Welche Möglichkeiten hat die Osteopathie und wo liegen ihre Grenzen?
Die Osteopathie ist als alternative Heilmethode heute weitgehend akzeptiert und viele Krankenkassen übernehmen freiwillig Kosten für bestimmte Behandlungen. Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz versucht diese spezielle Form der manuellen Therapie die Ursachen von Beschwerden zu beheben, anstatt vor allem auf eine Linderung der Symptome zu zielen. Funktionelle Störungen sollen erkannt und durch die osteopathische Behandlung beseitigt werden. Osteopathen ertasten mit ihren Händen Blockaden und Verspannungen, die ursächlich für auftretende Beschwerden sein können und versuchen diese anschließend zu lösen. Zwar kann die Osteopathie im Ernstfall eine medikamentöse Behandlung oder gar eine Operation nicht ersetzten, doch ein begleitender Einsatz ist auch in solchen Fällen oftmals hilfreich.
Keinesfalls solle der Eindruck entstehen, dass die Osteopathie ein Allheilmittel ist und selbstverständlich könne eine osteopathische Behandlung nicht als Ersatz einer medikamentösen oder operativen Behandlung gesehen werden, berichtet der Bundesverband Osteopathie (BVO). Diese spezielle Form der manuellen Therapie bietet jedoch bei einer Vielzahl von Beschwerden die Möglichkeit, mit der sanften, ganzheitlichen Behandlung gezielt die Ursache der Probleme anzugehen. Dabei beschränkt sich die Osteopathie nicht auf den Bewegungsapparat – wie vielfach angenommen – sondern umfasst ebenso Behandlungen an den inneren Organen und am Nervensystem. Den Ansätzen der Osteopathie zufolge stehen der Bewegungsapparat, die Organe, Blutgefäße und Nervenbahnen durch die verbindenden Bindegewebestrukturen (Faszien) in einem direkten Zusammenhang zueinander. Hier auftretende Blockaden und Verspannungen sollen durch die osteopathische Behandlung gelöst werden, da sie als mögliche Ursache für Funktionsstörungen gelten.
Ursprung der Beschwerden behandeln
Den Angaben des BVO zufolge ist es das Ziel der osteopathischen Behandlung, „ursächliche Krankheitsfaktoren aufzulösen oder abzuschwächen, freie Beweglichkeit der Gelenke und Faszien wieder einzurichten, das autonome Nervensystem auszugleichen, die Körperstatik zu harmonisieren, viszerale Störungen aufzulösen und psycho-emotionale Erleichterung und Entspannung zu erreichen.“ Eine zentrale Rolle spielt dabei die Aktivierung der Selbstheilungskräfte der Patienten. „Wir suchen nach dem Ursprung der Belastung“, zitiert „Spiegel Online“ den BVO-Vorsitzenden Georg Schöner. Der Heilpraktiker und Osteopath erläutert, dass hierfür vor allem die Augen und Hände als Diagnoseinstrumente zum Einsatz kommen. „Wir tasten und fühlen, betrachten den ganzen Körper”, so Schöner. Zwar werde auch ein Blick auf das MRT-Bild geworfen, sollten die Patienten eines vorlegen, doch bilde dies nur eine Ergänzung zur Diagnose. „Für unsere Beurteilung reicht so ein Ausschnitt nicht aus, da wir den Körper ganzheitlich betrachten“, wird der BVO-Vorsitzende von „Spiegel Online“ zitiert.
Funktionelle Zusammenhänge berücksichtigen
Anhand des Beispiels eines Patienten mit Bandscheibenvorfall erläutert der Fachmann, wieso die ganzheitliche Herangehensweise so entscheidend ist. Seiner Aussage zufolge können die Beschwerden an der Bandscheibe, „ohne eine Behandlung über den Dickdarm nie ganz verschwinden“, weil Bandscheibe und Darm über die Faszien miteinander verbunden seien. So würden sich Spannungen am Darm immer wieder auf die Bandscheiben übertragen. Auch bei anderen Beschwerden seien vergleichbare funktionelle Zusammenhänge gegeben. Zum Beispiel könnten Rückenschmerzen im Zusammenhang mit Funktionsstörungen der Nieren auftreten und bei Frauen bestehe eine Faszien-Verbindung zwischen der Gebärmutter und dem Kreuzbein. Störungen des Magens haben laut Angaben des BVO Einfluss auf die Beweglichkeit des Zwerchfells und beeinträchtigen so möglicherweise die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Dies seien funktionelle Zusammenhänge, auf die bei der Behandlung geachtet werden sollte.
Kritik wegen fehlender wissenschaftlicher Fundierung
Obwohl die Osteopathie sich in der Praxis vielfach bewährt hat und Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse oder die AOK aus gutem Grund anteilig Kosten für die osteopathische Behandlung übernehmen, steht bis heute der Vorwurf einer fehlenden wissenschaftlichen Fundierung im Raum. So wird beispielsweise Johannes Flechtenmacher, Präsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) von „Spiegel Online“ mit der Aussage zitiert, die Osteopathie gehe davon aus, dass alle Erkrankungen manuell behandelbar seien, doch bestünden „für ihre Wirksamkeit kaum wissenschaftliche Belege.“ Eine Bewertung der Behandlungsmethode durch die Bundesärztekammer aus dem Jahr 2009 habe ergeben, dass „einigermaßen zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit und Effektivität osteopathischer Behandlungen nur bei wenigen Erkrankungsbildern vorliegen.“ Dies seien vor allem chronische Schmerzsyndrome der Wirbelsäule gewesen. Allerdings muss an diese Stelle auch erwähnt werden, dass viele medikamentöse und operative Behandlungsmethoden bis heute ebenfalls in ihrer Wirkung umstritten bleiben. Dies gilt beispielsweise bei Operationen aufgrund eines Bandscheibenvorfalls und bei Knieroperationen aufgrund chronischer Knieschmerzen. Hier kommt jedoch hinzu, dass gegebenenfalls ein potenziell schädlicher Eingriff durchgeführt wurde, während gesundheitsschädliche Wirkungen der Osteopathie in der Regel ausgeschlossen werden können.
Osteopathie verstärkt nachgefragt
Dem Vorwurf einer fehlenden wissenschaftlichen Fundierung zum Trotz wenden sich dennoch immer mehr Patienten an einen Osteopathen, wobei nicht nur Behandlungen des Bewegungsapparats nachgefragt werden. Heute sind jährlich mehr als fünf Millionen Menschen in osteopathischer Behandlung, berichtet „Spiegel Online“ unter Berufung auf die Zahlen der Bundesvertretung der Osteopathen in Deutschland (VOD). Von Rückenleiden über Babys mit Schreikoliken oder Senioren mit Hüftproblemen bis hin zu Sodbrennen, Migräne oder Menstruationsbeschwerden reiche das Spektrum der behandelten Beschwerden. Die Kosten für eine Sitzung werden vom VOD mit 60 bis 100 Euro angegeben, wobei die Patienten bei ihrer Krankenkasse nachfragen sollten, inwiefern eine Kostenübernahme möglich ist.
Kostenübernahme durch die Krankenkassen klären
Den Angaben von „Spiegel Online“ zufolge erstatten viele Krankenkassen anteilig die Kosten der osteopathischen Behandlung als freiwillige Zusatzleistung. Hier seien in der Regel Maximalbeträge pro Sitzung oder Jahr in den Satzungen festgelegt. Ann Marini vom GKV-Spitzenverband wird von dem Nachrichtenportal mit der Aussage zitiert, dass Versicherte bei der eigenen Krankenkasse nachfragen sollten, „ob Osteopathie angeboten wird oder es geplant ist, welche Konditionen mit diesem Angebot verbunden sind und mit welchen Therapeuten die Kasse zusammenarbeitet.“Laut Angaben der AOK benötigen die Patienten oft nur eine bis drei Sitzungen, bis sich der gewünschte Erfolg einstellt. Voraussetzung für die anteilige Kostenübernahme bei der AOK sei die Verordnung durch einen Arzt und die Sicherstellung einer ausreichenden Qualifikation des Osteopathen. Daher müsse der Therapeut Mitglied eines Verbandes der Osteopathen sein oder eine Ausbildung absolviert haben, die zum Beitritt in diesen Verbänden berechtigt.
Qualifikation der Osteopathen beachten
Bislang ist der Beruf des Osteopathen staatlich nicht anerkannt, weshalb Patienten hier grundsätzlich besonders auf die Qualifikationen achten sollten. Laut „Spiegel Online“ konnten sich die verschiedenen bestehenden Interessenverbände erst vor wenigen Monaten auf ein konkretes Berufsbild einigen, doch gesetzlich vorgeschriebene Richtlinien für die Ausbildung seien bisher nicht existent. Ein qualifizierter Osteopath sollte laut Aussage des BVO-Vorsitzenden Schöner jedoch „mindestens 1.350 Ausbildungsstunden absolviert und eine diagnostische sowie medizinische Prüfung abgelegt haben.“ Auch könnten sich Ärzte nach ihrer Ausbildung in Richtung Chirotherapie und manueller Medizin weiterbilden. Der Präsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie betont, das diese Ärzte „dann auch osteopathische Behandlungen durchführen, da diese Teil der manuellen Medizin sind.“ Dies sei kein Gegensatz, sondern erleichtere ihnen die Auswahl der adäquaten Behandlung. Allerdings sind die manuellen Therapien der Chiropraktik oder Physiotherapie nur bedingt mit dem Ansatz der Osteopathie vergleichbar. Denn diese gehen an die Behandlung der Symptome heran, indem sie zum Beispiel etwa einrenken, was bei der Osteopathie nicht geschieht. Hier zielt die Behandlung auf die Ursachen der Beschwerden. Allerdings sollten „verantwortungsvolle Osteopathen“ auch ihre Grenzen kennen, berichtet Schöner. Beispielsweise bei schwere Verletzungen, Brüche, Wunden, aber auch bei seelischen Erkrankungen könne die Osteopathie keine Hilfe bieten. Diese müssten in jedem Fall von einem Arzt beurteilt werden. (fp)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.