Geschlechter-Unterschiede: Oxytocin macht Männer kritischer
Das „Kuschelhormon“ Oxytocin kann laut einer neuen Studie sehr unterschiedlich auf Menschen wirken. Während Frauen durch den Einfluss des Hormons stärker auf positive Botschaften reagieren, schließen sich Männer eher kritischen Aussagen mit negativen Inhalten an.
Kuschelhormon mit vielfältigen Wirkungen
Das auch als „Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin spielt besonders bei der Geburt eine große Rolle, da es eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur auslöst und die Wehen einleitet. Zudem ist es wichtig für eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind sowie den Milcheinschuss der Mutter. Es hilft Ängste zu bewältigen und beeinflusst auch das Verhalten zwischen Partnern und generell soziale Interaktionen, indem es bindungsfähiger macht und beruhigt. Das Hormon kann aber noch viel mehr: So zeigten wissenschaftliche Untersuchungen, dass Ocytocin bei Muskelschwund und auch bei Magersucht helfen könnte. Und es lindert Schmerzen, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg vor wenigen Monaten berichteten. Ein Forscherteam aus Chengdu (China) unter Beteiligung von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Bonn hat nun herausgefunden, dass Oxytocin sehr unterschiedlich auf Männer und Frauen wirken kann.
Oxytocin erhöht Sensitivität für soziale Reize
Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse vor kurzem im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS). Demnach reagieren Frauen durch den Einfluss des Hormons stärker auf positive Botschaften, während sich Männer eher kritischen Aussagen mit negativen Inhalten anschließen. Oxytocin werden allgemein viele Wirkungen zugeschrieben: „Oxytocin erhöht allgemein die Sensitivität für soziale Reize“, erläuterte Prof. Dr. René Hurlemann von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn in einer Pressemitteilung. Der Botenstoff spiele vor allem auch für den ersten Eindruck, den neue Bekanntschaften hinterlassen, eine große Rolle. Wenn man beispielsweise bei einer Party neue Leute kennenlernt, kann auch das Oxytocin mit darüber entscheiden, ob aus den zuvor Unbekannten neue Geschäfts- oder sogar Ehepartner werden.
Wirkt das Hormon auf Frauen und Männer gleich?
Wissenschaftler um Prof. Dr. Keith M. Kendrick von der University of Electronic Science und Technology of China in Chengdu gingen zusammen mit Prof. Hurlemann der Frage nach, ob das Hormon bei Frauen und Männern auf gleiche Weise wirkt. Sie zeigten Frauen und Männern Fotos von verschiedenen Personen und Objekten, wobei zu den Bildern Aussagen eingeblendet wurden, die entweder einen sehr positiven, lobenden Charakter oder einen sehr kritisierenden, negativen Inhalt hatten. Die 80 Studienteilnehmer sollten anschließend Auskunft darüber geben, ob ihnen die jeweilige Meinungsäußerung der auf den Fotos gezeigten Personen sympathisch oder unsympathisch war.
Unterschiedliche Effekte auf die Geschlechter
Den Angaben zufolge erhielten die Probanden entweder Oxytocin über ein Nasenspray verabreicht oder ein Placebo. Im Magnetresonanztomographen beobachteten die Wissenschaftler außerdem die Gehirnaktivität, besonders des Mandelkerns (Amygdala). Wie es in der Mitteilung heißt, übernimmt diese Struktur in den Schläfenlappen die emotionale Bewertung von Informationen, die auch im menschlichen Miteinander eine Rolle spielen. Es zeigte sich, dass die Aktivität der Amygdala unter Oxytocineinfluss bei allen Teilnehmern erhöht war. „Jedoch hatte Oxytocin auf die beiden Geschlechter sehr unterschiedliche Effekte hinsichtlich der Präferenz“, so Prof. Hurlemann.
In sozialen Gruppen fühlen sich Frauen wohler als Männer
Bei Frauen verstärkte das Hormon deutlich die Sympathie für Personen, die mit lobenden Aussagen verbunden waren. Bei den Männern hingegen steigerte Oxytocin die Zustimmung zu Fotos, die mit sehr kritischen Meinungsäußerungen in Zusammenhang gebracht wurden. „Das ist ein überraschender Befund, den Oxytocin wirkt ansonsten bei Frauen und Männern in vielen Situationen sehr ähnlich“, sagte Prof. Hurlemann. Bei diesen Ergebnissen kommen nach den Vermutungen der Forscher zwei unterschiedliche, geschlechtsspezifische Modelle zum Tragen, die in der Wissenschaft schon seit Längerem diskutiert werden. Frauen fühlen sich in sozialen Gruppen eher wohl und betonen stärker die positiven Aspekte. Männer hingegen fürchten viel mehr die Konkurrenz durch ihre Artgenossen und scheinen deshalb emotional negativer getönt. „Diese Tendenz scheint das Oxytocin zu verstärken“, meinte Prof. Hurlemann. „Frauen fühlen sich unter dem Einfluss des Hormons nicht so schnell bedroht wie Männer.“ (ad)
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