Bluttest zeigt Verlauf von Alzheimer lange vor den ersten klinischen Anzeichen an
Die Zahl der Menschen, die an Alzheimer erkranken, steigt weltweit an. Die neurodegenerative Krankheit ist noch immer unheilbar. Laut Experten könnte dies auch daran liegen, dass die bisherigen Therapien zu spät beginnen. In Zukunft könnte sich das ändern. Denn mit einem neuen Bluttest sind Alzheimer-Spuren schon lange vor Krankheitsbeginn zu entdecken.
Unheilbare Krankheit
Allein in Deutschland leiden etwa 1,2 Millionen Menschen an Demenz, der Großteil davon an Alzheimer. Weltweit gibt es rund 47 Millionen Demenz-Patienten. Und es werden immer mehr: Laut dem Welt-Alzheimer-Bericht wird alle 3,2 Sekunden eine weitere Demenz-Diagnose gestellt. Die Krankheit ist noch nicht heilbar. Dies könnte laut Experten auch damit zusammenhängen, dass die bisherigen Therapien erst spät einsetzen, unter anderem weil die Erkrankung oft erst spät diagnostiziert wird. Ein Forscherteam berichtet nun aber, dass Alzheimer-Spuren schon lange vor Krankheitsbeginn im Blut zu finden sind.
Frühe Diagnose wichtig
Wie auch bei vielen anderen Krankheiten ist es bei Alzheimer wichtig, die Krankheit möglichst frühzeitig zu diagnostizieren.
Zwar kann die Erkrankung derzeit noch nicht geheilt werden, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich bei früher Diagnose eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs erreichen lässt.
Hilfreich für die Therapieforschung könnte ein neuer Bluttest sein.
Nervenzellen werden langsam abgebaut
Schon Jahre bevor erste Symptome einer Alzheimer-Erkrankung auftreten, verändert sich das Gehirn und Nervenzellen werden langsam abgebaut.
Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und des Universitätsklinikums Tübingen zeigen nun, dass sich anhand eines im Blut vorkommenden Eiweißstoffes der Krankheitsverlauf lange vor dem Auftreten der ersten klinischen Anzeichen genau verfolgen lässt.
Wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung heißt, bietet dieser Bluttest neue Möglichkeiten in der Therapieforschung.
Die Studie wurde gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam durchgeführt und in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Bisherige Therapien setzen zu spät ein
„Dass es noch keine wirksame Therapie gegen Alzheimer gibt, hängt vermutlich damit zusammen, dass die bisherigen Therapien viel zu spät einsetzen“, sagte Mathias Jucker, Forscher am Tübinger DZNE-Standort, am HIH und Leiter der aktuellen Studie.
Um bessere Behandlungsverfahren zu entwickeln, brauchen Wissenschaftler daher eine verlässliche Methode, mit der sie den Krankheitsverlauf verfolgen und vorhersagen können, bevor Symptome wie Gedächtnisstörungen einsetzen.
Ein Bluttest eignet sich dazu viel besser, als zum Beispiel teure Gehirnscanner, die Demenz frühzeitiger sichtbar machen.
Bei der Entwicklung solcher Bluttests wurden in letzter Zeit einige Fortschritte erzielt. So berichteten japanische und australische Forscher im vergangenen Jahr über einen neuen Test zur Früherkennung der Krankheit.
Und auch deutsche Wissenschaftler haben einen Bluttest zur Früherkennung von Alzheimer entwickelt.
Wie es in der aktuellen Mitteilung heißt, beruhen die meisten dieser Verfahren auf dem Nachweis sogenannter Amyloid-Proteine. Bei einer Alzheimer-Erkrankung sammeln sich diese Proteine im Gehirn an und sie treten auch im Blut auf.
Jucker und Kollegen verfolgen aber einen anderen Ansatz. „Unser Bluttest misst nicht das Amyloid, sondern das, was es im Gehirn anrichtet, nämlich Neurodegeneration. Anders gesagt: den Tod von Nervenzellen“, erklärte Jucker.
Spuren im Blut
Wenn Hirnzellen absterben, lassen sich ihre Überreste im Blut nachweisen. „Normalerweise werden solche Proteine im Blut aber schnell abgebaut und eignen sich daher nicht sehr gut als Marker für eine neurodegenerative Erkrankung“, erläuterte Jucker.
„Eine Ausnahme bildet jedoch ein kleines Stückchen eines sogenannten Neurofilaments, das gegen diesen Abbau erstaunlich resistent ist“.
Auf diesem Eiweißstoff basiert der Bluttest von Jucker und seinen Kollegen.
Die Wissenschaftler zeigen in der aktuellen Studie, dass sich das Filament schon lange vor dem Auftreten klinischer Symptome – also bereits in der sogenannten präklinischen Phase – im Blut anreichert, dass es sehr empfindlich den Verlauf der Krankheit widerspiegelt und Vorhersagen über künftige Entwicklungen ermöglicht.
Den Angaben zufolge beruht die Studie auf Daten und Proben von 405 Personen, die im Rahmen eines internationalen Forschungsverbunds – dem „Dominantly Inherited Alzheimer Network“ (DIAN) – erhoben wurden.
Beteiligt sind neben dem DZNE, dem HIH und dem Universitätsklinikum Tübingen auch die Washington University School of Medicine in St. Louis (USA) sowie weitere Einrichtungen in aller Welt.
Dieses Netzwerk untersucht Familien, bei denen aufgrund genetischer Veränderungen eine Alzheimer-Erkrankung schon im mittleren Alter auftritt. Genetische Analysen erlauben recht genaue Vorhersagen darüber, ob und wann ein Familienmitglied an Demenz erkranken wird.
Vorboten einer Demenz
Bei diesen Personen verfolgten die Wissenschaftler die Entwicklung der Filament-Konzentration von Jahr zu Jahr und stellten dabei fest: Bis zu 16 Jahre vor dem errechneten Eintreten von Demenzsymptomen gab es im Blut auffällige Veränderungen.
„Es ist nicht der absolute Wert der Filament-Konzentration, sondern deren zeitliche Entwicklung, die wirklich aussagekräftig ist und Vorhersagen über den weiteren Krankheitsverlauf erlaubt“, sagte Jucker.
In weiteren Untersuchungen zeigten die Forscher, dass die Veränderung der Neurofilament-Konzentration den neuronalen Abbau sehr exakt widerspiegelt und gute Prognosen darüber erlaubt, wie sich das Gehirn in den nächsten Jahren entwickeln wird.
„Wir konnten Vorhersagen über den Verlust von Hirnmasse und über kognitive Beeinträchtigungen machen, die dann zwei Jahre später tatsächlich eingetreten sind“, so Jucker.
Während sich also herausstellte, dass die Veränderungsrate der Filament-Konzentration und der Abbau von Hirngewebe eng miteinander korrelierten, war der Zusammenhang mit der Ablagerung toxischer Amyloid-Proteine weit weniger ausgeprägt.
Diese Beobachtung stützt die Annahme, dass Amyloid-Proteine zwar ein Auslöser der Erkrankung sind, der neuronale Abbau im weiteren Verlauf jedoch unabhängig erfolgt.
Werkzeug für die Therapieforschung
Nicht nur bei Alzheimer, auch im Zuge weiterer neurodegenerativer Erkrankungen kommt es im Blut zur Anreicherung von Neurofilamenten.
Damit eignet sich der Test nur bedingt zur Diagnose von Alzheimer.
„Der Test zeigt aber sehr genau den Krankheitsverlauf an und ist damit ein ausgezeichnetes Werkzeug, um in klinischen Studien neue Alzheimer-Therapien zu erforschen“, sagte Jucker. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.