Experten sehen große Chancen in der Personalisierten Medizin, doch auch große Herausforderungen auf dem Weg dorthin
Die moderne Medizin ermöglicht heute bereits an vielen Stellen individuell angepasste Therapien, die besonders hohe Erfolgsaussichten bieten. In Zukunft wird die Personalisierte Medizin nach Ansicht von Experten völlig neue Chancen bei der Behandlung von Erkrankungen eröffnen. Doch sie bedarf eines breiten Austausches von Patientendaten, der an manchen Stellen nur schwer mit dem Datenschutzrecht vereinbar ist.
Auf dem sogenannten Latsis-Symposium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben Experten die Möglichkeiten der Personalisierten Medizin diskutiert und einen Appell an die Politik gerichtet, die Datenschutzgesetzgebung so zu gestalten, dass hier keine Behinderungen auftreten. Nach Einschätzung der Fachleute ist die Personalisierung eine vielversprechende Weiterentwicklung der Medizin.
Personalisierte Medizin mehr als individuelle Therapien
Hinter der Bezeichnung „Personalisierte Medizin“ verbirgt sich tatsächliche deutlich mehr als die individuelle Ausrichtung der Therapie auf die Bedürfnisse der Patienten. Die Patientendaten sollen anonymisiert und standardisiert in großen Datenbanken gruppiert werden, auf die interessierte Forscher und behandelnde Ärzte Zugriff haben und diese auswerten können, berichtet die ETZH. Das würde nach Einschätzung der Experten die medizinische Grundlagenforschung und die Behandlungsqualität für die einzelnen Patienten einen großen Schritt weiterbringen.
Neue Methoden erlauben umfassende Analysen
Mit den neuen Möglichkeiten, welche molekulare Methoden der Medizin bieten, ist es „erschwinglich geworden, das Erbgut von Patienten, Krankheitserregern und Tumorzellen zu bestimmen, ebenso die Gesamtheit der Proteine und Stoffwechselprodukte“, berichtet die ETZH. Im Vergleich zu früher seien heute viel mehr krankheitsrelevante Daten verfügbar und zudem ließen sich mit modernen Methoden einzelne Krankheiten molekular in immer feinere Untergruppen aufteilen, die unter Umständen unterschiedliche Therapien erfordern. Mehr als 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auf dem dreitägigen Latsis-Symposium der ETH die Chancen und Herausforderungen der personalisierten Medizin erörtert.
Personalisierte Medizin schon heute im Einsatz
Zwar klingt die Beschreibung der Experten noch nach Zukunftsmusik, doch Roger Stupp, Direktor der Klinik für Onkologie am Universitätsspital Zürich, betonte auf dem Symposium: „Personalisierte Medizin machen wir schon heute!“ Am Beispiel der Krebsmedizin verdeutlichte Mark Rubin, Professor an der Cornell University, welche Bedeutung die individuelle Bestimmung des genetischen Bauplans der Tumorzellen bei der Diagnose und Therapieplanung hat. Auch der regelmäßige Austausch von Onkologen verschiedener Kliniken, um gemeinsam Behandlungsmöglichkeiten für Patienten zu diskutierten, finde bereits statt. In einem noch breiteren Austausch von Patientendaten lägen seiner Ansicht nach enorme Chancen für die Medizin und insbesondere für die Krebsmedizin.
Weltweiter Datenaustausch erforderlich?
Ein möglichst weltweiter Austausch von Patientendaten bildet die Voraussetzung für die Personalisierte Medizin, beschreibt Professor Holger Moch vom Universitätsspital Zürich die wichtigste Schlussfolgerung des Symposiums. „Der Schlüssel zum Erfolg ist der Aufbau einer Infrastruktur, über die sehr viele Kliniken Daten austauschen können“, so auch Mark Rubin. Dies sei ein Großprojekt, eine Investition in die Zukunft, vergleichbar mit der Planung und dem Bau des Gotthardbasistunnels. Mit einer solchen umfassenden elektronischen Gesundheitsdatenbank wäre nach Einschätzung der Experten jedoch eine deutliche Qualitätssteigerung in der Medizin möglich.
Enger Rahmen des Datenschutzes
Auf dem Weg zu einer umfassenden Gesundheitsdatenbank sind allerdings zunächst Fragen des Datenschutzes und des Schutzes vor Missbrauch zu lösen, betonen die Experten. Denn die „Genom-Daten könnten persönlicher nicht sein“ und mit ihnen lasse sich ein Mensch nicht nur eindeutig charakterisieren, sondern es könnten auch sehr viele Informationen beispielsweise zur Anfälligkeit gegenüber Erbkrankheiten ausgelesen werden. Dennoch bewerten die Experten den aktuellen Rahmen des Datenschutzrechts als zu eng und sehen hier eine Behinderung des „für die Personalisierte Medizin so wichtigen Datenaustauschs.“ Der Gesetzgeber versuche die Patienten zu schützen, behindere aber dadurch den medizinischen Fortschritt, der vor allem im Sinne der Patienten sei, wird der Onkologe Roger Stupp in der Mitteilung der ETZH zitiert. Den Medizinern werde ein Schutzbedürfnis aufs Auge gedrückt, das nicht der Realität entspreche, so das Fazit von Stupp. (fp)
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