Mediziner der Berliner Charité stellen neues Arzneimittel zur Vorsorge von Brustkrebs vor
26.06.2011
Millionen Frauen Erkranken jährlich weltweit an Brustkrebs. Mammakarzinome bilden rund 25 Prozent aller Krebserkrankungen und sind die mit Abstand häufigste nachgewiesene Tumorart bei Frauen. Jährlich sterben laut Angaben der Deutschen Krebshilfe allein in Deutschland etwa 17.000 Frauen in Folge eine Brustkrebs-Erkrankung. Mediziner der Berliner Charité haben eine Tablette präsentierten, die angeblich vorbeugend gegen gegen Brustkrebs wirken soll.
Das neue Präparat zur Brustkrebsvorbeugung wurde von kanadischen Wissenschaftler im Rahmen einer umfassenden Studie untersucht, deren Ergebnisse auf einem Krebskongress in Chicago vorgestellt wurden, berichtete Professor Jalid Sehouli, Chefarzt der Gynäkologie der Berliner Charité gegenüber „Welt Online“. Die sogenannte Aromatasehemmer blockieren die Produktion des Enzyms Aromatase, wodurch die Ausschüttung von Östrogenen im Fett- und Muskelgewebe deutlich reduziert werden kann. Da Östrogene eine wesentliche Voraussetzung für das Wachstum der Krebszellen sind, wird den Tumoren mit der Senkung der Östrogenkonzentration die Grundlage des Wachstums entzogen, berichten Sehouli und Kollegen. Diesen Effekt haben Ärzte zwar auch in der Vergangenheit schon bei Patientinnen mit vorliegender Brustkrebs-Erkrankung genutzt, eine vorbeugende Einnahme bei Risikogruppen wurde bisher jedoch nicht untersucht. Diese haben kanadischen Forscher im Rahmen einer fünfjährigen Studie mit rund 4.500 Probanden nun erstmals genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Das Brustkrebsrisiko konnte durch die Verabreichung des Aromatasehemmers um rund 65 Prozent gesenkt werden.
Aromatasehemmer in der Krebstherapie bereits erfolgreich angewandt
In der Krebstherapie werden Aromatasehemmer bereits seit Jahren eingesetzt, um bei bestehenden Mammakarzinomen die Heilungsaussichten zu verbessern und nach einer Operation die Neubildung von Metastasen zu vermeiden. Durch die Verabreichung der Aromatasehemmer wird dabei die Produktion des für die Östrogenausschüttung entscheidenden Enzyms Aromatase blockiert und so die Östrogenkonzentration im Organismus gesenkt. Da Östrogen die Voraussetzung für die Entstehung von Tumoren ist, konnte das Risiko einer Brustkrebserkrankung mit Hilfe der Aromatasehemmer deutlich gesenkt werden, erklärten die Experten der Berliner Charité. Eine vorbeugende Verabreichung an bestimmte Risikogruppen wurde nun von den Wissenschaftlern der kanadischen Krebsgesellschaft untersucht. Zu den sogenannten Risikopatientinnen zählen dabei laut Aussage von Professor Jalid Sehouli „generell Frauen ab 60, Frauen, die früh ihre erste Regelblutung bekamen und spät in die Wechseljahre kommen, Frauen ohne Kinder oder mit hohem Übergewicht und solche, in deren Familie schon Brustkrebs vorgekommen ist“. Darüber hinaus seien auch „Frauen mit Mastopathie, einer Veränderung des Brustdrüsengewebes" einem erhöhten Brustkrebsrisiko ausgesetzt. Insgesamt tragen nach Einschätzung des Experten „gut 50 Prozent aller Frauen über 60 Jahre mindestens eines dieser Risiken“ in sich, wobei vor allem der langjährige Einfluss des Östrogens, das Wachstum von Tumorzellen fördere. Die kanadische Studie mit mehr als 4.500 Teilnehmern konnte nun jedoch belegen, dass mit Hilfe der Aromatasehemmer das Risiko einer Brustkrebserkrankung deutlich reduziert werden kann – bei tolerablen Nebenwirkungen. Bereits nach einer Studienlaufzeit von drei Jahren unterlagen die Probanden, die mit dem Aromatasehemmer behandelt wurden, einem um 65 Prozent geringeren Brustkrebsrisiko, als die Studienteilnehmerinnen der Kontrollgruppe, berichten die Experten der Berliner Charité bei Präsentation der neuen Anti-Krebs-Tabletten.
Arzneimittel für Frauen mit erhöhtem Brustkrebs-Risiko
Bei den Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko könnte demnach auch eine vorbeugende Verabreichung der Aromatasehemmer durchaus sinnvoll sein, erklärten Professor Jalid Sehouli und Kollegen. Zwar bleiben Krebsvorsorgeuntersuchungen weiterhin die beste Methode, um schwerwiegende Krebserkrankungen vorzubeugen, da mit einer frühzeitigen Diagnose, die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung deutlich steigen. Doch durch eine Weiterentwicklung des Einsatzes der Aromatasehemmer könnte in Zukunft möglicherweise das Risiko einer Brustkrebserkrankung vor allem bei den besonders gefährdeten Frauen deutlich reduziert werden. Vorher sind nach Einschätzung von Prof. Jalid Sehouli allerdings weitere Studien notwendig, um den Kreis der Frauen, denen die Tabletten wirklich helfen können, weiter einzugrenzen. Denn generell sei zum Beispiel die Verabreichung der Aromatasehemmer erst nach den Wechseljahren möglich, da ansonsten der Wirkstoff sogar kontraproduktiv wirken und das Risiko weiterer Krebsformen erhöhen könnte, berichtet Prof. Sehouli. Außerdem ist das Präparat relativ teuer (200 Euro pro Monat), so dass eine Massenverabreichung an Risikopatientinnen ohne eindeutigen Nutzten zu kostspielig wäre, erklärte der Experte. Darüber hinaus muss nach Ansicht von Prof- Sehouli auch das Risiko möglicher Nebenwirkungen noch genauer untersucht werden, da zu den Langzeitfolgen bisher keine Aussage möglich ist. So könnten zum Beispiel nach zehn Jahren der Kontrolle bislang unentdeckte Nebenwirkungen auftreten.
Medikament Bestandteil des Gesamtkonzeptes zur Krebsprävention
Als Bestandteil des Gesamtkonzeptes der Krebsprävention könnten die Aromatasehemmer in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen, erklärte berichtet Prof. Sehouli, obwohl er nach eigenen Angaben „die Medikamente im Moment nicht propagieren“ würde. Denn vorerst sei zu klären, „ob sie den Nutzen wert sind, da „Brustkrebs auch eine Frage des persönlichen Lebensstils“ ist, betonte der Experte. Ernährung, körperliche Bewegung sowie Alkohol- und Tabakkonsum haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das individuelle Krebsrisiko, so dass Maßnahmen wie Patientensportprogrammen oder Ernährungsberatungen einen wesentlichen Baustein der Krebsprävention bilden, der nicht nur relativ kostengünstig umzusetzen ist, sondern darüber hinaus auch das Risiko weiterer Erkrankungen (z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) deutlich reduziert, erklärte Prof. Sehouli. Ob die Aromatasehemmer hier zusätzliche Vorteile bringen können, müssen nun weitere Studien untersuchen, so das Fazit des Experten. (fp)
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