Chronische Infektionen in Zukunft mit neuem Wirkstoff therapierbar?
Chronische Infektionen sind oftmals nur schwer behandelbar und mit erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Betroffenen verbunden. Ein neuer Wirkstoff könnte hier in Zukunft die Therapieoptionen deutlich verbessern, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).
„Chronische Lungeninfektionen, hervorgerufen durch das Bakterium Pseudomonas aeruginosa, erfordern“, laut Aussage der Forscher, „eine komplexe und meist dauerhafte Therapie mit Antibiotika.“ Die vollständige Heilung oder zumindest eine verstärkte Unterdrückung der bakteriellen Last sei damit in der Regel allerdings nicht möglich. Hoffnung bietet hier jedoch ein optimierter antiinfektiver Wirkstoff mit einem neuen Wirkmechanismus, den die Wissenschaftler in ihrer aktuellen Studie getestet haben.
Pathogenität der Bakterien blockieren
Neue Medikamente gegen die chronischen Lungeninfektionen werden dringend benötigt und den Forschern ist hier nach eigenen Angaben nun ein wichtiger Durchbruch gelungen. Sie haben einen antiinfektiven Wirkstoff mit einem neuen Wirkmechanismus erfolgreich für die Behandlung der chronischen Lungeninfektionen angepasst. Ausgangspunkt sei eine Substanz gewesen, die die Pathogenität des Bakteriums blockieren und dessen Biofilm-Schutzschild schwächen kann, berichten die Wissenschaftler. Insgesamt seien vom Helmholtz-Validierungsfonds, dem DZIF und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung gemeinsam 2,7 Millionen Euro in die Optimierung dieser Substanzklasse investiert worden – „mit dem Ziel eines präklinischen Entwicklungskandidaten.“
Bakterien werden nicht abgetötet
Dr. Martin Empting, der das Projekt am HIPS/HZI gemeinsam mit Prof. Rolf Hartmann und Dr. Thomas Hesterkamp durchführt, betont, dass die Forscher große Hoffnung in diesen Wirkstoffkandidaten setzten. Der sogenannte Pathoblocker wirke anders als ein Antibiotikum und töte das Bakterium nicht ab, sondern störe dessen Fähigkeit, den Wirt zu schädigen und sich durch Biofilmbildung vor dem Immunsystem zu schützen. Damit werde „das Bakterium auch anfälliger für eine parallele antibiotische Therapie“, so Dr. Empting weiter.
Pseudomonas aeruginosa ein gefährlicher Krankenhauskeim
Den Angaben der Forscher zufolge zeigt der Wirkstoff, der den bakteriellen Rezeptor PqsR (auch „MvfR“ genannt) angreift, eine selektive und spezifisch gegen Pseudomonas aeruginosa gerichtete Wirkung. Andere Bakterien, die auch von Nutzen sein können, würden so verschont. ist laut Aussage der Wissenschaftler auch als Krankenhauskeim gefürchtet und wird auf der „Priority Pathogens List“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als einer der drei wichtigsten Erreger zur Entwicklung neuer Wirkstoffe aufgeführt. Das Bakterium befalle Atem- und Harnwege oder Wunden und löse gefährliche Infektionen aus. Deren Behandlung gestalte sich bis heute äußerst schwierig.
Risikopatienten für eine chronische Lungeninfektion
Besonders oft von entsprechenden chronischen Infektionen betroffen sind laut Aussage der Forscher „Patienten, die an Mukoviszidose leiden.“ Bei ihnen verursache der Erreger eine chronische Lungeninfektion, die permanent mit Antibiotika in Schach gehalten werden muss. Des Weiteren seien auch Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen oder erweiterten Bronchien (sog. Bronchiektasen) vermehrt von Infektionen mit dem Erreger betroffen. Durch zunehmende Antibiotikaresistenzen werde auch bei ihnen eine erfolgreiche Behandlung erschwert.
Virulenz-Prozess unterdrückt und Biofilm-Bildung reduziert
Die Wissenschaftler konnten in ihren Untersuchungen nachweisen, dass das Ausgangsmolekül gute Voraussetzungen zur Entwicklung eines erfolgreichen Wirkstoffs bietet. Der Pathoblocker hemme die Funktion des Rezeptors PqsR, der eine Schlüsselrolle im Infektionsgeschehen von Pseudomonas aeruginosa spiele. „Über diesen Rezeptor reguliert das Bakterium seine gruppenspezifische Virulenz und damit Faktoren, die für die Infektionsschwere zuständig sind“, berichtet das DZIF. Durch den neuen Wirkstoff werde einerseits der Virulenz-Prozess unterdrückt und anderseits senke er nachweislich „auch die Masse an Biofilm, einer Matrix, die von Pseudomonaden gebildet wird und die Bakterien vor Angriffen des Immunsystems schützt.“ Mit der Bildung eines Biofilms werde eine Infektion in der Regel chronisch und schwerer therapierbar.
Weiterentwickelung zum praktisch anwendbaren Wirkstoff geplant
Im nächsten Schritt sind laut Aussage der Forscher die Wirkstoff-Designer gefragt, um die Struktur des Moleküls so zu verändern, dass es die für einen Wirkstoff notwendigen Eigenschaften aufweist. Beispielsweise müsse eine hohe Wirksamkeit an der Zielstruktur, eine hohe Selektivität und eine gute Verfügbarkeit am Wirkort gewährleistet sein. Ziel der Forschung sei es, in den kommenden zwei Jahren einen präklinischen Profilierungskandidaten zu bestimmen, der dann in Kollaboration oder im Rahmen einer Firmenausgründung weiterentwickelt werden kann.
„Am Ende der Entwicklung soll ein Wirkstoff stehen, der von Patienten mit chronischen Lungeninfektionen inhaliert werden kann“, betont Dr. Empting. Einen vielversprechenden ersten Anwendungsbereich bilde hier der Einsatz als Begleittherapie zur Antibiotika-Behandlung. Die Entwicklung von Pathoblockern bildet laut Dr. Empting jedoch grundsätzlich „eine wichtige Option, um das Problem schwer therapierbarer chronischer Infektionen nachhaltig in den Griff zu bekommen.“ (fp)
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