BGH: Ablehnung „lebensverlängernder Maßnahmen“ reicht nicht
Eine Patientenverfügung ist für alle Beteiligten (z.B. Betreuer, Bevollmächtigte, Ärzte, Pflegepersonal,
Gerichte) verbindlich, soweit sie Ihren Willen für eine konkrete Behandlungssituation klar erkennbar zum Ausdruck bringt. In Zweifelsfällen entscheidet ein Gericht als neutrale Instanz. Allein die Ablehnung „lebensverlängernder Maßnahmen“ reicht jedoch nicht aus, um eine künstliche Ernährung zu beenden. Eine Patientenverfügung muss sich vielmehr auf konkrete Maßnahmen oder konkrete Krankheiten beziehen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag, 9. August 2016 veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: XII ZB 61/16). Aus einer Vorsorgevollmacht muss danach deutlich hervorgehen, ob sie sich auch auf Maßnahmen wie die künstliche Ernährung oder Beatmung bezieht.
Damit bleibt vorerst offen, ob eine heute 75 Jahre alte Frau aus Baden-Württemberg weiter künstlich ernährt werden soll. Als 70-Jährige hatte sie einen Hirnschlag erlitten. Seitdem wird sie über eine Magensonde ernährt. Später erlitt sie schwere epileptische Anfälle, so dass sie sich nicht mehr selbst äußern kann.
Früher hatte sich die Frau in zwei Patientenverfügungen gegen „lebensverlängernde Maßnahmen“ ausgesprochen, wenn ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt. Zudem hatte sie einer ihrer drei Töchter eine notarielle „Generalvollmacht“ erteilt, die auch gesundheitliche Angelegenheiten umfasst. Danach darf die Tochter auch über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen entscheiden.
Bislang hat die Tochter einen Abbruch der künstlichen Ernährung aber nicht verfügt. Sie und auch die Hausärztin der 75-Jährigen sind der Auffassung, dass dies nicht deren Willen entspräche. Genau dies meinen aber die beiden anderen Töchter.
Dem war das Landgericht Mosbach gefolgt. Es setzte eine der beiden als „Kontrollbetreuerin“ für den Bereich der Gesundheitsfürsorge ein. Wird dies rechtskräftig, könnte diese das Ende der künstlichen Ernährung anordnen.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 6. Juli 2016 hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts nun aber auf und verwies den Streit zur erneuten Prüfung dorthin zurück. Die Patientenverfügung sei nicht deutlich genug, und der Wille der 75-Jährigen stehe nicht fest, erklärten die Karlsruher Richter zur Begründung.
In einer Patientenverfügung seien allgemeine Formulierungen wie der Wunsch nach einem „würdevollen Sterben“ oder die Ablehnung „lebensverlängernder Maßnahmen“ nicht konkret genug. Denn es sei unklar, ob sich dies ausschließlich auf die medizinische Behandlung beziehen soll, oder auch auf Maßnahmen wie die künstliche Ernährung oder die künstliche Beatmung. Die Patientenverfügung müsse daher auf bestimmte Maßnahmen oder bestimmte Krankheitsbilder eingehen. Andernfalls könne sie eine bindende Wirkung nicht entfalten.
Ähnlich müsse auch in einer Vorsorgevollmacht deutlich werden, ob die bevollmächtigte Person nur über die unmittelbare medizinische Behandlung oder auch über lebenserhaltende Maßnahmen wie die künstliche Ernährung oder die künstliche Beatmung entscheiden darf und ob dies für die Ärzte verbindlich sein soll.
Hier sei dies erfüllt. Daher sei die Vollmacht für die eine der drei Töchter gültig. Sie könne nur beschränkt werden, wenn sich diese Tochter nachweislich über den Willen der Mutter hinwegsetzt. Das Landgericht Mosbach habe bislang aber nicht ausreichend dargelegt, dass dies hier der Fall ist, weil ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem Willen der 75-Jährigen entspräche. Das Landgericht soll daher nun prüfen, ob die Frau früher mündliche Äußerungen gemacht hat, die auf ihren Willen schließen lassen. mwo/fle
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