Diagnose 2.0: Telemedizin kann Leben retten
Telemedizin wird in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung sein. Online-Sprechstunden beim Arzt können unter anderem dazu beitragen, schnellere Diagnosen zu stellen und im Ernstfall sogar Leben retten. Auch wenn die Angebote derzeit noch überschaubar sind, werden immer wieder neue Projekte vorgestellt. Aktuell auch eines, das die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen verbessern soll.
Wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland
Zwar steckt der Bereich Telemedizin in Deutschland noch in den Kinderschuhen, in Zukunft wird er Experten zufolge aber ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung sein. Vor allem in ländlichen Regionen wird Telemedizin als Maßnahme gegen Ärztemangel immer wichtiger. Außerdem können die medizinischen Herausforderungen der alternden Gesellschaft durch digitale Technologien deutlich besser gemeistert werden. Im Ernstfall können von einer rechtzeitigen und zutreffenden Diagnose Leben abhängen. Fachleute kritisieren jedoch, Telemedizin bleibe in Deutschland noch immer weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Ein beredtes Beispiel dafür sei das endlose Gezerre um die elektronische Gesundheitskarte. In einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa wird über einen Fall aus der Kinder- und Jugendmedizin berichtet, der deutlich macht, dass mehr drin wäre, ohne den sensiblen Datenschutz vernachlässigen zu müssen.
Online Hilfe gesucht
In Bayern war Anfang 2015 ein Junge mit einer dicken rötlichen Wucherung auf der Nasenwurzel zur Welt gekommen. Wie Dr. Mani Rafii, Vorstandsmitglied der Ersatzkasse Barmer GEK, erläuterte, gingen die Ärzte in der Geburtsklinik zunächst von einer harmlosen Hautgeschwulst aus. Der später behandelnde Kinderarzt wollte jedoch auf Nummer sicher gehen. Daher holte er sich online eine Einschätzung von einem Experten. Dadurch wurde festgestellt, dass der Säugling an einem seltenen Tumor leidet. „Am Ende konnte er erfolgreich operiert werden“, sagte Rafii.
Verbesserte medizinische Versorgung auf dem Land
Die Barmer GEK und der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte (BVKJ) haben kürzlich in einer Pressemitteilung über ein speziell entwickeltes Telemedizin-System, „PädExpert“ genannt, berichtet, das die Behandlung von Heranwachsenden mit chronischen und seltenen Erkrankungen verbessern soll. Kinder- und Jugendärzte können damit einen pädiatrischen Facharzt online zu Rate ziehen, um unklare Diagnosen abzusichern und die Behandlung abzustimmen. „Mit PädExpert optimieren wir die medizinische Versorgung, allem voran auf dem Lande. Dank PädExpert ersparen sich unsere jüngsten Versicherten lange Anfahrtswege und Wartezeiten beim Spezialisten“, so Dr. Rafii.
Seltene Erkrankungen rechtzeitig erkennen
Vorteile ergeben sich aber nicht nur für Patienten in ländlichen Regionen. Auch in Großstädten kann es mehrere Wochen dauern, bis man einen Termin bei einem Facharzt bekommt. Mit PädExpert soll innerhalb von 24 Stunden eine Ersteinschätzung vorliegen. Im Ernstfall kommt das dem Kind insofern entgegen, als es gerade in einer starken Wachstums- und Entwicklungsphase nicht unnötig lange durch die seltene oder chronische Krankheit behindert wird. Die Chance, seltene Erkrankungen oder Tumore rechtzeitig zu erkennen, soll also in Zukunft wesentlich höher sein. Wie es in der Agenturmeldung heißt, könnte als Nebenwirkung auch das Reizthema Terminservicestellen für niedergelassene Fachärzte etwas entzerrt werden. Diese sollen die Vergabe von Facharztterminen für Kassenpatienten beschleunigen und bei der Suche nach einem Facharzt helfen.
Weniger Facharzttermine dank Telemedizin
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, hob laut dpa hervor, dass die Telemedizin den Facharzt nicht ersetzen solle. Doch Facharztbesuche könnten künftig in zwei von drei Fällen nicht mehr erforderlich sein. Der Datenschutz müsse natürlich gewährleistet sein, erklärte der bayerische BVKJ-Vorsitzende Martin Lang, der das Programm mit entwickelte. Wie es heißt, sei eine Onlinekonsultation mit einem Fachkollegen nur mit Einwilligung der Eltern möglich. Den Angaben zufolge stünden 80 Prozent einer solchen Möglichkeit sehr offen gegenüber.
Rafii unterstrich bei der Vorstellung des Projektes, dass die Krankenkasse keinen Zugriff auf die Daten habe. In der Presserklärung sprach er sich insgesamt für einen stärkeren Einsatz von telemedizinischen Anwendungen aus und knüpfte dies an Bedingungen. „Telemedizin muss einen konkreten Mehrwert für den Patienten haben, diesen in einer grundlegenden Evaluation nachweisen und höchsten Datenschutzanforderungen genügen“, so Rafii. Das von der Barmer mit den Kinderärzten verhandelte Telemedizinsystem wird vom bayerischen Gesundheitsministerium gefördert. Es soll jetzt zuerst in Bayern erprobt und dann Mitte des Jahres in ganz Deutschland eingeführt werden. (ad)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.