"Papa Du bist Alkoholiker!": Suchtverhalten von Familienmitglieder besser erst nach Weihnachten ansprechen
25.12.2012
Besonders zum Weihnachtsfest können Anzeichen von Alkoholismus vor den Angehörigen nicht mehr verheimlicht werden. Vor dem Verteilen der Geschenke wird noch ein großer Schluck genommen. Für Familienmitglieder ist das kaum aushaltbar. Dennoch rät ein Experte dazu, das Suchtverhalten erst nach den Weihnachtsfeiertagen zu thematisieren und stattdessen Schadensbegrenzung zu betreiben. Ansonsten könnte das Fest von einem erheblichen Stimmungstief heimgesucht werden.
Weihnachten nicht der beste Zeitpunkt, um Suchtfragen zu klären
Nach Aussagen von Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), ist Weihnachten nicht unbedingt der idealste Zeitpunkt, um Familienmitglieder auf ihre offensichtlichen Alkoholprobleme aufmerksam zu machen. Wer bereits seit längerer Zeit den Verdacht hegt, der Vater oder die Mutter könnten Alkoholiker sein, sollten das Suchtverhalten an Weihnachtsfeiertagen mit Abstand und vorsichtig beobachten. Denn gerade die festliche Zeit im Kreise der Familie ist für viele Suchtpatienten eine besonders belastende Situation und eine emotionale Herausforderung. Das Problem im Beisein der anderen Verwandten und Bekannten anzusprechen, „sei denkbar ungeeignet“, mahnt der Sucht-Experte. „Die Familie ist drum herum, das führt nur zu klassischen Streitgesprächen“. Das führt unweigerlich zum Streit und wohlmöglich zum Abbruch der gemeinsamen Weihnachtsfeier.
Erste Hilfe und Schadensbegrenzung
Effektiver hingegen sei, an den Festtagen zunächst eine Art von „Erster Hilfe“ anzubieten. So sollte nicht daran aktiv mitgewirkt werden, dass ein Betrunkener noch mehr Schnaps nach geschenkt bekommt. Zwar sollte man das Verhalten des Betroffenen „nicht mit dem Zeigefinger tadeln, aber man sollte auch nicht von sich aus ihn weiter mit Alkohol versorgen“, so Gaßmann.
Sprüche wie „Ach komm, darauf trinken wir noch einen“, sollten nicht im Beisein des Alkoholkranken ausgesprochen werden. Um das Suchtverhalten des Betroffenen nicht zu forcieren, sollten Angehörige selbst auch keinen Alkohol trinken. Einerseits befördert dies das Verhalten des Süchtigen, andererseits biete das eigene Verhalten bei einer späteren Aussprache Angriffsfläche. „Du wart an Weihnachten selbst blau“, wird dann nicht selten gegen gehalten.
Ein paar Tage später ein Gespräch unter vier Augen
Um das Erlebte dem Betroffenen mitzuteilen, könne das nächste Treffen hierzu genutzt werden. Am Besten sei es, den Betreffenden allein „unter vier Augen zu sprechen“, erklärt der Experte. Dabei gelte jedoch, den Süchtigen nicht zu überrumpeln und sich selbst nicht als etwas Besseres darzustellen. Der Satz: „Du hast ein Problem“, bewirkt meistens nur, dass der Gesprächspartner eine Abwehrposition einnimmt. Eine Sorge auszudrücken, sei hingegen schon viel besser. So könnte der Satz zum Beispiel mit „Ich mache mir Sorgen um Dich“ beginnen. Das klingt weniger nach Schuldzuweisungen, Moral oder Vorwurf.
„Ein erstes Gespräch kann höchstens den Grundstein zu Suche nach Hilfe legen“, sagt auch die Diplom Sozialpädagogin und Patientenbetreuerin Gritli Bertram. Ein Familienmitglied zur Abkehr vom Alkohol zu bewegen, ohne externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei nahezu aussichtslos. „Viel erreicht ist aber, wenn sich der Betroffene an eine spezialisierte Beratungsstelle wendet. Zur Unterstützung kann ein Begleiten angeboten werden“, rät die Pädagogin. Die Begleitung zur Beratungsstelle sei hilfreich, weil die Schwellenangst gemeinsam überwunden werden kann. (sb)
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