Operationen bei Fettleibigkeit sind häufig der letzte Ausweg für Betroffene
04.12.2013
Eingriffe wie Magenband-, Schlauchmagen- oder Magen-Bypass-Operationen bei starkem Übergewicht gelten als umstritten. Dennoch steigt die Zahl der Eingriffe gegen Fettleibigkeit und damit auch die Kosten für die Krankenkassen. Angaben der DAK-Gesundheit zufolge haben sich die Ausgaben für Magenoperationen seit 2008 mehr als verdoppelt. Viele Ärzte befürworten die Therapie als wirksame Maßnahme gegen Fettleibigkeit und ihre gefährlichen Begleit- und Folgeerkrankungen.
Kosten für OP wegen Fettleibigkeit tragen Krankenkassen ab einem BMI von 40
Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge sind zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und mehr als die Hälfte der Frauen (53 Prozent) in Deutschland übergewichtig. Rund ein Viertel leidet an starkem Übergewicht (Adipositas). Vor allem Frauen aus bildungsfernen Schichten sind der Auswertung des Gesundheitsmonitorings zufolge von Adipositas betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert drei Schweregrade für Fettleibigkeit: Grad eins liegt bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30,0 bis 34,9, Grad zwei bei einem BMI von 35,0 bis 39,9 und Grad drei bei einem BMI von 40,0 oder höher vor. Der BMI für Normalgewicht liegt bei 18,5 und 24,9.
Magenband-, Schlauchmagen- oder Magen-Bypass-Operationen werden nur bei starker Fettleibigkeit durchgeführt und sind keineswegs eine Alternative zu einer Diät. Vielmehr haben Betroffene meist schon zahlreiche Diäten hinter sich, bevor sie sich zu einem solchen Eingriff entscheiden. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten ab einem BMI von 40. Leidet der Patient neben dem starken Übergewicht auch an Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck, kann die OP auch ab einem BMI von 35 übernommen werden. Grundsätzlich zahlen die Krankenkassen aber nur, wenn ein Abnehmversuch unter ärztlicher Aufsicht gescheitert ist, der eine Diät, Verhaltenstraining und ein Bewegungsprogramm beinhalten muss.
Stephan Herpertz von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum rät Patienten von einer privaten Finanzierung der Operation dringend ab. So könnten neben den Kosten des Eingriffs teure Folgebehandlungen notwendig sein, erläutert er gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. „Eine Notfallbehandlung bei Komplikationen kann dann schnell finanziell ruinieren."
Adipositas birgt das Risiko für gefährliche Begleiterkrankungen
„Die Adipositas ist eine tödliche Erkrankung, die im Schlepptau schwerwiegende Begleiterkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt mit sich führt", berichtet Jürgen Ordemann, Leiter des Zentrums für Adipositas und Metabolische Chirurgie an der Charité in Berlin, gegenüber der Nachrichtenagentur. „Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich mit herkömmlichen Therapien von dieser Erkrankung zu befreien.“ Während Kritiker von einer Kostenexplosion und vorschnellen Entscheidungen für die lebensverändernden Operationen sprechen, weist Ordemann daraufhin, dass die steigende Zahl der Eingriffe darauf zurückzuführen sei, dass diese Operationen zum Erfolg führten und die meisten anderen Therapien bei sehr stark Fettleibigen versagten.
Drei verschiedene Verfahren bei Operationen wegen Fettleibigkeit
Wer sich für eine Operation zur Gewichtsreduktion entscheidet, hat in Deutschland die Wahl zwischen der Magenband-, Schlauchmagen- und Magen-Bypass-Operation. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt wird das passende Operationsverfahren ausgesucht, das von verschiedenen Faktoren abhängt. „Es gibt keine pauschale Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren", erläutert der Ordemann. So seien der Lebensstil, das Ausmaß des Übergewichts, Begleiterkrankungen sowie der Wunsch des Patienten ausschlaggebend.
Das Magenband ist weniger effektiv als die beiden anderen Verfahren und wird immer seltener eingesetzt. Von Vorteil kann aber die Möglichkeit sein, das Magenband nachträglich wieder zu entfernen. Bei den beiden anderen Verfahren wird der Magen operativ verkleinert. Im Fall der Magen-Bypass-Operation wird zudem ein Teil des Darms umgangen, so dass weniger Nahrung aufgenommen werden kann. „Bestimmte Hormone, die Hunger und Sättigung steuern, werden im Magen selbst gebildet und verringern sich durch die teilweise Entfernung", erklärt Ordemann. „Somit verändern sich Hunger- und Sättigungsmechanismen, was dazu führt, dass adipöse Menschen weniger essen."
Patienten mit Schlauchmagen- und vor allem Magen-Bypass-Operation verzeichnen in der Regel die stärkste Gewichtsreduktion nach dem Eingriff. Beide Eingriffe haben aber auch lebenslange Kontrolluntersuchungen und Nachsorge sowie Nahrungsergänzungen mit Mineralstoffen und Vitaminen zur Folge.
Patienten haben meist zahlreiche Diäten vor einer Operation wegen Fettleibigkeit hinter sich
Bevor eine Adipositas-Operation von der Krankenkasse genehmigt wird, müssen verschiedene Ärzte Stellungnahmen abgegeben. Hausarzt, Chirurg, Psychotherapeut und gegebenenfalls weitere Fachärzte müssen prüfen, ob der Eingriff erfolgversprechend ist. Herpertz rät Betroffenen, sich an ein Adipositaszentrum zu wenden. „Hier wird am besten sichergestellt, dass Patienten die umfassende Vor- und Nachbehandlung erhalten, die im Rahmen einer solchen Operation erforderlich ist.“
Viele dieser Zentren wünschen sich für die Patienten weniger Hürden für Adipositas-Operationen. „Die meisten Patienten, die kommen, haben schon unzählige Diäten hinter sich", erläutert Christine Stier vom Exzellenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main gegenüber der Nachrichtenagentur. „Adipositas-Operationen sind keine Lifestyle-Operationen, sondern eine glasklare Therapie, deren Wirksamkeit durch Studien gut belegt ist", betont Stier. Durch die operative Gewichtsreduktion ließe sich das Risiko für schwere Folgeerkrankungen wie Diabetes, Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich reduzieren. „Mit Sicherheit ist das keine hundertprozentige Lösung, und es ist auch kein Knopfdruck, mit dem man die Patienten schlank macht", erläutert die Expertin. „Es ist ein lebensverändernder Eingriff, der viel Disziplin erfordert von den Patienten." (ag)
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