Bakterienstamm produziert SARS-CoV-2-Antigene
Ein Impfstoff muss nicht zwangsweise über eine Spritze verabreicht werden. Einige Wirkstoffe können auch oral aufgenommen werden, wie beispielsweise bei der Thypus-Impfung. Nach diesem Vorbild entwickelt ein deutsches Forschungsteam derzeit einen Corona-Impfstoff, der über eine Pille oral verabreicht werden soll.
Forschende der Universität Würzburg arbeiten mit einem Pharmaunternehmen an einem neuartigen Ansatz zur oralen Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Der Ansatz basiert auf dem Prinzip der Typhus-Impfung, bei dem ein spezieller Salmonella-Bakterienstamm, der über eine Kapsel aufgenommen werden kann, so umprogrammiert wird, dass er Antikörper bildet. Das neue Konzept wurde kürzlich auf der Homepage der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vorgestellt.
Entwicklung eines oralen COVID-19-Impfstoffs hat begonnen
Nach Angaben des Forschungsleiters Professor Thomas Rudel könnte in Zukunft möglicherweise ein oraler COVID-19-Impfstoff eine signifikante Veränderung beim Kampf gegen die weltweite Corona-Pandemie bewirken. Dabei ist keine Spritze notwendig, sondern lediglich das Schlucken einer Kapsel. Die erste präklinische Entwicklungsphase des neuen Impfstoffs hat bereits begonnen.
Thypus-Impfung als Vorbild
Thomas Rudel, der auch Inhaber des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist, hatte die Idee für die orale Schutzimpfung bereits vor einem Jahr. „Wir verwenden einen Ansatz, der schon seit vielen Jahren, millionenfach als Schutz vor einer Typhus-Infektion im Einsatz ist“, betont der Professor. Der orale Typhus-Impfstoff basiere auf einem speziellen Bakterienstamm namens Salmonella Typhi Ty21a.
Samonella-Bakterien setzen im Darm SARS-CoV-2-Antigene frei
Die Forschenden nutzten den gleichen Salmonella-Stamm wie bei der Thyphus-Impfung und modifizierten diesen. „Wir haben die Bakterien so programmiert, dass sie SARS-CoV-2-Antigene produzieren“, erklärt Mikrobiologe Rudel. Die Bakterien sollen durch eine Kapsel vor der Magensäure geschützt werden. Erst im Darm sollen die umprogrammierten Samonella-Bakterien freigesetzt werden, wo sie die SARS-CoV-2-Antigene dem Immunsystem präsentieren.
Wie die Immunantwort entsteht
„Spezielle Zellen in der Darmwand sollen dafür sorgen, dass Bakterien und die Antigene von Immunzellen aufgenommen und in lymphoides Gewebe weitertransportiert werden“, beschreibt Rudel. Dort können sie wiederum andere Zellen des Immunsystems aktivieren, die sogenanntenen B- und T-Zellen, die dann eine Immunantwort in Gang setzen. Die Forschenden hoffen, dass diese Immunantwort stark genug ist, dass Coronaviren direkt am Eindringen in den Körper gehindert werden.
Zwei Antigene als Sicherheitsanker
Für eine stärkere Immunantwort setzt das Team nicht auf ein sondern auf zwei unterschiedliche Antigene bei der Impfung. „Wie sich in den vergangenen Monaten gezeigt hat, mutiert SARS-CoV-2 häufig“, schreiben die Forschenden. Das birgt die Gefahr, dass die Wirksamkeit eines Antigens durch eine Variante abnehmen könnte. Das zweite Antigen diene deshalb als eine Art „Sicherheitsanker“. Es basiere auf einem Gen, welches nur sehr selten mutiert.
Vorteile der oralen Impfung
Laut der Arbeitsgruppe hat die orale Impfung gegenüber der Injektion viele Vorteile: Sie ist vergleichsweise günstig in der Produktion, einfach anzuwenden und relativ stabil bei normalen Temperaturen. Besonders in Ländern, in denen eine Kühlkette bei minus 70 Grad Celsius nicht gewährleistet werden kann, könnten diese Aspekte relevant sein, vorausgesetzt der neuartige Impfstoff erreicht die Marktreife.
Stand der Forschung
Derzeit entwickelt das Team um Thomas Rudel mit finanzieller Unterstützung der Aeterna Zentaris GmbH die Bakterienstämme für die Impfung. In Kürze will das Pharmaunternehmen dann mit den klinischen Tests beginnen. Rudel geht davon aus, dass die dafür nötigen Genehmigungen relativ schnell vorliegen dürften. Die Aeterna Zentaris GmbH hat bereits Erfahrungen mit einem ähnlichen Verfahren gegen Prostatakrebs, das behördlich für die klinische Untersuchung abgesegnet worden war.
Rudel betont jedoch, dass es derzeit keine Garantie für eine baldige Verfügbarkeit der oralen Impfung gegen COVID-19 gebe. Viele Wirkstoffe scheitern selbst noch in späten Entwicklungsstadien, weil sie unzureichend wirksam sind oder unerwünschte Nebeneffekte auslösen. Ob sich der orale Ansatz durchsetzt, werden erst die kommenden Monate zeigen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Würzburg: Neuer Ansatz gegen Covid-19 (veröffentlicht: 24.03.2021), uni-wuerzburg.de
Wichtiger Hinweis:
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