Wissenschaftler beschreiben erstmals Krankheitsverlauf nach MERS-Infektion
18.06.2013
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte erst vor wenigen Wochen vor dem neuen Coronavirus: Dieses sei „eine Gefahr für die ganze Welt", so die Generaldirektorin der WHO, Margaret Chan, auf der 66. Weltgesundheitsversammlung in Genf. Nun hat sich sich ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn eingehend mit dem MERS-Virus beschäftigt und erstmals den Verlauf der Krankheit am Beispiel eines im März diesen Jahres in München verstorbenen Mannes beschrieben. Demnach verbreitet sich das neue – in erster Linie im nahen Osten verbreitete – Coronavirus vor allem über die Atemwege, denn im Vergleich zum Erreger der Infektionskrankheit „SARS“, der auch zu den Coronaviren zählt, hatten die Forscher im Stuhl von Patienten nur vereinzelnd Viren gefunden.
WHO warnt vor einer „Gefahr für die ganze Welt“
Laut der WHO gehe vom neuen, so genannten “Mers-CoV” (Middle east Respiratory Syndrome Coronavirus) eine ernstzunehmende Gefahr aus – so wurden bis zum 15. Juni nach Angaben der Organisation 61 Erkrankungen durch MERS-CoV bestätigt, bereits 34 Patienten starben daran. Erst Ende März war in München ein 73-Jähriger Patient an dem Virus gestorben, der zur Behandlung aus Abu Dhabi nach Deutschland eingeflogen worden war.
Forscher untersuchen 73-jähriges Opfer der Krankheit
Diesen Fall hat sich nun ein überwiegend aus deutschen Medizinern bestehendes Forscher-Team genauer angeschaut und dadurch große Fortschritte im Verstehen der Krankheit erzielt – denn bislang hätten laut Prof. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn nur “wenige Informationen über den Verlauf der Infektion“ vorgelegen, „außerdem konnten wir bisher wegen Datenmangel keine Einschätzungen zur Entstehung und Verbreitung der Infektion wagen“, so der Wissenschaftler aktuell im Fachblatt "The Lancet".
Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach 18 Tagen verstorben
Bei dem 73-jährigen Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hatten sich zunächst grippeähnliche Symptome gezeigt, zwei Tage später war er dann in eine Klinik in Abu Dhabi eingeliefert worden, wo die Ärzte eine Lungenentzündung feststellten und Antibiotika sowie eine künstliche Beatmung verordneten. Nach dem sich keine Besserung einstellte, wurde der Patient am zwölften Tag der Erkrankung in eine Klinik in München verlegt, wo sich sein Zustand jedoch weiter verschlechterte und er schließlich 18 Tage nach Beginn der Krankheit an einer Blutvergiftung (Sepsis) und multiplem Organversagen verstarb.
Forscher finden größte Virenlast Virenlast in den unteren Atemwegen
Anhand dieses Falls hätten die Forscher „erstmals die Verteilung der MERS-CoV-Viruslast auf die verschiedenen Organe“ beschreiben können, so Prof. Drosten. Dabei seien sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Virenlast in den unteren Atemwegen am größten gewesen war. Dies werde zudem auch seitens der WHO bestätigt, die die Empfehlung herausgegeben hatte, bei Patienten Virenproben aus diesem Bereich zu entnehmen.
Geringe Mengen an Erregern in Urin und Stuhl überraschen die Wissenschaftler
Laut den Wissenschaftlern würde die hohe Konzentration an Viren in den unteren Atemwegen darauf hinweisen, dass das Virus in erster Linie über die Atemwege ausgeschieden werde. Darüber hinaus hatten die Mediziner in Urin und Stuhl des Patienten aus Abu Dhabi geringe Mengen an Erregern gefunden: „Dieses Ergebnis hat uns überrascht, da im Zusammenhang mit MERS-CoV-Fällen ein frühes Nierenversagen beschrieben wird und sich nach Laborexperimenten diese Viren in der Niere stark vermehren können“, so Prof. Drosten. Zudem würden die niedrigen Virusmengen in den Urin-, Stuhl- und Blutproben daraufhin deuten, “dass die Ansteckungsgefahr über diese Wege gering ist.”
Untersuchung bringt wichtige Erkenntnisse für die Praxis
Darüber hinaus brachte die Untersuchung des 73-jährigen noch weitere interessante Ergebnisse – besonders wichtig für die Praxis sei die Erkenntnis, dass sich die niedrigen Erregermengen im Stuhl deutlich vom Krankheitsbild der mit dem SARS-Erreger (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) infizierten Patienten unterschieden hatte. Denn bisher hatten sich Mediziner bei der Behandlung des neuen Corona-Virus am Verlauf von SARS orientiert, dem vor knapp zehn Jahren weltweit fast 1000 Menschen zum Opfer gefallen waren. Schon damals war Prof. Christian Drosten an der Erforschung maßgeblich beteiligt gewesen – so hatte der Virologe noch in seiner Zeit am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg gemeinsam mit seinem Kollegen Stephan Günther das SARS-Virus identifiziert und beschrieben, wofür die beiden den Preis der Werner-Otto-Stiftung bekommen hatten.
Zwei neue Genomsequenzen von MERS-Coronaviren vollständig entschlüsselt
Im Zuge der Untersuchung des verstorbenen Patienten konnten die Forscher zudem zwei neue Genomsequenzen von MERS-Coronaviren vollständig entschlüsseln und durch den Vergleich mit weiteren Fällen auf die Evolution des Erregers schließen. Demzufolge müsste laut Drosten der „MERS-CoV-Erreger erstmals 2011 aufgetreten sein“ und habe sich der Vermutung des Virologen nach seither im Wesentlichen von Mensch zu Mensch übertragen.
Erster Fall von MERS-CoV im Sommer 2012
Das neue „Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus“ (MERS-CoV) wurde erstmals im Sommer 2012 festgestellt, welches laut der Universität Bonn von Jordanien, Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten seinen Ausgang nahm und Später auch in Deutschland, Großbritannien, Tunesien, Frankreich und Italien auftrat. Symptome der schweren Atemwegserkrankung sind Lungenentzündung und Atemnot, für 31 infizierte Patienten endete die MERS-CoV-Infektion bisher tödlich.
MERS-CoV-Ausbruch im Vergleich zu SARS noch in der Frühphase?
Im Vergleich zum Verlauf von SARS vor zehn Jahren könne sich der MERS-CoV-Ausbruch also noch in der Frühphase befinden, wie Benoit Guery und Sylvie van der Werf vom Hopital Huriez im französischen Lille in einem Kommentar zu der aktuellen Veröffentlichung schreiben. Daher müsste die internationale Forschergemeinschaft dringend wirksame Therapien finden und bewerten, so die französischen Wissenschaftler. (nr)
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