Immer mehr Schüler leiden an Kopfschmerzen. Dafür verantwortlich gemacht werden unter anderem zunehmender Stress, Leistungsdruck und Überforderung. Besonders bedeutsam in diesem Zusammenhang sind permanentes Multitasking und Stress. Gesundheitsexperten empfehlen Jugendlichen, dem Gehirn auch mal eine Pause zu gönnen.
Kinder und Jugendliche bewegen sich zu wenig
Egal ob Spannungskopfschmerzen oder Migräne: Viele Schüler in Deutschland haben regelmäßig so starke Beschwerden, dass sie Medikamente nehmen, nicht in die Schule gehen können oder zum Arzt müssen. In den vergangenen 50 Jahren ist die Häufigkeit von Kopfschmerzen bei Jugendlichen deutlich gestiegen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Bis zu 40 Prozent der 12- bis 15-Jährigen berichten demnach in verschiedenen Studien von wöchentlichen Schmerzattacken. Und in einem Zeitraum von drei Monaten haben sogar 70 Prozent dieser Altersgruppe mindestens einmal starke Schmerzen. Für die Zunahme von Kopfschmerzen bei Jugendlichen werden von Experten verschiedene Gründe diskutiert. So scheinen auf der einen Seite psychische Belastungen wie Leistungsdruck, Prüfungsstress, Mobbing oder Konflikte in der Familie eine Rolle zu spielen. Und zum anderen bewegen sich Kinder und Jugendliche heutzutage deutlich weniger als früher. Auf diese Problematik hatte auch die Deutsche Krankenversicherung (DKV) Anfang des Jahres hingewiesen. Eine Befragung von Eltern hatte damals ergeben, dass Heranwachsende deutlich zu viel Zeit des Tages im Sitzen verbringen und sich wenig bewegen.
Gewöhnung an pausenloses Multitasking
„Es gibt nicht die eine Ursache, sondern immer mehrere Faktoren“, erklärte der Münchner Kinderneurologe Prof. Florian Heinen gegenüber der dpa. Der Experte hatte in den letzten Jahren zwei Kopfschmerzstudien geleitet. Eine Veränderung der Lebensbedingungen von Schülern hält er im Vergleich mit früheren Generationen für besonders bedeutsam: Die Gewöhnung an pausenloses Multitasking. „Die Jugendlichen leben heute in einer getakteten Welt ohne unverplante Zeit und ohne Langeweile. Alles wird kurz, schnell und nebenbei gemacht – SMS schreiben, Mails checken, ein Video ansehen.“ Da sich das Gehirn an den erhöhten Rhythmus anpasst, falle es den Schülern schwer, in der Freizeit abzuschalten. „Das Gehirn sucht gerne die nächste Geschwindigkeitsstufe“, so Heinen. Dies führt zu Stress und Verspannungen.
Entspannungstrainings statt Medikamente
Betroffene Schüler können etwa in der Kopfschmerzsprechstunde an der Kinderklinik der Universität München lernen, passende Wohlfühlpausen für sich zu finden. „Jeder braucht da etwas anderes“, erläuterte Heinen. „Manche liegen einfach nur auf dem Bett oder hören Musik, andere gehen mit dem Hund spazieren oder fahren Fahrrad.“ Bei Migräne oder Kopfschmerzen, die von Nackenverspannungen herrühren, hilft es zusätzlich, die Nackenmuskulatur zu entspannen. Dafür empfiehlt der Experte einfache Übungen, die man überall machen kann, wie Liegestütze oder Dehnübungen vor dem Spiegel. Prof. Peter Kropp vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität Rostock sagte, dass es in den meisten Fällen nicht nötig ist, Medikamente zu nehmen. Laut dem Kopfschmerzexperten seien Entspannungstrainings und kognitive Verhaltenstherapie genauso effektiv wie Tabletten. Zudem können Schmerzmittel Dauer-Kopfschmerzen verursachen, wie der Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) vor kurzem warnte.
Natürliche Hausmittel gegen Kopfschmerzen
Einfache Tricks gegen Kopfschmerzen sind ohnehin oft effektiver als Arzneien. So sind etwa ein paar Tropfen Melissengeist auf ein Stück Zucker aufgetragen und eingenommen ein vielen Menschen bekanntes Hausmittel gegen Kopfschmerzen. Prof. Kropp rät außerdem zu Ausdauersport, mit dem man es jedoch nicht übertreiben sollte: „Sport ist nicht gleich Sport. Der klassische Migränepatient strebt häufig danach, der Erste zu sein. Das erzeugt Druck. Von Leistungssport würde ich daher abraten.“ Der Psychologe warnte davor, Kopfschmerzen zu eng mit dem Thema Schule zu verknüpfen: „Wenn man morgens Kopfschmerzen hat, sollte man trotzdem in die Schule gehen und warten, ob es besser wird. Nur so lässt sich verhindern, dass es zu einer klassischen Konditionierung kommt.“
Schüler über das Thema Kopfschmerzen informieren
An der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Göttingen können Kinder und Jugendliche lernen, wie man Stress besser bewältigen und so Kopfschmerzen vermeiden kann. Seit einigen Jahren werden dort Antikopfschmerztrainings für Schüler angeboten, die Migräne oder Spannungskopfschmerzen haben. Das Angebot reicht dabei von verhaltenstherapeutischen Gruppentrainings über Selbsthilfeanleitungen zur Muskelentspannung bis hin zu Lernprogrammen im Internet. Eine Überprüfung der Erfolge der drei Methoden zeigte: „Das Gruppentraining auf Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie hat in der ersten Begleitstudie am besten abgeschnitten“, so die Projektleiterin Prof. Birgit Kröner-Herwig. Es lohnt sich bereits, Schüler über das Thema Kopfschmerzen zu informieren, wie auch Florian Heinen aus seinen Studien weiß. Der Kinderneurologe erklärte: „Schon eine Stunde Unterricht zur Kopfschmerzvermeidung führt zu acht bis zehn Prozent weniger Kopfschmerzen in dieser Gruppe.“ (ad)
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