OECD-Studie: Deutschland mit großem Lohngefälle zwischen Mann und Frau
17.12.2012
Frauen haben in Deutschland beruflich einen schweren Stand. In Führungspositionen ist ihr Anteil immer noch viel zu gering, ihr Gehalt liegt im Durchschnitt deutlich unter dem der Männer und im Alter droht ihnen vermehrt die Altersarmut, so die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Die OECD hat die berufliche Gleichstellung der Geschlechter in ihren Mitgliedstaaten untersucht und dabei deutliche nationale Unterschiede festgestellt. Deutschland steht hier im internationalen Vergleich erschreckend schlecht da. Kaum ein anderes Land hat derart große Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verzeichnen. Von 34 untersuchten OECD-Ländern lag Deutschland auf dem dritt-schlechtesten Platz in Bezug auf das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Für Tätigkeiten in mittleren Einkommensschichten erhalten die Frauen rund 22 Prozent weniger Lohn als Männer. Auch arbeiten die Frauen deutlich häufiger in Teilzeit, was sich „oft auch negativ auf das berufliche Weiterkommen auswirkt“, berichtet die OECD. Daher steige die geschlechtsspezifische Lohnlücke mit zunehmendem Alter an und liege bei den über 40-Jährigen drei Mal so hoch wie bei jüngeren Erwerbstätigen. Insgesamt sind in Deutschland lediglich 28 Prozent der Führungskräfte Frauen. Bei den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Unternehmen erreichen Frauen sogar nur einen Anteil von sechs Prozent, berichtet die OECD.
Viele Frauen in Deutschland arbeiten in Teilzeit
Offenbar haben die zurückliegenden Bemühungen zur Gleichstellung der Frauen im beruflichen Sektor hierzulande nur wenig Früchte getragen. Während in der Politik immer noch heftig darüber diskutiert wird, ob eine Frauenquote zum Beispiel auch für Führungskräfte sinnvoll ist, hat die OECD Deutschland in puncto beruflicher Gleichstellung nun ein ernüchterndes Zeugnis ausgestellt. Wer dachte Gleichstellung, werde in Deutschland längst gelebt, muss sich eines besseren belehren lassen. Die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede sind hierzulande so ausgeprägt, wie in kaum einem anderen Land. Dies betrifft sowohl die Berufstätigkeit in Angestelltenverhältnissen als auch den Verdienst als Freiberufler, wo Frauen im Schnitt 63 Prozent weniger verdienen als Männer (OECD-Durchschnitt 34 Prozent). Mehr als die Hälfte der allgemeinen geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede in Deutschland ist laut Angaben der OECD auf den hohen Anteil der Teilzeitarbeit bei den Frauen zurückzuführen. In Deutschland arbeiten 62 Prozent der Frauen im Alter zwischen 25 und 54 Jahren als Teilzeitkraft, berichtet die Leiterin der OECD-Abteilung für Sozialpolitik, Monika Queisser.
Extremes Rentengefälle zwischen Mann und Frau – Frauen droht Altersarmut
Zwar liegt der Anteil der erwerbstätigen Frauen in Deutschland mit 68 Prozent über dem OECD-Durchschnitt von 60 Prozent, doch viele arbeiten lediglich in Teilzeit, weil sie parallel die Kinderbetreuung und die Hausarbeit übernehmen. So ist der Anteil der Kinder im Alter bis zu drei Jahren, die tagsüber betreut werden, hierzulande mit 18 Prozent auffallend niedrig, berichtet die OECD. Eine Verbesserung ließe sich hier nach Ansicht von Monika Queisser durch den Ausbau „guter und bezahlbarer Kinderbetreuung“ erreichen. Dies könnte auch dazu beitragen, das enorme Rentengefälle zwischen Männern und Frauen zu verringern. Denn aufgrund der kürzeren Beitragskarrieren, weniger Arbeitsstunden und niedrigerem Einkommen haben die Frauen in Deutschland durchschnittliche eine rund 50 Prozent geringere Rente als Männer. Mit diesem geschlechtsbedingten Rentengefälle ist Deutschland trauriger Spitzenreiter in der OECD. In Folge der geringen Rente leben hierzulande zehn Prozent der Rentnerinnen in Altersarmut, so das Ergebnis der aktuellen Studie. Zwei Drittel der Deutschen im Ruhestand sind Frauen.
Frauen besser qualifiziert als Männer, aber beruflich weniger präsent
Das niedrigere Einkommen der Frauen steht zunehmend im Widerspruch zu den eigentlichen Qualifikationen. Denn insbesondere junge Frauen sind laut Angaben der OECD hierzulande oft besser ausgebildet, als Männer. So haben heute 27 Prozent der Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahre einen Abschluss von einer Universität, einer Fachschule oder einen Meisterbrief (Tertiärbildung), während dies für lediglich 25 Prozent der Männer gilt. Dennoch seien die Frauen beruflich weniger präsent. Neben den Schwachstellen beim Betreuungsangebot spiele hier auch die Studienfachwahl eine wesentliche Rolle. Beispielsweise entfielen laut Angaben der OECD im Jahr 2009 in Deutschland nur 16 Prozent der tertiären Informatikabschlüsse auf Frauen, während ihr Anteil bei den tertiären Abschlüsse im Gesundheits- und Sozialwesen bei 70 Prozent lag. „Diese Studienentscheidungen sind eher mit Einstellungen zu erklären als mit geschlechtsspezifischen Begabungen“, erläutert die OECD und forderte daher, die „typische Geschlechterrollen schon von klein auf in Frage“ zu stellen.
Entscheidungen der Politik drohen Unterschiede zu verfestigen
Das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der aktuellen Studie ist nach Ansicht der OECD auch auf einige gesetzliche Besonderheiten zurückzuführen. So habe Deutschland in „Folge des Ehegattensplittings OECD-weit das einzige Steuer- und Sozialsystem, in dem es sich für Eltern schulpflichtiger Kinder nicht lohnt, dass beide Teile arbeiten.“ Der jüngste Beschluss der Bundesregierung zur Einführung des äußerst umstrittenen Betreuungsgelds für Kinder im Alter zwischen 13 und 36 Monaten könne Mütter mit Kleinkindern zudem verstärkt dazu motivieren, ihren Beruf ruhen zu lassen und sich zu Hause der Kinderbetreuung zu widmen. Auf diese Weise würden sich „die ohnehin schon erheblichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt verfestigen“, so die Einschätzung der OECD. Allerdings haben einige Entscheidungen der Politik durchaus auch eine positive Entwicklung eingeleitet. So nehmen beispielsweise seit der Reform der Elternzeit deutlich mehr Väter eine Auszeit für ihre Kinder. Waren es im Jahr 2007 nur neun Prozent der Väter, lag der Anteil im zweiten Halbjahr 2012 bereits bei 25 Prozent. Hier sei „Deutschland auf dem richtigen Weg“, betonte die Leiterin der OECD-Abteilung für Sozialpolitik, Monika Queisser. (fp)
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