Wie empfinden wir Schmerzen?
Forschende haben jetzt ein neues Organ identifiziert, welches an der Schmerzempfindung beteiligt ist. Dies könnte bei der Entwicklung neuer effektiver schmerzstillender Medikamente helfen.
Bei der aktuellen Untersuchung des Karolinska Institutet in Stockholm wurde festgestellt, dass spezielle Zellen in der äußeren Hautschicht an der Wahrnehmung von Schmerzen beteiligt sind. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Science“ veröffentlicht.
Erstrecken sich schmerzempfindliche Zellen bis in die äußere Hautschicht?
Die Forschenden haben herausgefunden, dass spezielle Zellen, welche die schmerzempfindlichen Nervenzellen umgeben, die sich in die äußere Hautschicht erstrecken, an der Wahrnehmung von Schmerz beteiligt zu sein scheinen. Bei den genannten Zellen handelt es sich um sogenannte Schwann-Zellen, die Nervenzellen umhüllen, um sie am Leben zu erhalten. Die Forschenden stellten fest, dass diese Schwann-Zellen Fortsätze aufweisen, die sich um die Enden schmerzempfindlicher Nerven wickeln, die bis in die Epidermis, die äußere Schicht der Haut, reichen. Der Befund bietet neue Einblicke in die Wahrnehmung von Schmerzen und könnte bei der Beantwortung langjähriger Fragen zum Thema Schmerz helfen, berichten die Forschenden.
Sind unsere Nervenenden ungeschützt?
Lange Zeit wurde angenommen, dass die Enden der Nervenzellen in der Epidermis offen oder ungeschützt sind. Daher waren die neuen Ergebnisse auch für die Forschenden durchaus überraschend. Im Schmerzbereich wird häufig von freien Nervenenden gesprochen, die für das Schmerzempfinden verantwortlich sind. In Wirklichkeit liegen Nervenenden aber nicht frei, erklärt die Forschungsgruppe.
Versuch wurde an Mäusen durchgeführt
Die größte neue Entdeckung des Teams war, dass die Schwann-Zellen Schmerzen wahrnehmen können. Dies konnte mit Hilfe der sogenannten Optogenetik festgestellt werden, bei der Mäuse so gentechnisch verändert wurden, dass Schwann-Zellen in der Haut ihrer Füße ein Protein produzierten, das Licht absorbieren konnte. Wenn Licht auf diese Zellen fällt, verändert sich dieses Protein, was sich auf die Membran auswirkt und eine Verschiebung der elektrischen Ladung der Zellen bewirkt. Anders ausgedrückt: Die Zellen werden stimuliert. Wenn Licht auf die Zellen fiel, hoben die Mäuse ihre Füße. Sie zeigten auch Verhaltensweisen wie Lecken, Schütteln und Schützen ihrer Pfoten. Alles Anzeichen dafür, dass die Stimulierung dieser Schwann-Zellen Schmerzen verursachte. Mit zunehmender Dauer der Lichtimpulse nahm die Anzahl der in der Nähe befindlichen Nervenzellen zu, was die Annahme stützt, dass diese Schwann-Zellen über die Nervenzellen ein Signal an das Gehirn senden. Um herauszufinden, was die Schwann-Zellen sonst noch aktivieren könnte, setzte das Team die Füße der Mäuse Hitze, Kälte und Nadelstichen aus. Anschließend verglichen sie das Verhalten mit den Reaktionen der Tiere, als Licht verwendet wurde, um die Schwann-Zellen leicht zu aktivieren, sie empfindlicher zu machen oder sie zu deaktivieren.
Neues Organ zur Schmerzempfindung entdeckt?
Die Ergebnisse zeigen, dass Mäuse eine stärkere Schmerzreaktion aufwiesen, nachdem die Zellen durch Licht aktiviert worden waren. Dies deutet darauf hin, dass die speziellen Schwann-Zellen wichtig für das Erkennen von Schmerzen sind, berichten die Forschenden. Mit den speziellen Schwann-Zellen und den Nerven, mit denen sie zu einem maschenartigen Netzwerk verschlungen sind, sei im Grunde genommen ein neues schmerzempfindendes Organ indentifiziert worden. Es handelt sich dabei um eine Art Zwei-Zellen-Rezeptor-Organ: Dieses umfasst den Nerv und die Schwann-Zelle. Die Forschung müsse jetzt an Menschen weitergeführt werden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hind Abdo, Laura Calvo-Enrique, Jose Martinez Lopez, Jianren Song, Ming-Dong Zhang et al.: Specialized cutaneous Schwann cells initiate pain sensation, in Science (Abfrage: 16.08.2019), Science
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.