Urteil: Etikettenschwindel bei Nutella fortan untersagt
18.11.2011
Der Lebensmittelkonzern Ferrero wurde wegen der irreführenden Aufmachung des Brotaufstrichs Nutellla vom Frankfurter Oberlandesgericht verurteilt. Die Etiketten auf den Nutella-Gläsern müssen geändert werden, ansonsten drohen Ferrero 250.000 Euro Strafe pro Einzelfall.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat beim Gericht Klage wegen der irreführenden Aufmachung der Nutella-Etiketten eingereicht und wurde durch das aktuelle Urteil des Oberlandesgerichts in seiner Auffassung bestätigt. Die Angaben zu den Vitaminen, Mineralstoffen, Kohlenhydraten und dem Fettgehalt sind auch nach Auffassung des Richter darauf ausgelegt, die Verbraucher zu täuschen. Zwar ist die Entscheidung (Az.: 6 U 40/11) noch nicht rechtskräftig und Ferrero hat angekündigt in jedem Fall in Revision beim Bundesgerichtshof gehen zu wollen, doch die Signalwirkung ist schon jetzt weitreichend.
Massig Zucker und Fett, wenig Vitamine und Mineralstoffe
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind die Angaben auf den Etiketten tatsächlich irreführend, da sie den Konsumenten suggeriert, der süße Schoko-Brotaufstrich enthalte deutlich mehr gesunde Inhaltsstoffe als dies tatsächlich der Fall ist. Auf den Nutella-Etiketten werden sowohl die gesunden als auch die eher ungesunden Inhaltsstoffe als Prozentangaben des täglichen Bedarfs angegeben, wogegen auf den ersten Blick nichts einzuwenden ist. Doch beziehen sich die Angaben bei dem enthaltenen Fett und den Kohlenhydraten auf eine Portion von 15 Gramm, wohingegen die Grundlage bei den in einer anderen Farbe abgedruckten Vitamin- und Mineralstoffanteilen eine Portion von 100 Gramm ist. Da sich die Verbraucher oftmals an den abgedruckten Prozentangaben orientieren, dabei jedoch nicht die zu Grunde gelegte Verzehrmenge beachten, liegt für sie der Schluss nahe, dass Nutella sehr viel Mineralstoffe und Vitamine enthält, der Fett- und Kohlenhydrate-Anteil hingegen eher zu vernachlässigen ist, erklärte die Rechtsexpertin Susanne Einsiedler vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Um die angegebenen Prozentwerte des Tagesbedarfs bei den Vitaminen und Mineralstoffen zwischen 30 und 78 Prozent zu erreichen, müssten pro Tag 100 Gramm Nutella verzehrt werden. In diesem Fall würden jedoch wesentlich höhere Mengen Kohlenhydrate und Fette aufgenommen. Die auf drei Prozent des Tagesbedarfs bezifferte Menge bei Kohlenhydraten und die sieben Prozent beim Fett würden deutlich nach oben schnellen.
Ferrero wird die Etiketten bei Nutella ändern
Da der Bundesverband der Verbraucherzentralen in den Nutella-Etiketten einen eindeutigen Versuch der Verbraucher-Täuschung sieht, zogen die Verbraucherschützer vor Gericht und forderten von dem Lebensmittelkonzern eine Unterlassung. Das Oberlandesgericht Frankfurt folgte den Klägern nun in zweiter Instanz und untersagte die weitere Verwendung der Nutella-Etiketten. Pro Einzelfall wurde ein Zwangsgeld von 250.000 Euro verhängt, sollte der Konzern nicht reagieren. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, da Ferrero in jedem Fall beim Bundesgerichtshof in Revision gehen will, doch der Nutella-Hersteller hat jetzt schon angekündigt, die Etikettengestaltung zum Jahresende zu ändern. Zwar sei der Konzern weiterhin davon überzeugt, dass die Etikettengestaltung den gesetzlichen Vorgaben entspricht und dabei transparent beziehungsweise verständlich ist, doch ab Ende des Jahres werde auf den Nutella-Etiketten die Nährwertangabe generell pro Portion dargestellt, teilte Ferrero mit. So wird sich vermutlich der ein oder andere Verbraucher ab kommendem Jahr wundern, welche Mengen Fett und Kohlenhydrate Nutella tatsächlich enthält und wie verschwindend gering der Anteil an Mineralstoffen und Vitaminen ist.
Relevante Irreführung durch Nutella-Etiketten
Dass die Richter des Oberlandesgerichts dem Vorwurf der Verbraucherschützer folgten, ist auch darauf zurückzuführen, dass in der typischen Kaufsituation zum Beispiel vorm Verkaufsregal im Supermarkt den Kunden die Zeit fehlt, die unterschiedlichen Angaben bei den zu Grunde gelegten Verzehrmengen zu erfassen, so die Urteilsbegründung des Gerichts. Die Richter folgten der Einschätzung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, dass hier eine relevante Irreführung der Verbraucher vorliegt. Dies Rechtslage im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist an dieser Stelle eindeutig. Lebensmittel dürfen nicht „unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr“ gebracht werden. Dies sei bei den Nutella-Etiketten jedoch der Fall, da die Verbraucher zu dem Schluss kommen könnten, Nutella enthalte wenig Zucker und Fett, aber sehr viele Vitamine und Mineralstoffe. Allerdings ist Nutella bei weitem kein Einzelfall. So versuchen Lebensmittelhersteller laut Aussage der Verbraucherschützer mit unterschiedlichsten fragwürdigen Methoden und Tricks die Kunden von den Vorteilen ihrer Produkte zu überzeugen. Missverständliche Zahlen auf Etiketten, Bilder, die anderes versprechen, als drin ist, Formulierungen, die den Rückschluss auf besonders gesunde Produkte nahe legen oder klein gedruckte unleserliche Inhaltsangaben bei unvorteilhaften Inhaltsstoffen, sind nur einige Beispiele, die der Bundesverband der Verbraucherzentralen nennt.
Große Lebensmittelhersteller arbeiten häufig mit irreführenden Tricks
Den Verbraucherschützern zufolge stehen die großen Lebensmittelhersteller wie Nestlé, Unilever, Dr. Oetker, Danone und Ferrero immer wieder wegen ihrer fragwürdigen Produktgestaltung und Werbeaussagen in der Kritik. Auch die Stiftung Warentest und die Verbraucherorganisation Foodwatch warnen vor den unzähligen irreführenden Werbeversprechen der Hersteller. Als Beispiele nennt Foodwatch auf seiner Internetseite den mittlerweile vom Markt genommenen „Biene Maja“ Kinderjoghurt der Firma Bauer, welcher als ausgewogenes Milchgetränk für Kinder beworben wurde, tatsächlich jedoch „44 Würfelzucker auf einen Liter“ enthielt, wobei „Cola im Vergleich dazu nur 28“ enthält. Auch Ferrero stand bei Foodwatch schon häufiger in der Kritik. So verspreche der Kinder-Riegel „Naschen ohne schlechtes Gewissen, dank der Extra-Portion-Milch mit viel gutem Kalzium“, doch in Wahrheit müssten 13 Riegel gegessen werden um den Tagesbedarf eines Kindes an Kalzium decken, wobei die Kleinen jedoch gleichzeitig „48 Würfelzucker, ein halbes Paket Butter plus Aromen und Zusatzstoffe“ aufnehmen würden. Die Milch-Schnitte von Ferrero ist laut Foodwatch eine ähnliche Mogelpackung. Lockt Milch-Schnitte mit dem in der Werbung meist von Spitzensportlern präsentierten Versprechen: „Schmeckt leicht. Belastet nicht. Ideal für zwischendurch“, so sieht die Realität deutlich anders aus. Tatsächlich enthält Milch-Schnitte rund 60 Prozent Fett und Zucker und haut damit „mehr rein als Schoko-Sahnetorte“, so Foodwatch.
Lebensmittelklarheit deckt Fehlverhalten der Lebensmittelproduzenten auf
Ein erschreckendes Beispiel für irreführende Produktaufmachungen war zudem die Puten Cervelatwurst von Gutfried, denn diese bestand fast zur Hälfte aus Schweinefleisch, was für Moslems aufgrund der Verpflichtung zum Verzicht auf Schweinefleisch eine besonders folgenreiche Täuschung war. Lediglich im Kleingedruckten auf der Rückseite war zu erkennen, dass die vermeintliche „Puten Cervelatwurst“ auch Schweinefleisch enthielt. Fast 10.000 Verbraucher hatten sich laut Foodwatch über die Putenwurst beschwert, bevor Gutfried reagierte. Das auch vom Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstützte neue Internetportal www.lebensmittelklarheit.de soll daher in Zukunft dazu beitragen, Fehlverhalten der Hersteller möglichst schnell aufzudecken und öffentlich anzuprangern. Hier sind die Konsumenten ausdrücklich zur Mitarbeit aufgerufen. Die enorme Resonanz auf das neue Portal verdeutlicht, wie häufig sich Verbraucher von den Lebensmittelherstellern getäuscht fühlen. Nach den ersten 100 Tagen waren bereits über 3.800 Produkte auf Lebensmittelklarheit.de registriert und in einigen Fällen hatten die Hersteller auf die öffentlichen Beschwerden umgehend reagiert und ihre Produkte entsprechend angepasst. Allerdings zeigen sich längst nicht alle Lebensmittelproduzenten derart einsichtig, so dass im Zweifelsfall der Gang vor Gericht – wie im aktuellen Fall bei Nutella – die letzte Option zum Schutz der Verbraucher bleibt. (fp)
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Bild: Helene Souza / pixelio.de
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