Bundesverfassungsgericht: Kein Anspruch bei wirksamer Notfallarznei
Karlsruhe (jur). Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausnahmecharakter eines Leistungsanspruchs der Versicherten abseits des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung betont. Dies setze eine „durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage“ voraus, heißt es in einem am Donnerstag, 11. Mai 2017, in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 452/17). Nach dem konkreten Fall liegt eine solche Notlage nicht vor, wenn auftretende Lebensgefahren jeweils durch eine Notfallmedikation beseitigt werden können.
Die Klägerin leidet an einer Autoimmunerkrankung und einer entzündlichen Erkrankung der Haut. Als Folge kann es zu einem Anschwellen der Zunge kommen, wodurch eine Erstickungsgefahr besteht. Um dem zu begegnen, führt die Frau immer ein Notfallset mit sich. Sämtliche Versuche, die Erkrankung zu heilen, sind aber gescheitert.
Bei ihrer Krankenkasse beantragte sie daher die Kostenübernahme für eine Behandlung mit Immunglobulinen. Dies sind aus Blutspenden gewonnene Antikörper, die über die Vene in den Blutkreislauf geführt werden. Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme jedoch ab. Immunglobuline seien für ihre Erkrankung nicht zugelassen.
Mit ihrer Klage stützte sich die Frau auf den sogenannten Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98). Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen müssen danach die Krankenkassen auch alternative oder andere Heilmethoden außerhalb ihres regulären Leistungskatalogs bezahlen, wenn diese „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf Heilung oder Linderung versprechen.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hatte die Klage abgewiesen – zu Recht, wie nun das Bundesverfassungsgericht bestätigte.
Dabei bekräftigten die Karlsruher Richter zwar die Möglichkeit von Ausnahmen abseits des Leistungskatalogs der Krankenkassen. Gleichzeitig verwiesen sie aber auf den weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Gesundheitswesens. Ein unmittelbar aus der Verfassung abzuleitender Anspruch sei daher auf „notstandsähnliche Situationen“ begrenzt, in denen Patienten „nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen“.
Hier könne aber mit den Notfallmedikamenten „einer Lebensgefahr hinreichend sicher begegnet werden“. Daher fehle es „an einer notstandsähnlichen Lage und damit an hinreichenden Gründen, um den gesetzgeberischen Spielraum bei der Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch einen unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Anspruch zu überspielen“, so das Bundesverfassungsgericht in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 11. April 2017. mwo//fle
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