Neuer Risikorechner zeigt die individuelle Lebenserwartung
Ein neuer Risikorechner im Internet sorgt derzeit für viel Diskussionsstoff. Mittels eines Test auf der Website ubble.co.uk, der für Frauen elf und für Männer dreizehn Fragen beinhaltet, wird die individuelle statistische Lebenserwartung für Menschen zwischen 40 und 70 Jahren ermittelt. Über den Nutzen des Risikorechners streiten sich die Experten.
Lebenserwartung ist auch von sozialen Faktoren abhängig
Für viele Menschen ist es eine verlockende Vorstellung, die eigene Lebenserwartung zu kennen, für andere ist es geradezu eine Horrorvorstellung. Mit dem Risikorechner, den Forscher des Karolinska Institute in Stockholm auf der Grundlage der Daten der UK Biobank entwickelt haben, soll aber genau das möglich sein. Anhand von unterschiedlichen Fragen zum Gesundheitszustand, dem Lebensstil und den familiäre Strukturen, wie beispielsweise „Wie viele Autos besitzt du?“, „Wie viele Kinder hast du geboren?“ und „Hast du jemals eine Krebsdiagnose von einem Arzt erhalten?“, soll das individuelle Gesundheitsrisiko ermittelt werden und Aussagen dazu möglich sein, ob jemand innerhalb des genannten Zeitraums aus dem Leben scheiden wird.
In der zugrunde gelegten Datenbank sind die Gesundheitsdaten von mehr als 500.000 Freiwilligen erfasst. Erik Ingelsson, der die Untersuchung leitete, und sein Team haben diese Daten in den Jahren 2007 bis 2010 umfassend ausgewertet. In dieser Zeit starben 8.500 Menschen. Die Forscher ermittelten im nächsten Schritt 655 unterschiedliche Faktoren und untersuchten sie darauf, ob sie sich für eine Vorhersage des Sterberisikos eignen. Je nach Land können diese von einander abweichen. Ihre Ergebnisse stellen die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Lancet” vor.
Test zur Lebenserwartung dauert lediglich fünf Minuten
Der aus den Ergebnissen der Forscher entwickelte Online-Test dauert lediglich fünf Minuten. „Die Tatsache, dass die Punktzahl online in einem kurzen Fragebogens gemessen werden kann, ohne dafür für Labortests oder körperliche Untersuchung zu benötigen, ist eine aufregende Entwicklung“, betont die Co-Autorin der Studie, Anna Ganna, gegenüber „Daily Mail“.
“Dies ist die erste Studie ihrer Art, die auf einer sehr großen Stichprobenauswertung basiert und nicht auf bestimmte Bevölkerungsgruppen oder einzelne Risikoarten beschränkt ist oder gar Labortests erfordert”, erläutert Ingelsson im Gespräch mit der Zeitung.
Dass die Fragen Laien zum Teil überraschen, ist den Forschern bewusst. Wie sie berichten, seien diese jedoch viel aussagekräftiger als Labortests. Ingelsson weist in diesem Zusammenhang auf die Frage, nach der Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands hin. „Sie kennen sich selbst doch am besten. Zu beantworten wie Sie sich gerade fühlen, vereint viele verschiedene Aspekte – ob Sie krank gewesen sind, vielleicht wie fit Sie sind, wie gesund Sie essen“, erläutert Ingelsson. „Deshalb sind damit Voraussagen möglich.“
Alter und Geschlecht dienen bei der Ermittlung des Sterberisikos lediglich als Ausgangspunkt. Wie die Forscher weiter berichten stellte sich bei Menschen ohne schwere Vorerkrankungen das Rauchen als der Indikator mit der größten Vorhersagekraft heraus. Auch machen die Lebensumstände, Unfälle oder Erkrankungen der letzten zwei Jahre sowie die Selbsteinschätzung der eigenen Gesundheit das Ergebnis verlässlicher. Die möglicherweise überraschendste Frage im Test „Wie würden Sie ihre durchschnittliche Schrittgeschwindigkeit einschätzen“ habe sich ebenfalls als belastbarer Faktor zur Vorhersage des Sterberisikos entpuppt, berichten Ingelsson und sein Team. So zeige ein langsamer Wanderer ein höheres Sterberisiko als eine Person, die zügig geht.
Welchen Wert hat das Wissen über das eigene Sterberisiko?
„Doch was hat es für jeden Einzelnen für einen Wert, den Ubble-Test zu machen?”, stellt Ferdinand Gerlach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, im Gespräch mit „Spiegel Online“ in den Raum. Für den Mediziner ist es wichtig, dass diejenigen, die den Test durchführen, stets bedenken, dass der berechnete Risikowert nur auf Statistik beruhe. Bei dem Ergebnis handele es sich um einen Wahrscheinlichkeitswert. Menschen, für die der Test ein hohes Sterberisiko ermittelt, könnten trotzdem noch Jahrzehnte leben. „Man denke nur an Helmut Schmidt”, führt Gerlach beispielhaft an. Trotz des starken Rauchens sei er weit über 90 Jahre alt.
Auch die Forscher weisen daraufhin, dass der Test nicht als mit Sicherheit eintreffende Vorhersage bewertet werden kann. „Wir hoffen aber, dass die von uns ermittelte Punktzahl Ärzte in die Lage versetzt, ihre Risikopatienten schneller und einfach zu identifizieren“, betont Ganna. Der Test könne aber auch dazu dienen, den Einzelnen an eine gesündere Lebensweise zu erinnern. Der Risikorechner sei nicht dafür gedacht, um zu ermitteln, warum jemand stirbt. Er stelle lediglich einen statistischen Zusammenhang zwischen den eigenen Lebensumständen und dem Sterberisiko her. (ag)
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