflösen des Blutgerinnsels (Lysetherapie) bestand, ist es erfolgsversprechender, den Blutpfropfen mittel Katheter im Gehirn herauszuziehen. So das Ergebnis von drei aktuellen Untersuchungen, von denen zwei am Mittwoch Abend große Aufmerksamkeit bei der „International Stroke Conference“ (ISC) in Nashville, Tennessee erregten. Die mit der neuen Methode behandelten Patienten hatten seltener schwere Behinderungen infolge des Schlaganfall. Auch die Sterberate konnte in einer Studie halbiert werden.
Blutgerinnsel wird bei Schlaganfall mittels Katheter aus dem Gehirn herausgezogen
Die sogenannte Stent-Thrombektomie wird in großen neurologischen Kliniken bereits seit vielen Jahren durchgeführt. So wird sie erfolgreich bei Herzinfarkt zur Öffnung des verschlossenen Blutgefäßes eingesetzt. Das Verfahren könnte sich auch bei der Behandlung von Schlaganfällen durchsetzen. Die erfolgsversprechenden Ergebnisse gleich dreier Studien versetzen die Mediziner beim ISC in große Euphorie. So wurde unter anderem vom „Durchbruch in der Schlaganfall-Therapie“ gesprochen.
Bei der Stent-Thrombektomie wird bei dem Patienten ein Katheter von der Leiste aus durch die große Körperschlagader bis ins Gehirn geschoben, wo der Draht das Blutgerinnsel, welches die Hirnarterie verstopft, rückwärts herauszieht. „Es ist nicht unüblich, dass der Schlaganfall-Patient danach bereits auf dem Katheter-Tisch wieder anfängt zu sprechen oder die Hand zu bewegen", zitiert „Spiegel Online“ Timo Krings, Professor für Neuroradiologie an der Universität Toronto, der an einer der Studien beteiligt war. „Endlich hat man etwas gegen den Schlaganfall in der Hand, das funktioniert."
Die Studien, von denen eine in Kanada und die andere in Australien durchgeführt wurde, könnten gemeinsam mit einer niederländischen Untersuchung die Schlaganfall-Therapie revolutionieren. „Die Ergebnisse sind so überwältigend positiv, dass man die Augen davor nicht verschließen kann", so Krings.
Lysetherapie mit Stent-Thrombektomie war bei Schlaganfall-Patienten am erfolgreichsten
In den Studien wurden die Patienten nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Patientengruppe wurde mit dem derzeitigen Standardverfahren, der Lysetherapie, behandelt, die andere Gruppe erhielt zusätzlich zur medikamentösen Therapie, bei der das Blutgerinnsel aufgelöst werden soll, eine Stent-Thrombektomie. Das Ergebnis war in allen drei Studien eindeutig: Die Lysetherapie in Kombination mit dem neuen Verfahren schnitt deutlich besser ab, als die Lysetherapie allein.
„55 Prozent der Patienten, die eine Stent-Thrombektomie in der Studie erhielten, gingen ohne signifikante Behinderung nach Hause", berichtete Co-Forschungsleiter Dr. Mayank Goyal, Professor für Radiologie und klinische Neurowissenschaften an der Cumming School of Medicine, gegenüber „CTV News“ im Hinblick auf die Ergebnisse der kanadischen Studie. „Das im Vergleich zu Patienten, die in der Studie keine Stent-Thrombektomie erhalten haben. Von ihnen wurden lediglich 30 Prozent ohne Behinderung entlassen.“
In einer der Studien konnte zudem die Sterblichkeit dank der neuen Methode halbiert werden. Von durchschnittlich zwei Todesfällen unter zehn Schlaganfall-Patienten, war es mit der Stent-Thrombektomie nur noch einer.
Stent-Thrombektomie könnte zum Standardverfahren bei Schlaganfall werden
Die Lysetherapie brachte zwar deutliche Vorteile für den Patienten, geht aber stets mit dem Risiko von unerwünschten Blutungen einher. Zudem müssen die Betroffenen spätestens drei Stunden nach dem Schlaganfall behandelt werden. Ärzte suchen deshalb seit Jahren nach einem verbesserten Verfahren.Mit der Stent-Thrombektomie könnte eine solche Methode entwickelt worden sein.
„Dies ist die wichtigste und grundlegende Änderung in der Behandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls in den letzten 20 Jahren“, zitiert „CTV News“ den Senior-Autor der kanadischen Studie, Dr. Michael Hill von der der Cumming School of Medicine.
Experten erwarten nun eine ernsthafte Diskussion darüber, wie und wann die Stent-Thrombektomie als Standardbehandlung von Schlaganfällen in Deutschland eingeführt wird. Dafür bedarf es jedoch großangelegter Veränderungen. „Eine normale Stroke Unit reicht für diese Art der Behandlung nicht mehr", so Krings. Der Neurologieprofessor Jan Sobesky vom Centrum für Schlaganfallforschung an der Berliner Charité betont gegenüber „Spiegel Online“, dass man neurovaskuläre Zentren mit einer direkten Verbindung zu einer Neuroradiologie benötige, „wo auch nachts um zwei Uhr Spezialisten bereitstehen, wo rund um die Uhr eine Bildgebung auf hohem Niveau gemacht werden kann, wo es eine neurologische Intensivstation und eine Neurochirurgie gibt". Auch Sobesky zeigt sich beeindruckt von den Studienresultaten: „Das sind eindrucksvolle Ergebnisse. Jetzt herrscht Aufbruchstimmung.“
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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