Durchbruch in der regenerativen Zahnmedizin
Auf die bleibenden Zähne muss gut aufgepasst werden, denn Schäden sind nicht mehr rückgängig zu machen. Ein Loch im Zahn bleibt ein Leben lang und ein ausgefallener Zahn wächst nicht mehr nach – zumindest beim Menschen. Denn bei einigen Tieren wie beispielsweise bei Mäusen wächst der Schneidezahn ständig nach. Ein internationales Forschungsteam will diese regenerativen Fähigkeiten auch für Menschen nutzbar machen und so den neuen Zweig der regenerativen Zahnmedizin voranbringen.
Forschende des schwedischen Karolinska Institutet, der Medizinischen Universität Wien und der Harvard Universität in den USA berichten von neuen Erkenntnissen über den zellulären Aufbau und das Wachstum von Zähnen. Mit diesem Wissen könne die Entwicklung regenerativer Zahnmedizin vorangetrieben werden, die es ermöglichen soll, Zähne nachwachsen zu lassen und kaputten Zähnen die Fähigkeit zur Selbstreparatur zu verleihen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Zähne entstehen in einem komplexen Prozess
Zähne entwickeln sich im Laufe eines komplexen Prozesses, bei dem Weichgewebe mit Bindegewebe, Nerven und Blutgefäßen sowie mit drei verschiedenen Arten von Hartgewebe zu einem funktionsfähigen Ganzen verbunden wird. Die Arbeitsgruppe hat diesen Prozess nun sowohl bei dem nachwachsenden Schneidezahn der Maus als auch beim Menschen entschlüsselt. Dies sei die Grundlage dafür, die regenerativen Kräfte der Zähne für die Medizin nutzbar zu machen.
Zum Ursprung zurückverfolgt
Die Forschenden sequenzierten die RNA in den einzelnen Zellen von Mäuse- und Menschenzähnen und verfolgten deren genetischen Ursprung zurück. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die gesamten Zellpopulationen in den Zähnen von erwachsenen Menschen und von Mäusen identifizieren und charakterisieren.
Spezialisierte Zellen im Zahn
Wie bereits bekannt ist, sind Odontoblasten hochspezialisierte zylindrische Zellen des Zahngewebes, die Dentin produzieren. Ein Großteil des Zahns besteht aus Dentin, auch Zahnbein genannt. Im Gegensatz zum Zahnschmelz kann Dentin immer wieder neu gebildet werden, allerdings nur an der Grenzfläche zum Zahnmark (Pulpa) – dem weichen Gewebe im Inneren des Zahnes. Für die Produktion des Zahnschmelzes sind die sogenannten Ameloblasten verantwortlich.
Rätsel um regenerative Zellen im Zahn gelöst
„Von den Stammzellen bis zu den vollständig ausgewachsenen Zellen konnten wir die Differenzierungswege der Odontoblasten und der Ameloblasten entschlüsseln“, erläutern Igor Adameyko und Kaj Fried aus dem Studienteam. Zudem entdeckte das Team auch bislang unbekannte Zelltypen und Zellschichten, die eine Rolle bei der Zahnempfindlichkeit zu spielen scheinen.
Insgesamt wirft die Studie ein neues Licht auf die Bildung von Zahnschmelz, dem härtesten Gewebe in unserem Körper, welches sich beim Menschen bislang nicht regenerieren kann. „Wir hoffen und glauben, dass unsere Arbeit die Grundlage für neue Ansätze in der Zahnmedizin von Morgen bildet“, betonen die Forschenden. Insbesondere auf dem jungen, aber schnell wachsendem Gebiet der regenerativen Zahnmedizin stellen diese Erkenntnisse einen Durchbruch dar. So sei nun eine biologische Therapie zum Ersatz von beschädigtem oder verloren gegangenem Zahngewebe denkbar.
Die Daten stehen zur freien Verfügung
Die Forschenden stellten ihre Ergebnisse über Mäuse- und Menschenzähne in Form eines interaktiven Atlanten der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auf diese Weise können andere Forschungsteams weltweit die Erkenntnisse zur Entwicklung regenerativer Zahnbehandlungen nutzen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Karolinska Institutet: Breakthrough for tomorrow’s dentistry (veröffentlicht: 23.09.2020), news.ki.se
- Jan Krivanek, Ruslan A. Soldatov, Igor Adameyko, u.a.: Dental cell type atlas reveals stem and differentiated cell types in mouse and human teeth; in: Nature Communications, 2020, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.