Neuer Therapieansatz: Eine spzielle Blutwäsche könnte künftig Alzheimer und Demenz Folgeerscheinungen verbessern.
04.08.2012
Wissenschaftlern des Universitätsklinikum Charité in Berlin ist es offenbar gelungen, ein neuen Behandlungsansatz in der Alzheimer-Therapie zu entwickeln. Mit Hilfe einer Blutwäsche könnten die Folgen der nicht heilbaren Erkrankung wesentlich gemindert werden. Im Verlauf einer Studie konnten bereits erste Erfolge erzielt werden. Noch befindet sich der Forschungsansatz allerdings in den Kinderschuhen und weitere groß angelegte Studien sind notwendig, um vorliegende Resultate klinisch zu sichern.
Blutwäsche konnte Gedächtnisleistung verbessern
Zu Beginn der Forschungsarbeit stellten sich die Wissenschaftler die Frage, ob einige Alzheimer-Formen durch eine Autoimmunerkrankungen hervorgerufen wird. Möglicherweise könnte es sein, dass der menschliche Organismus sich irrtümlich gegen das eigene Immunsystem richtet. Aufgrund dieser Fragestellung suchten Berliner Mediziner und Forscher von der Uniklinik Charité und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch nach neuen Therapieansätzen, um Alzheimer und Demenz zu behandeln. Beide Forschungseinrichtungen fanden in Blutseren von Alzheimer-Patienten verschiedene Antikörper aus einer irrtümlich fehlgeleiteten Immunantwort des Körpers. In zwei Versuchen konnten die Forscher mit Hilfe einer speziellen Blutwäsche bei den Probanden erreichen, dass die Antikörper aus dem Blutkreislauf entfernt werden konnten. In anschließenden Auswertungen zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten. So konnte unter anderem die Gedächtnisleistungen entscheidend verbessert werden. Bislang wurden mit dieser Methode allerdings nur wenige Menschen therapiert.
Noch zu wenige Fallzahlen um Erkenntnisse zu sichern
Nach Ansicht von Richard Dobel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie seien die Resultate „sehr spannend und auch ein neuer Ansatz“. Anhand der derzeitigen Datenlage sei es aber noch zu früh, Hoffnungen der Patienten auf einer sofort verfügbaren Therapie zu schüren. Nach Ansicht des Experten müssen weitere Studien folgen, um die Resultate zu konkretisieren.
Auch das Forscherteam räumt ein, dass die „Fallzahlen noch sehr gering sind“, wie Marion Bimmler vom MDC erklärte. Bislang wurde nur ein kleiner Kreis von Patienten therapiert und zwischen sechs Monate und einem Jahr beobachtet. Nach Aussage der Expertin seien aber die ersten Ergebnisse vielversprechend.
Abwehrstoffe des Immunsystems schädigen Blutgefäße im Gehirn
In einem zweiten Versuchsaufbau gelang den Wissenschaftlern in Kooperation mit dem Max-Delbrück-Centrum ein weiterer Durchbruch. In einem Tierversuch konnte ermittelt werden, dass bestimmte Abwehrsubstanzen des Immunsystems Blutgefäße im Gehirn schädigen.
Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass bestimmte „fehl-regulierte Abwehrstoffe des Immunsystems Blutgefäße im Gehirn definitiv beschädigen“, wie das Team im Fachmagazin„PloS ONE“ berichten. Bei den Stoffen des Immunsystems würde es sich um irre geleitete Antikörper handeln, die den eigenen Organismus bekämpfen (1-AR-Antikörper ). Im Versuch konnten die Forscher bei Laborraten mit Hilfe der Kernspintomographie nachweisen, dass sich diese Autoantikörper an bestimmte Oberflächenproteine von Zellen der Blutgefäße binden. Durch diesen Vorgang wird wiederum das Gehirn beschädigt. Es verursacht eine dauerhafte Stimulation der Rezeptoren und damit eine Verdickung der Gefäßwände. Weil die Gefäße schlecht durchblutet sind, „können auch keine Schadstoffe wie Plaques abtransportiert werden“, erklärte die Studienleiterin Bimmler. Aus diesem Grund unternahm das Wissenschaftsteam in Kooperation mit der Geriatrischen Abteilung am Klinikum Charité den Versuch, Patienten mit Alzheimer und der vaskulären Demenz einer speziellen Blutwäsche zu unterziehen. Mit dem Ergebnis: „In den sechs bis zwölf Monaten seit der Behandlung verbesserten sich die Gedächtnisleistungen und Alltagsfertigkeiten der behandelten Patienten deutlich. Der Zustand von anderen, die die Behandlung abbrachen, verschlechterte sich dagegen dramatisch“, berichtet die Forscherin.
Blutwäsche könnte vielen Alzheimer Patienten helfen
Würde der neue Ansatz zu einer Standarttherapie entwickelt werden, könnten viele Patienten mit Alzheimer und Demenz hiervon profitieren. Laut der Forscherin tragen „rund die Hälfte der Alzheimer oder Demenz Patienten solche Antikörper“ in sich. Bis dahin müssten noch weitere klinische Belege und Zahlen aus groß angelegten Studien folgen, um bisherige Erkenntnisse zu sichern. „Zusammengenommen haben wir in der vorliegenden Studie den Nachweis erbracht, dass die speziellen Antikörper zu Schäden der Hirngefäße in einem Ratten-Modell führen. Unsere Daten legen nahe, dass die Antikörper für Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Schlaganfall und Demenz mit verantwortlich sind“, wie die Studienautoren im Fachjournal resümierend schreiben.
Ähnlicher Forschungsansatz mit gleicher Folge
Ein ähnlichen und dennoch etwas anderen Forschungsansatz verfolgt das Team um den Neurologen Harald Prüß von der Charité Berlin. Zwar gehen auch sie davon aus, dass Symptome der Demenz durch ein fehlgeleitetes Immunsystem hervorgerufen werden und demnach als Folgeerscheinung einer Autoimmunerkrankung behandelbar sind, allerdings suchen sie nach anderen Antikörpern. Ihre Vermutung ist, dass die speziellen Antikörper gegen einen bestimmten Ionenkanal im Hirn (NMDA) produziert werden und in Folge die Funktionen der Nerven schädigen.
Unabhängig davon hatte auch hier die Blutwäsche einen ebenso erfolgversprechenden Therapieeffekt. Ähnlich wie bei der „Bimmler-Studie“ war bei der „Prüß-Studie“ die Probanden-Zahl gering, um eindeutige Belege zu schaffen. Darum wollen die Wissenschaftler in einigen Monaten eine groß angelegte Studie unternehmen, um darzulegen, wie hoch der Anteil der Antikörperträger bei Alzheimer-Patienten ist. Zusätzlich sollen auch Patienten mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und der Morbus Parkinson Erkrankung teilnehmen. Zwar könne Prüß noch nichts konkretes verraten, aber ihr „Anteil ist relevant“, so Prüß. (sb)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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