Studie stellt dramatische Veränderungen der Persönlichkeit fest
Wenn Menschen älter werden, altert auch der Körper und die Folgen davon sind meist nicht zu übersehen. Forscher fanden jetzt heraus, dass sich allerdings nicht nur der Körper massiv verändert, sondern auch die Persönlichkeit dramatische Änderungen im Laufe des Lebens durchmachen kann.
Die Wissenschaftler der University of Edinburgh stellten bei einer Untersuchung fest, dass die menschliche Persönlichkeit sich im Laufe des Lebens dramatisch verändert. Sie waren also mit 14 Jahren eine völlig andere Person, als Sie es mit 77 Jahren sein werden. Die Mediziner veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie in der Fachzeitschrift „Psychology and Ageing“.
Studie untersucht sechs Merkmale der Persönlichkeit
Die bisher am längsten laufende Persönlichkeitsstudie stellte erhebliche Veränderungen der Persönlichkeit fest, welche im Laufe des Alterns auftreten. Die Studie begann bereits im Jahr 1947 und rekrutierte 1.208 Jugendliche aus Schottland im Alter von 14 Jahren. Die Mediziner befragten damals die Lehrer der Teilnehmer, um deren Persönlichkeit besser zu beurteilen. Die Lehrer wurden gebeten sechs verschiedene Fragebögen auszufüllen. Diese sollten dann die Schüler anhand von sechs Merkmalen beurteilen, erläutern die Experten. Diese befassten sich mit den Themen: Selbstvertrauen, Beharrlichkeit, Stabilität der Stimmungen, Gewissenhaftigkeit, Originalität und Existenzwunsch. Die festgestellten Ergebnisse wurden dann zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst.
Mehr als sechzig Jahre später untersuchten die Mediziner erneut knapp 640 Probanden
Mehr als sechs Jahrzehnte später ist es nun den Forschern von der University of Edinburgh gelungen, 635 der ursprünglichen Studienteilnehmer zu kontaktieren. 174 Probanden erklärten sich bereit, ihre Persönlichkeiten noch einmal untersuchen zu lassen, sagen die Mediziner. Mit einem durchschnittlichen Alter von 76,7 Jahren wurden die Teilnehmer noch einmal gebeten, sich bei den oben genannten Persönlichkeitsmerkmalen selber zu beurteilen. Dann wurde ein enger Freund oder ein Familienmitglied ebenfalls gebeten, dass er die Probanden bei diesen Merkmalen bewertet, fügen die Autoren hinzu.
Keine Korrelation zwischen 77-Jährigen und 14-Jährigen festgestellt
Bei einer erneuten Untersuchung wurden die Probanden gebeten, dass sie sieben Persönlichkeits-Skalen und Tests absolvieren. Außerdem wurde ihre psychische Gesundheit von den Experten neu bewertet. Als die Forscher dann die Ergebnisse von den 77-Jährigen mit denen der 14 Jahre alten Probanden verglichen, fanden sie keine bemerkenswerte Korrelation. Es konnten keine positiven Korrelationen festgestellt werden, welche stark genug gewesen wären, um eine signifikante Bedeutung zwischen jugendlichen und älteren charakteristischen Bewertungen oder der Verlässlichkeit zu ermöglichen, erklären die Wissenschaftler. “Wir vermuteten, dass wir über einen längeren Zeitraum von 63 Jahren Aussagen über die Persönlichkeitsstabilität finden würden”, erklären die Wissenschaftler. Aber die nicht vorhandene Korrelation stützte diese Hypothese nicht, fügen die Experten hinzu.
Ergebnisse waren eine Überraschung für die Forscher
Selbst wenn das Team die Daten durch ein komplexeres Modell laufen lies, welches die auftretenden Auswirkungen berücksichtigte, fanden sie nur eine ziemlich niedrige Korrelation der Gewissenhaftigkeit und der Stabilität der Stimmungsmerkmale zwischen den 14 Jahre alten Probanden und den 77 Jahre alten Probanden, erklären die Autoren. Es gab außerdem keine Korrelation zwischen den anderen Merkmalen. Die Ergebnisse waren eine Überraschung für die Mediziner. Bisherige Untersuchungen hatten eine Persönlichkeitsstabilität bei Personen von der Kindheit bis zum mittleren Alter und vom mittleren bis zum höheren Alter festgestellt.
Längeres Intervall bei Untersuchungen schwächt den Zusammenhang
Den Forschern zufolge deutet einiges darauf hin, dass viele kleine Veränderungen in der Persönlichkeit im Laufe eines Lebens dazu führen können, dass Studien, welche Charaktereigenschaften nur über einen bestimmten Zeitraum des Lebens betrachten, dadurch das größere Bild nicht erkennen. Infolge dieser allmählichen Veränderung könne die Persönlichkeit über kurze Intervalle relativ stabil erscheinen. Dieser Effekt ist zunehmend während des Erwachsenenalters zu beobachten, fügen die Experten hinzu. Je länger jedoch der Intervall zwischen zwei Persönlichkeitsbeurteilungen ist, desto schwächer sei die feststellbare Verbindung. Die aktuellen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Erhöhung des Intervalls auf 63 Jahre wahrscheinlich dazu führen würde, dass es kaum noch eine Beziehung gibt.
Vorbehalte bei der Untersuchung
Es gibt allerdings auch einige heftige Vorbehalte, die hier hervorgehoben werden müssen. Die Stichprobengröße war sehr klein und nicht sehr vielfältig. Die ursprüngliche Studie erlaubte es den Teilnehmern nicht, dass sie sich selbst bewerteten. Die Ergebnisse stützten sich ausschließlich auf die Meinung ihrer Lehrer, erklären die Mediziner. Die Forscher waren nur auf der Suche nach Verknüpfungen zwischen Persönlichkeitsergebnissen, nicht nach der Ursachen, warum unsere Persönlichkeitsmerkmale sich im Laufe des Lebens verändern könnten. Weitere Forschung sei nötig, um diesen Effekt besser zu verstehen, so das Fazit der Forscher.
25 Prozent der Teilnehmer machten nach dem Alter von 70 Jahren dramatische Persönlichkeitsänderungen durch
Die aktuellen Feststellungen unterstützen die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2014, die mehr als 23.000 Personen in Deutschland untersucht hatte. Dabei fanden die Experten heraus, dass sich die Persönlichkeit der älteren Menschen mit einer ähnlichen Geschwindigkeit wie die der jungen Erwachsenen ändern kann. Diese Studie ergab, dass bis zu 25 Prozent der Teilnehmer eine dramatische Persönlichkeitsänderung nach dem Alter von 70 Jahren durchmachten. Anders als bei jungen Erwachsenen war die Persönlichkeitsveränderung bei älteren Personen nicht nachvollziehbar, erläutern die Experten.
Weitere Forschung ist nötig
Um die Persönlichkeitsveränderung im Laufe der menschlichen Lebensdauer erklären zu können, müssen wir den Ursprung dafür herausfinden, berichten die Wissenschaftler Hierzu seien allerdings weitere Untersuchungen nötig. Aber die Ergebnisse könnten das erste Zeichen dafür sein, dass es nicht nur unsere Zellen sind, welche im Laufe des Lebens starken Veränderungen unterliegen, sagen die Autoren. Verhalten und Emotionen seien nicht in Stein gemeißelt, wie bisher von vielen Experten vermutet, sondern verändern sich drastisch im Laufe des Lebens. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.