Neuer Risikorechner für drohendes Nierenversagen
Die Nieren sind wichtig für die Regelung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, des Blutdrucks, des Säure- und Basenhaushalts, für die Entgiftung des Körpers, die Bildung roter Blutkörperchen sowie die Regelung des Knochenstoffwechsels. Bei einem Nierenversagen verlieren sie ihre Funktionsfähigkeit. Forschende habe nun einen neuen Risikorechner veröffentlicht. Anhand von sechs Laborparametern lässt sich die Gefahr von Niereninsuffizienz individuell vorhersagen.
Bei einem akuten Nierenversagen („Niereninsuffizienz „) verlieren die Nieren relativ plötzlich ihre Funktionsfähigkeit – meist innerhalb weniger Stunden oder Tage, wird auf dem öffentlichen Gesundheitsportal Österreichs „Gesundheit.gv.at“ erklärt. Die Erkrankung ist unbehandelt lebensbedrohlich. Nun wurde ein neuer Risikorechner für Nierenversagen veröffentlicht.
Wahrscheinlichkeit eines Nierenversagens berechnen
Wird eine eingeschränkte Nierenfunktion (Niereninsuffizienz) diagnostiziert, ist unklar, wie schnell die Krankheit fortschreitet und wann die Nieren vollständig ihren Dienst versagen, so dass eine Dialyse erforderlich wird, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Universität Regensburg.
Das kann bei einer Patientin oder einem Patienten sehr schnell gehen, während sich bei anderen die Nierenfunktion jahrelang kaum verschlechtert. Für die Therapieplanung wäre es aber wünschenswert, Betroffene mit einem hohen Risiko für ein komplettes Nierenversagen frühzeitig zu identifizieren.
Für diesen Zweck hat Professorin Helena Zacharias von der Medizinischen Fakultät der CAU innerhalb eines internationalen Forschungsverbunds zusammen mit Forschenden der Universitäten Regensburg (Prof. Dr. Peter Oefner) und Freiburg einen Risikokalkulator entwickelt.
„Wir können mit unserer Gleichung anhand von sechs routinemäßig verfügbaren Blut- und Urinwerten für einen neuen Patienten oder eine neue Patientin die Wahrscheinlichkeit eines dialysepflichtigen Nierenversagens ausrechnen“, erläutert die Wissenschaftlerin.
22 Laborparameter herausgefiltert
Grundlage für die vor kurzem in der Fachzeitschrift „American Journal of Kidney Diseases“ (AJKD) veröffentlichte Arbeit sind die Daten von fast 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der German Chronic Kidney Disease (GCKD)-Studie, der weltweit größten Kohortenstudie zur chronischen Nierenerkrankung.
Den Angaben zufolge wurden mit Hilfe von maschinellem Lernen aus 22 Laborparametern sowie demographischen Daten und Körpermaßen diejenigen herausgefiltert, die zur Vorhersage des Nierenversagens maßgeblich sind.
Die neue Risikoformel umfasst die sechs Laborparameter: Serum-Kreatinin, -Albumin, -Cystatin C und -Harnstoff, zusätzlich zu Hämoglobin sowie dem Albumin-zu-Kreatinin-Verhältnis im Urin.
„Unsere Risikogleichung erreichte eine hohe Vorhersageleistung sowohl innerhalb der GCKD-Studie als auch in drei unabhängigen, internationalen Validierungskohorten, die insgesamt über 3.000 Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenerkrankung umfassten“, so Erstautorin Zacharias vom Institut für Klinische Molekularbiologie der CAU und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, sowie der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel.
Diese Validierungskohorten umfassten Patientinnen und Patienten der französischen CKD-REIN Studie, der englischen SKS Studie sowie der MMKD Studie aus Österreich, Südtirol und Deutschland.
Verbesserte Versorgung von Nierenkranken
Außerdem wurde in der Studie die Vorhersagekraft der neuen Risikogleichung mit der bisher verwendeten sogenannten Tangri-Formel verglichen.
„Der 2012 publizierte Tangri-Score zur Prognose eines Nierenversagens beruht auf vier Variablen (Alter, Geschlecht, geschätzte glomuläre Filtrationsrate, Albumin-zu-Kreatinin-Verhältnis im Urin). Dieser gilt derzeit als Goldstandard, um Nierenversagen vorherzusagen. Wir konnten zeigen, dass unser Score eine signifikant bessere Vorhersagekraft hatte als der Tangri-Score“, erklärt Zacharias.
„Wir haben unseren Score auch als online-Service zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt. Benutzer und Benutzerinnen können hier die Werte für die sechs Parameter eingeben und erhalten dann das Risiko für ein Nierenversagen innerhalb der nächsten ein bis vier Jahre“, sagt die Wissenschaftlerin.
„Die Anwendung dieser Risikogleichung in der klinischen Praxis verspricht eine verbesserte Versorgung von chronisch Nierenkranken. Sie erlaubt uns, Personen zu identifizieren, die von einer intensivierten fachärztlichen Betreuung profitieren würden“, erläutert GCKD-Studienleiter Professor Kai-Uwe Eckardt von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: Drohendes Nierenversagen: Kieler Wissenschaftlerin veröffentlicht neuen Risikorechner, (Abruf: 11.10.2021), Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- Zacharias, H.U., Altenbuchinger, M., Schultheiss, U.T. … Oefner P.J. et al.: A Predictive Model for Progression of CKD to Kidney Failure Based on Routine Laboratory Tests; in: American Journal of Kidney Diseases, (veröffentlicht: 20.07.2021), American Journal of Kidney Diseases
- Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: www.gesundheit.gv.at: Akutes Nierenversagen, (Abruf: 11.10.2021), Gesundheit.gv.at
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.