Einheimische Stechmücken sind potentielle Borrelien-Überträger
Ist es möglich, durch einen Mückenstich Borreliose zu bekommen? Laut einer neuen Studie des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt am Main offenbar schon. Wissenschaftler konnten hier erstmals Borrelien in deutschen Stechmücken nachweisen, welche beim Menschen die Multisystemerkrankung Lyme-Borreliose auslösen können. Von dieser sind hierzulande Schätzungen zufolge bis zu 200.000 Menschen im Jahr betroffen. Laut den Experten bestehe jedoch kein Grund zur Panik, denn nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die Mücken nur bedingt als Überträger geeignet. In den meisten Fällen wird die Lyme-Borreliose durch einen Zeckenbiss verursacht.
Auch Mücken können Borreliose übertragen
Zecken übertragen schwere Krankheiten wie Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) oder Borreliose. Das ist lange bekannt. Doch sie sind offenbar nicht die einzigen Überträger. Deutsche Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass auch einheimische Stechmücken teilweise Bakterien in sich tragen, die Borreliose auslösen könnten. Nach derzeitigem Wissensstand spielen die Mücken allerdings höchstens eine untergeordnete Rolle bei der Übertragung der Krankheitserreger.
Borrelien in deutschen Stechmücken
Wie aus einer Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hervorgeht, hat eine Forschergruppe um Sven Klimpel vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe Universität Frankfurt erstmalig Borrelien in deutschen Stechmücken nachgewiesen. Die drei identifizierten Arten der Bakterien können beim Menschen Lyme-Borreliose auslösen. Die Forscher zeigten in ihrer kürzlich im Fachjournal „Ticks and Tick-borne Diseases“ veröffentlichten Studie zudem, dass die Krankheitserreger die Umwandlung der Mückenlarve zur Puppe und schließlich zum erwachsenen Tier überleben.
So konnten sie erstmalig in wild-gefangenen und unter Laborbedingungen geschlüpften und aufgezogenen Stechmücken Borrelien-DNA nachweisen. „Dass wir die DNA der Erreger auch in den aufgezogenen Mücken gefunden haben, ist erstaunlich und zeigt, dass die Borrelien die Umwandlung der Larve zur Puppe und schließlich zum ausgewachsenen Tier überdauern können“, sagte Klimpel.
Wenig Daten über die Verbreitung der Krankheit vorhanden
Zu den Anzeichen der Erkrankung zählen unter anderem Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Fieber sowie unspezifische Gelenk- und Muskelschmerzen. Die sogenannte „Wanderröte“ ist zwar ein 100-prozentiges Symptom, tritt aber lediglich bei der Hälfte der Patienten auf. Die Krankheit lässt sich durch Einnahme von Antibiotika bekämpfen, andernfalls kann sie einen chronischen Verlauf nehmen. Eine Impfung gegen die Krankheit steht nicht zur Verfügung.
„Obwohl die Lyme-Borreliose in Europa als die häufigste vektorübertragene Krankheit gilt und schwere Schäden verursachen kann, sind Daten bezüglich ihrer Verbreitung sowie den Ursachen und Folgen nur unzureichend vorhanden“, sagte Prof. Dr. Sven Klimpel. „Dies liegt vor allem daran, dass eine Meldepflicht von Borreliose nur in wenigen Staaten besteht und die Grundlagen der Meldepflichten nicht einheitlich sind.“ In Deutschland bewegen sich die jährlichen Zahlen zwischen 40.000 und 214.000 Personen, die sich mit Borreliose-Erregern anstecken.
Mücken können zahlreiche Infektionskrankheiten übertragen
Als allgemein bekannter Überträger des Borreliose-Erregers fungiert in Deutschland der Gemeine Holzbock aus der Familie der Schildzecken. Das Wissenschaftlerteam rund um Klimpel hat nun auch Mücken auf ihr Übertragungspotential untersucht. Der Frankfurter Parasitologe sagte: „Mücken sind bekannte Überträger zahlreicher Infektionserreger wie beispielsweise Malaria, dem Dengue-Virus oder auch dem aktuell grassierenden Zika-Virus. Wir wollten überprüfen, ob die Insekten theoretisch auch Borreliose-auslösende Borrelien übertragen können.“
Drei Borrelien-Arten identifiziert
Für ihre Untersuchung fingen die Forscher mehr als 3.600 Mücken an 42 deutschen Standorten. Sie stellten fest, dass zehn verschiedene Stechmückenarten aus vier Gattungen an 11 Standorten Borrelien in sich trugen. „Wir haben bestimmte Borrelien-spezifische Gene mit molekularbiologischen Methoden nachgewiesen und konnten so die Borrelien-Arten Borrelia afzelii, Borrelia bavariensis und Borrelia garinii identifizieren“, ergänzte Klimpel. Die drei Borrelien-Arten gelten in Deutschland sowie Europa als die bedeutendsten Erreger der Lyme-Borreliose, alle können Menschen infizieren.
„Kein Grund zur Panik“
Trotz der Funde hatte Klimpel beruhigende Worte: „Es besteht aber kein Grund zur Panik“, so der Experte. „Nach unserem derzeitigen Erkenntnisstand sind Stechmücken als Überträger der Lyme-Borreliose auslösenden Erreger nur bedingt geeignet. Wenn überhaupt spielen sie eine eher untergeordnete Rolle.“ Hauptüberträger ist und bleibt die Zecke. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge trägt im Schnitt jede fünfte Zecke Borrelien in sich. Allerdings infizieren sich nur ganz wenige Menschen (bis zu sechs Prozent) nach einem Zeckenbiss. Der Erreger kann nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden. (ad, nr)
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