Prüfung der Organvergabe könnte zu mehr Organspenden führen
01.10.2014
Nach dem Organspende-Skandal in Göttingen wurden bereits zum zweiten Mal Transplantationen an deutschen Kliniken überprüft. Dabei entdeckten die Prüfer nur eine systematische Manipulation bei der Organvergabe. Am Deutschen Herzzentrum in Berlin sollen in bisher 14 bekannten Fällen Patientendaten gezielt verändert worden sein, um den Betroffenen bessere Chancen auf ein Spenderorgan zu verschaffen. Mit den engmaschigen Überprüfungen der Transplantation erhoffen sich die Experten, mehr Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen, was die Zahl der Organspenden wieder erhöhen könnte. Seit dem Göttinger Transplantationsskandal hat die Zahl der Spender ein Rekordtief erreicht.
Strengere Kontrolle der Organvergabe soll Vertrauen schaffen und die Zahl der Organspenden erhöhen
Die Überprüfung der Transplantationen zeigte aber auch, dass in allen anderen Kliniken lediglich kleinere Fehler, aber keine vorsätzlichen Täuschungen bei der Organvergabe auftraten. Die Prüfkommission hofft, dass dieses Ergebnis für mehr Vertrauen in der Bevölkerung sorgt und dazu führt, dass sich mehr Menschen bereit erklären, ihre Organe im Todesfall zu spenden. Seit Bekanntwerden der Manipulation bei Transplantationen hat die Organspendenbereitschaft ihren Tiefpunkt erreicht. Der Mangels an Organen hat mittlerweile dazu geführt, dass immer mehr Menschen Lebendorganspenden – beispielsweise eine Niere oder ein Teil ihrer Leber – für schwerkranke Angehörige machen.
„Mehr Transparenz ist da“, erläuterte Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Ein Acht- bis Zwölf-Augensystem überwache inzwischen die Aufnahme eines Patienten auf die Organ-Warteliste. Lilie zufolge geben die Prüfungen ein realistischen Bild der Situation ab, da ein nachträgliches „Frisieren“ der Patientenakten nicht möglich sei, um Manipulationen zu vertuschen.
„Ein ganz positives Fazit“, so Anne-Gret Rinder, Vorsitzende der Prüfungskommission der Bundesärztekammer, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur. Die Überprüfung erfolgt jedoch nur stichprobenartig. Zudem müssen sich die Juristen in der Prüfkommission auf den Sachverstand von Medizinern verlassen, die Kontrollen bei Ärzten durchführen.
Gründe für Manipulationen bei Transplantationen noch unklar
Zu den Gründen für die nachgewiesenen Manipulationen am Deutschen Herzzentrum konnten die Prüfer bisher noch keine Angaben machen, erklärte Rinder. Die Klinik hatte sich im August nach internen Kontrollen bereits selbst angezeigt. Die Staatsanwalt ermittelt bereits wegen versuchten Totschlags. Denn wenn ein Patient durch Manipulation auf der Warteliste noch oben rutscht, bedeutet das für einen anderen Schwerstkranken, dass er möglicherweise nicht mehr rechtzeitig ein Spenderorgan erhält und stirbt.
Die Ermittlungen ergaben bislang, dass keine Privatpatienten durch die Manipulationen bevorzugt wurden. In sechs Fällen wurde nachgewiesen, dass den Patienten hochdosierte Medikamente verabreicht wurden, um ihnen bessere Plätze auf der Warteliste für Organe zu verschaffen.
Wenige schwarze Schafe in der Transplantationsmedizin haben den gesamt Bereich in Verruf gebracht
Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan, vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof i. R. und Leiterin der unabhängigen Vertrauensstelle „Transplantationsmedizin“ in der Bundesärztekammer, kritisiert im Interview mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Art der Diskussion, die derzeit in den Medien über die Transplantationsmedizin geführt wird. Sie sei „teilweise höchst unsachlich“. Dadurch würden viele Menschen verunsichert, insbesondere diejenigen, die auf ein Organ warten. „Wenn man sich dessen nicht bewusst ist, und nicht konstruktiv daran mitwirkt, Vertrauen wieder herzustellen, schadet man den Kranken und nicht etwa der Bundesärztekammer. Das macht mich sehr betroffen. Es gibt Probleme, die man vorher nicht so gesehen hatte. Das ist völlig klar und bestreitet auch niemand. Aber diese Dinge muss man mit Vernunft und klarem Verstand versuchen zu lösen, nicht etwa mit Emotionen und Hetze“, konstatiert Rissing-van Saan. „Es waren einige Ärzte, die einen ganzen Berufsstand und einen wichtigen Bereich in der Medizin in Verruf gebracht haben. Ich wünsche mir, Transparenz über alles zu stellen. Und wenn es Probleme gibt, muss man offen darüber sprechen. Dies geschieht mittlerweile auch.“ (ag)
Bild: Martin Jäger / pixelio.de
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