Zahl der bestätigten Fehler steigt im Vergleich zum Vorjahr an
Ob in der Orthopädie, Frauenheilkunde oder Zahnmedizin: Im vergangenen Jahr gab es wieder mehr Fälle von bestätigten Behandlungsfehlern. Wie der Medizinische Dienst des Kassen-Spitzenverbands (MDS) aktuell mitteilt, erhöhte sich die Zahl der bestätigten Fehler von 3.796 in 2014 auf 4.046. Viele der folgenschweren Fälle hätten dabei aus Expertensicht vermieden werden können.
250 mehr bestätigte Fälle als 2014
In hiesigen Arztpraxen und Krankenhäusern sind offenbar wieder mehr Patienten Opfer eines Behandlungsfehlers geworden. Laut einer aktuellen Mitteilung des MDS wurden in 2015 insgesamt 14.828 von Patienten gemeldete Verdachtsfälle durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) begutachtet, im Jahr zuvor waren es noch 165 weniger. Auch bei den bestätigten Fehlern erhöhte sich die Zahl von 3.796 auf 4.046, was einem Plus von 250 Fällen entspricht.
Orthopädie und Unfallchirurgie führen die Rangliste an
7.693 Vorwürfe standen dabei in direktem Zusammenhang mit der Behandlung im Operationssaal, wobei sich diese in knapp jedem vierten Fall bestätigten, so die Information des MDS. „Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes vor drei Jahren gibt es einen anhaltenden Aufwärtstrend. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Vorwürfe und damit die Nachfrage nach Sachverständigengutachten des MDK wieder leicht gestiegen”, sagte Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und Vize-Geschäftsführer des MDS, laut der Mitteilung.
In Hinblick auf die Fachgebiete bezogen sich demnach mit 32 Prozent die meisten Vorwürfe auf die Orthopädie und Unfallchirurgie, gefolgt von Innerer und Allgemeinmedizin sowie Allgemeinchirurgie (je 11 Prozent) und Zahnmedizin (9 Prozent). In weiteren sieben Prozent war die Frauenheilkunde betroffen, fünf Prozent richteten sich an den Bereich der Pflege.
Breites Spektrum an Erkrankungen und Behandlungsmaßnahmen betroffen
„Eine hohe Zahl an Vorwürfen lässt jedoch nicht auf eine hohe Zahl an tatsächlichen Behandlungsfehlern schließen. Die Zahl spiegelt vielmehr wider, ob der Patient selbst erkennen kann, ob das Behandlungsergebnis seinen Erwartungen entspricht oder nicht”, wird Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern, in der Mitteilung zitiert. Betrachte man die Fehler danach, wo sie passiert sind, führe dem Bericht nach ebenfalls die operative Therapie mit 31 Prozent die Rangliste an, danach kommen die Befunderhebung mit 25 Prozent und die Pflege mit 9 Prozent. In 150 Fällen handelte es sich dabei um die Diagnose „Zahnkaries“, in 130 Fällen lautete sie „Kniegelenkverschleiß“. Trotz der deutlichen Häufung würde die Statistik laut Zobel insgesamt betrachtet ein breites Spektrum aufzeigen: „Die festgestellten Fehler betreffen hunderte verschiedene Erkrankungen und Behandlungsmaßnahmen”, so die Expertin weiter.
„Bei den Fehlern, die wir registrieren, handelt es sich um die Spitze eines Eisbergs”, sagte Stefan Gronemeyer gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Denn rund 12.000 Patienten hätten sich zusätzlich bei Stellen der Ärzteschaft beschwert. Hier seien 2.132 Fehler festgestellt worden, zudem sei nicht bekannt wie viele Beschwerden weiterhin direkt an Gerichte, Anwälte oder Versicherungen gerichtet würden. Aus Sicht von Experten könne sich die geschätzte Gesamtanzahl daher auf 40.000 Beschwerden belaufen.
Mehr als 70 Mal erleiden Patienten vermeidbare Druckgeschwüre
Laut dem MDS gebe es vielfältige Möglichkeiten der Fehlervermeidung, für die sich jedoch mit den Schäden und den verursachenden Fehlern auseinander gesetzt werden müsse. „Fehler können im Unterlassen oder im Handeln liegen. 51 Prozent der Fehler wurden verursacht, indem eine notwendige medizinische Maßnahme entweder gar nicht oder zu spät durchgeführt wurde“, erläutert Dr. Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS. In 49 Prozent der Fälle sei demnach „eine Behandlung mangelhaft umgesetzt“ oder „eine wenig sinnvolle, zum Teil sogar eine kontraindizierte Maßnahme vorgenommen” worden, so der MDS-Experte weiter. Durch vermeidbare Fehler sei es der Statistik zufolge beispielsweise 71 Mal in der Klinik zu schlimmen Druckgeschwüren bei Patienten gekommen, 35 Mal seien bei einer Operation Dinge wie z.B. Tupfer im Körper zurück geblieben.
Angesichts dieser Ergebnisse forderte die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink die Koalition dazu auf, gesetzliche Schritte zur Vermeidung von Behandlungsfehlern einzuleiten. „Dazu braucht es ein bundesweites Monitoring durch eine unabhängige Stelle sowie ein verbindliches Fehlermelde- und Vermeidungssystem“, so die Politikerin gegenüber der „dpa“. Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, appellierte an den Gesetzgeber, ein zentrales Behandlungsfehlerregister einzuführen. (nr)
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