Bislang unbekannter Mechanismus mit maßgeblichem Effekt auf die Alzheimer-Entstehung?
Über die Entstehung von Alzheimer ist heute weit mehr bekannt, als noch vor wenigen Jahren. Doch konnten die Mechanismen der Erkrankung bislang immer noch nicht vollständig entschlüsselt werden. Ein Forscherteam der Universität Bonn hat nun einen bislang unbekannten Mechanismus identifiziert, der womöglich entscheidend zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beiträgt.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die sogenannten Beta-Amyloid-Plaques (auch bekannt als Alzheimer-Plaques) die Kraftwerke der Zellen (Mitochondrien) in ihrer Funktion beeinträchtigen. Diese werden durch die Alzheimer-Toxine regelrecht lahmgelegt und stellen ihre Energieversorgung ein, womit die Zellen dem Untergang geweiht sind, so die Mitteilung der Universität Bonn. Ihre aktuellen Studienergebnisse habe die Forscher in dem Fachmagazin „Molecular Biology of the Cell“ veröffentlicht.
Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn der Patienten
Bei einer Alzheimer-Erkrankung bilden sich im Gehirn zwischen den Nervenzellen charakteristische Ablagerungen, die so genannten Plaques, welche aus Beta-Amyloid-Peptiden bestehen. Diese Eiweißablagerungen kommen auch im Gehirn gesunder Menschen vor, werden dort allerdings schnell abgebaut, erläutern die Wissenschaftler. Bei Alzheimer-Patienten sei hingegen eine Anhäufung festzustellen und in den Plaques würden sich große Mengen miteinander verknäulter Beta-Amyloide finden, so die Mitteilung der Universität.
Toxische Wirkung innerhalb der Zellen?
Lange Zeit wurde vermutet, dass diese extrazellulären Ablagerungen die Nervenzellen schädigen und schließlich abtöten – also die Plaques Auslöser der fortschreitenden Demenz sind. Doch inzwischen werden an dieser These vermehrt Zweifel geäußert, berichtet die Universität Bonn. Heute sei bekannt, „dass auch innerhalb der Nervenzellen Beta-Amyloide vorkommen“ und viele Forscher würden vermuten, „dass sie dort ihre toxische Wirkung entfalten, indem sie bestimmte Bestandteile der Zelle schädigen.“ Eine These, zu der nach Auffassung der Forscher auch ein weiterer Befund passt: In den Nervenzellen von Alzheimer-Erkrankten sind oft die Mitochondrien defekt.
Schäden der Mitochondrien untersucht
In ihrer aktuellen Studie haben die die Forscher untersucht, „ob Beta-Amyloide die Mitochondrien schädigen können“, berichtet Professor Dr. Wolfgang Voos vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Bonn. Hierfür seien unter anderem isolierte Mitochondrien mit Beta-Amyloiden versetzt worden und anschließend wurde getestet, welche Prozesse dadurch gestört werden. Zwar konnten die Wissenschaftler keine direkten Schäden an den Mitochondrien durch das Beta-Amyloid feststellen und die Zellkraftwerke waren völlig intakt. „Wir haben aber einen anderen Effekt gefunden“, betont Prof. Voos: So wurde durch die Beta-Amyloide der Transport von Proteinen in die Mitochondrien unterbunden.
Protein-Transport in die Mitochondrien gehemmt
Die Mitochondrien sind für ihre komplexe Aufgabe auf rund 1.000 verschiedene Proteine angewiesen und gerade einmal 13 davon können sie selbst herstellen, erläutern die Forscher. Die restlichen Proteine würden im Cytoplasma der Zelle produziert und mit Hilfe spezieller Transporter-Moleküle auf ihrer Oberfläche von den Mitochondrien aufgenommen. Durch die Beta-Amyloide werde diese Aufnahme gehemmt – und zwar extrem effektiv. „Ich habe im Laufe meines Forscherlebens selten eine solch starke Blockade des Proteintransports gesehen“, berichtet Professor Voos.
Zellkraftwerke durch Alzheimer-Toxine lahmgelegt
Durch die Blockade des Protein-Transports fehlen den Mitochondrien die nötigen Enzyme, die sie zur Energieerzeugung brauchen und irgendwann bricht die Energieproduktion völlig zusammen, was ein Absterben der Zelle zur Folge hat. Dieser Mechanismus kann laut Professor Voos „womöglich entscheidend zu dem massenhaften Untergang von Neuronen beitragen, der für die Alzheimer-Demenz charakteristisch ist.“ Allerdings bleibe noch unklar, inwiefern sich die Ergebnisse aus dem Reagenzglas auf ganze Zellen oder gar Menschen mit Alzheimer-Erkrankung übertragen lassen, schränken die Forscher ein. In weiteren Untersuchungen gelte es nun herauszufinden, ob sich die Blockade des Protein-Transports auch in den Nervenzellen von Patienten findet, erläutert Professor Voos. (fp)
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