Vasoinhibin: Neuer Wirkstoff mit hohem Potenzial
Vasoinhibin ist ein natürliches Protein mit mehr als 123 Aminosäuren. In präklinischen Studien hat das Protein bereits das Potenzial zur Reduzierung des Tumorwachstums gezeigt. Auch bei diabetischer Retinopathie und Arthritis hat sich das Protein als wirksam erwiesen. Der medizinische Einsatz wurde bislang jedoch erschwert, da Vasoinhibin aufgrund der komplexen Struktur nicht in größeren Mengen produziert werden konnte. Dieses Problem konnte nun durch ein deutsch-mexikanisches Forschungsteam gelöst werden.
Forschenden des Instituts für Neurobiologie der Nationalen Universität Mexikos in Querétaro sowie des Instituts für Klinische Chemie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Nürnberg ist es gelungen, die bioaktive Domäne des Proteins Vasoinhibin zu entschlüsseln. Die Entdeckung eröffnet die neue Wirkstoffklasse der Vasoinhibin-Analoga, die bei zahlreichen Erkrankungen eingesetzt werden könnte. Die Forschungsergebnisse wurden in dem Fachjournal „Angiogenesis“ vorgestellt.
Wie wirkt Vasoinhibin?
Frühere Forschungsarbeiten zeigten bereits, dass Vasoinhibin das Wachstum neuer Blutgefäße hemmt. Somit stellt das Protein eine Behandlungsoption bei Krankheiten dar, die zu einem übermäßigen Blutgefäßwachstum führen, wie beispielsweise Krebs, diabetische Retinopathie und rheumatoide Arthritis.
Vasoinhibin könnte rund jeder dritten Person helfen
Zusammengenommen leiden über 30 Prozent der Weltbevölkerung an solchen Krankheiten. „Vasoinhibin-Analoga könnten eine selektive und potente Behandlung zur Hemmung der Blutgefäßneubildung darstellen, welche zum Tumorwachstum, zur Erblindung bei Diabetes und zur Entzündung bei Arthritis beiträgt“ betont Dr. Jakob Triebel aus dem Studienteam, der Arzt am Klinikum Nürnberg und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität ist.
Ungenutztes Potenzial
Die Wirkungsweise von Vasoinhibin ist zwar schon mehrere Jahrzehnte bekannt, dennoch gibt es keine Medikamente, die auf dem Protein basieren. Dies liegt an der komplexen Struktur mit mehr als 123 Aminosäuren, die eine Produktion in großer Menge bislang unmöglich machte. Somit konnten auch keine großangelegten klinischen Studien zu dem Wirkstoff durchgeführt werden.
Aus 123 wird 7
In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die internationale Forschungsgruppe um Professorin Carmen Clapp von der Nationalen Universität Mexiko der Beschreibung und Charakterisierung von Vasoinhibin gewidmet. Nun erzielte das Team einen großen Durchbruch bei der Entschlüsselung der bioaktive Domäne des Proteins. „Die neueste Erkenntnis ist, dass von den 123 Aminosäuren, aus denen das natürliche Protein besteht, nur eine Sequenz von drei Aminosäuren die sogenannte aktive Domäne bildet“, betont Clapp.
Eine Sequenz aus nur sieben Aminosäuren, die die drei Schlüsssel-Aminosäuren enthält, reicht laut Clapp aus, um die volle Funktion des Proteins zu entfalten. Dies erleichtere die synthetische Produktion ungemein.
Vielversprechende Ergebnisse bei Mäusen
Erste Versuche im Mausmodell zeigten bereits, dass ein synthetisches Vasoinhibin-Peptid aus sieben Aminosäuren das Gefäßwachstum und die Gefäßpermeabilität bei Mäusen in gleicher Weise wie das natürliche Protein reduziert. Das Wachstum von Melanomtumoren sowie die physiologische und pathologische Vaskularisierung der Netzhaut konnte bei den Tieren reduziert werden.
Vorteile der kleineren Größe
„Das Design von Analoga dieser kleinen Größe erleichtert und reduziert nicht nur die Produktionskosten, sondern ermöglicht auch eine erhöhte Löslichkeit, Stabilität und Spezifität“, unterstreicht Studienerstautor Dr. Juan Pablo Robles. Das erlaube sogar die Generierung von wirksamen Verbindungen für die orale Verabreichung. Das seien wünschenswerte Eigenschaften für Medikament und fördere die Überführung in die klinische Nutzung.
Der weite(re) Weg bis zur Marktreife
„Obwohl die ersten Ergebnisse vielversprechend sind, ist der weitere Weg zur Entwicklung des Vasoinhibin-Analogons zu einem neuen Medikament noch lang“, verdeutlicht Magdalena Zamora aus der Arbeitsgruppe. Es sei notwendig, die Bioaktivität und Sicherheit dieser Analoga, ihre pharmakologische Zusammensetzung, ihre Verteilung und Eliminierung im Organismus sowie ihre möglichen unerwünschten Wirkungen noch umfassender zu bestimmen.
Anschließend könne die Evaluierung der Vasoinhibin-Analoga in einer klinischen Phase beginnen, in der das Sicherheitsprofil und die Wirksamkeit bei der Behandlung der verschiedenen genannten Krankheiten untersucht werden. Trotz des hohen therapeutischen Potenzials der Vasoinhibin-Analoga stehe die Validierung dieses Potenzials deshalb noch vor einer Reihe von Herausforderungen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Patentanmeldung: WO2021098996 - OLIGOPEPTIDES THAT INHIBIT ANGIOGENESIS AND VASCULAR FUNCTION (veröffentlicht: 27.05.2021), patentscope.wipo.int
- Paracelsus Medizinische Privatuniversität: Neue Erkenntnisse zum Vasoinhibin-Protein: mögliche Anwendung als Medikament bei Krebs- und Netzhauterkrankungen (veröffentlicht: 24.06.2021), idw-online.de
- Robles JP, Zamora M, Siqueiros-Marquez L, Adan-Castro E, Ramirez-Hernandez G, Nuñez FF, Lopez-Casillas F, Millar RP, Bertsch T, Martínez de la Escalera G, Triebel J, Clapp C. The HGR motif is the antiangiogenic determinant of vasoinhibin: implications for a therapeutically active oligopeptide; in: Angiogenesis 2021,, link.springer.com
Wichtiger Hinweis:
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