Aus Schlafmohn werden nicht nur illegale Drogen wie Opium oder Heroin, sondern auch Opiate für den medizinischen Einsatz gewonnen. Forscher haben nun einen Weg gefunden, wie sich Morphin, Codein und andere Schlafmohn-Substanzen aus Mikroorganismen gewinnen lassen. Die neuen Erkenntnisse könnten für die Pharma-Industrie interessant sein – aber auch für Drogenproduzenten.
Forscher stellten mit Hefe Grundsubstanz für Opiate her
Morphin, Codein und andere Schlafmohn-Substanzen lassen sich laut Wissenschaftlern aus Mikroorganismen gewinnen. Erstmals haben Forscher nun mit Hefe die Grundsubstanz für Opiate hergestellt. Sie haben einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa zufolge Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) mit eingeschleusten Enzymen dazu gebracht, aus Glukose die Schlafmohn-Substanz Reticulin zu produzieren, die der Vorläufer vieler Opiate und anderer Arzneien ist. Wie das Team um John Dueber von der Universität von Kalifornien in Berkeley im Fachblatt „Nature Chemical Biology“ schreibt, sei die biotechnologische Herstellung solcher Stoffe nur noch eine Frage der Zeit. In einem Kommentar mahnten Experten, dass dies auch die illegale Produktion vieler Drogen erleichtere und forderten daher eine staatliche Kontrolle solcher Hefestämme.
Weitere Schritte zu Morphin nur noch eine Formsache
Es wird berichtet, dass die Wissenschaftler einen Weg suchten, sogenannte Benzylisochinoline (BIAs) von Mikroorganismen herstellen zu lassen. Neben Opiaten wie Morphin oder Codein zählen zu diesen Stoffen im Schlafmohn (Papaver somniferum) auch Antibiotika, der krampflösende Wirkstoff Papaverin oder Krebsmittel. Die Wissenschaftler erzeugten aus einem Glukose-Abkömmling den Schlafmohn-Bestandteil Reticulin, indem sie die Hefe mit Enzymen etwa der Zuckerrübe (Beta vulgaris) ausstatteten. Nach ihren Angaben sind die weiteren Schritte zu Morphin oder anderen Substanzen eher Formsache.
„Hefe mit einer billigen Zuckerquelle füttern“
In einer Mitteilung seiner Universität wird der Biotechnologe Dueber folgendermaßen zitiert: „Eigentlich will man bei der Fermentation die Hefe mit einer billigen Zuckerquelle füttern und sie alle weiteren chemischen Schritte machen lassen, um die Zielsubstanz zu gewinnen.“ Er erläuterte weiter: „Mit unserer Studie sind nun alle Schritte beschrieben, und es geht nur noch darum, sie zusammenzubringen und die Produktion aufzustocken.“ Der Mikrobiologe Vincent Martin von der Concordia Universität in Montreal (Kanada) erklärte: „Reticulin ist entscheidend, denn von da an sind die molekularen Schritte zur Herstellung von Codein und Morphin durch Hefe schon beschrieben.“
Studie wird als bahnbrechend gewertet
In einem „Nature“-Kommentar wertete Pamela Peralta-Yahya vom Georgia Institute of Technology in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) die Studie als bahnbrechend: „Diese Arbeit öffnet die Tür dazu, komplexe BIAs direkt aus Glukose herzustellen.“ Hefe sei den Angaben zufolge der bevorzugte Wirtsorganismus für die Erzeugung pflanzlicher Wirkstoffe und eigne sich gut für die industrielle Produktion. Die Forscher betonten jedoch, dass das Produktionsverfahren Regulierungsbehörden vor neue Herausforderungen stellen dürfte, weil man damit schon in wenigen Jahren Opiate oder andere rechtlich regulierte Stoffe selbst erzeugen könne.
Morphin aus illegalem Anbau
Eine staatliche Regulierung wird von drei Wissenschaftlern in einem weiteren „Nature“-Kommentar gefordert. Wie die Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT/USA) und der kanadischen Universität von Alberta in Edmonton schreiben, werde derzeit etwa Morphin noch aus Schlafmohn produziert, der illegal vor allem in Afghanistan, Mexiko, Laos und Myanmar angebaut werde. Morphin wird unter anderem zur Schmerzbekämpfung bei starken Schmerzen, wie bei Tumoren, sowie bei chronischen Schmerzen verschiedenen Ursprungs eingesetzt, jedoch auch als Droge missbraucht. Mit der neuen Technologie lasse sich der Markt künftig zentralisieren. „Prinzipiell könnte jeder mit Zugang zu dem Hefe-Stamm und Grundkenntnissen in Fermentierung mit einem Heimset zum Bierbrauen Morphin-produzierende Hefe kultivieren“, warnen die Forscher.
Zahl der Drogenkonsumenten könnte steigen
Weltweit sollen laut dem Bericht etwa 16 Millionen Menschen illegal Opiate konsumieren. Die Zahl könne demnach mit leichterem Zugang und sinkenden Preisen steigen. Opiatabhängigkeit ist auch hierzulande ein Problem. Bei dieser Drogensucht ist nun eine Verbesserung der Substitutionstherapie geplant, wie erst kürzlich berichtet wurde. Wegen der drohenden Gefahren forderten die Kommentatoren, die neuen Hefestämme zu überwachen und lediglich lizenzierten Forschern zur Verfügung zu stellen. Das hält Duebner allerdings für schwierig: „Wenn das Wissen darum, wie man einen Opiat-produzierenden Stamm erzeugt, erst einmal da draußen ist, kann das theoretisch jeder mit Grundkenntnissen in Molekularbiologie machen.“ (ad)
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