Wie gefährlich sind Perchlorate im Trinkwasser?
Perchlorate belasten zunehemd das Grundwasser in den USA und können auch ins Trinkwasser gelangen. Von Perchlorat im Trinkwasser scheint dabei eine wesentlich größere Gefahr auszugehen, als bisher angenommen wurde. Der Wert für ungefährliche Konzentrationen der chemische Verbindung im Trinkwasser liegt offenbar erheblich niedriger, als in der Vergangenheit angenommen wurde.
Forschende der Vanderbilt University, der University of California, Irvine und der Johns Hopkins University School of Medicine berichten, dass Perchlorate in den USA in wesentlich höherer Konzentration ins Trinkwasser gelangen, als bisher vermutet wurde. Und ihre aktuelle Studie zeige, dass selbst bei geringen Konzentrationen bereits negative Gesundheitseffekte eintreten. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlicht.
In welchen Produkten ist Perchlorat enthalten?
Perchlorate sind eine Gruppe chemischer Verbindungen, die beispielsweise in Raketentreibstoffen, Feuerwerkskörpern, Pflanzenschutzmitteln (in den USA; nicht in der EU) und Kontrastmitteln für bestimmte radiologische Untersuchungen vorkommen.
Gesundheitliche Probleme durch Perchlorat?
Man geht davon aus, dass Perchlorate zu verschiedenen Gesundheitsproblemen beim Menschen beitragen wie beispielsweise der Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion). Die Forschenden untersuchten jetzt den Mechanismus, mit dem Perchlorate die normale Funktion der Schilddrüse beeinflussen und schädigen.
Sie konzentrierten sich dabei darauf, wie Perchlorate einen Hauptweg blockieren, über den Jodid in die Schilddrüsenzellen gelangt. Jodid hilft der Schilddrüse bei der Bildung von Hormonen, welche für die Regulierung des Stoffwechsels und andere wichtige Funktionen des Körpers unerlässlich sind.
Wie die Schilddrüse den Jodidstrom steuert
Die Schilddrüsenzellen steuern den einströmenden Jodidstrom über einen Proteinkanal, den Natrium/Jodid-Symporter, welcher auch als Na+/I–Symporter oder NIS bezeichnet wird. Natrium passt an zwei Bindungsstellen in dem NIS, um so den Kanal zu entriegeln, damit Jodid in die Schilddrüsenzelle gelangen kann, berichten die Forschenden.
Perchlorat blockiert den Proteinkanal
Die Forschungsgruppe stellte fest, dass Perchlorate den Kanal blockieren, indem sie sich an das NIS-Protein ankoppeln und seine Form verändern. So bindet weniger Natrium an den falsch geformten Kanal, wodurch die Menge an Jodid, die innerhalb der Schilddrüsenzellen bewegt werden kann, deutlich verringert wird.
Einfluss unterschiedlicher Konzentrationen von Perchlorat
Die Forschenden untersuchten weiter, wie unterschiedliche Konzentrationen von Perchloraten den Jodidtransport beeinflussen. Hierfür ließen sie zunächst Schilddrüsenzellen wachsen, die das Gen SLC5A5 exprimierten. Dieses Gen kodiert die Anweisungen für den Aufbau von NIS-Kanälen. Als nächstes wurden einige Zellen in eine Umgebung mit Perchloraten und radioaktiven Jod platziert, während die anderen Zellen nur von radioaktivem Jod umgeben waren. Schließlich untersuchten die Forschenden in beiden Gruppen, wie viel radioaktives Jodid in die Zellen gelangen konnte.
Sie stellten fest, dass sich in den Schilddrüsenzellen mit Perchlorat-Umgebung viel weniger Jodid befand als in den anderen Zellen, selbst bei sehr niedrigen Konzentrationen der Chemikalie. Die Ergebnisse der neuen Studie deuten stark darauf hin, dass der untersuchte Schadstoff wesentlich gefährlicher ist, als bisher angenommen wurde, resümieren die Forschenden. Dies gebe ernsthaft Anlass zur Besorgnis.
Weitere Informationen zu den Risiken durch Perchlorate finden Sie auch beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), wobei hierzulande durchaus andere Rahmenbedingungen gelten, als in den USA, da beispielsweise ein Einsatz der Perchlorate in Pflanzenschutzmitteln nie zulässig war. Das BfR weist allerdings ausdrücklich auch auf das Risiko möglicher Perchlorat-Verunreinigungen bei Lebensmitteln hin. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Alejandro Llorente-Esteban, Rían W. Manville, Andrea Reyna-Neyra, Geoffrey W. Abbott, L. Mario Amzel et al.: Allosteric regulation of mammalian Na+/I− symporter activity by perchlorate, in Nature Structural & Molecular Biology (Veröffentlicht 25.05.2020), Nature Structural & Molecular Biology
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu Perchlorat in Lebensmitteln (veröffentlicht 15.02.2018), bfr.bund.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.