Pestizide gefährden Kinder in Entwicklungsländern
05.08.2011
Hochgiftige Pestizide gefährden die Gesundheit. Vor allem Kinder in Entwicklungsländern haben unter dem massenhaften Einsatz hochgefährlicher Pflanzenschutzmittel zu leiden, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Hilfsorganisation Terre des Hommes und des Pestizid-Aktions-Netzwerks PAN Germany. Die beiden Organisationen haben Regierungen und Industrie dazu aufgefordert, die extrem gesundheitsschädlichen Pestizide endlich vom Markt zu nehmen.
Den Angaben des Kinderrechtsexperte von Terre des Hommes, Albert Recknagel, zufolge sterben jährlich rund 40.000 Menschen an den Folgen einer Pestizidvergiftung, wobei unklar bleibe, wie viele der Betroffenen Kinder sind. Außerdem bestehe eine erhebliche Dunkelziffer, so dass eine Abschätzung der tatsächlich Betroffenen kaum möglich scheint. Fest stehe jedoch, dass 99 Prozent der Pestizidvergiftungen in den Entwicklungsländern zu verzeichnen sind, erklärte Recknagel. Zwar laufen bereits seit Mitte der 1980er Jahre internationale Bemühungen, einen sicheren Umgang mit den Pestiziden zu gewährleisten, doch die Zahl der jährlich gemeldeten Vergiftungen ist weiterhin kontinuierlich gestiegen, kritisierte die Geschäftsführerin des Pestizid-Aktions-Netzwerks, Carina Weber.
Zunahme der Gesundheitsschäden durch Pestizide
Die Studie „Pestizide und Kinder“ legt offen, dass insbesondere Kinder in Entwicklungsländern durch den Einsatz der Pestizide erheblich gefährdet werden. Sie seien der Gefahr schwerer Vergiftungen nahezu schutzlos ausgeliefert, so die Kritik des Kinderrechtsexperten von Terre des Hommes. Die seit fast dreißig Jahren laufenden Bemühungen zur Reduzierung der Gesundheitsschäden durch Pestizide weltweit haben ihr Ziel offenbar verfehlt. So hätten zum Beispiel in erster Linie Männern in den Entwicklungsländern Schulungen zum Umgang mit den gefährlichen Pestiziden erhalten, doch auch Frauen und deren Kinder kommen regelmäßig in Kontakt mit den hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln, bemängelten die Experten von Terre des Hommes und PAN. Häufig würden die Frauen die Pestizide anmischen und abfüllen. Auch waschen sie meist die Pestizid-verseuchte Kleidung ihrer Männer und die Pflanzenschutzmittel werden außerdem zur Schädlingsbekämpfung im Haus eingesetzt, so dass insgesamt zahlreiche Berührungspunkte mit den gefährlichen Chemikalien bestehen, berichtet Carina Weber. Auf diese Weise würden nicht selten schon die Kinder im Mutterleib durch die Gifte geschädigt, so der Vorwurf der Experten.
Atemnot, Schwindel, Sehstörungen – Symptome einer Pestizidvergiftung
Die Kinder in den Entwicklungsländern kommen auch beim Spielen auf gespritzten Feldern regelmäßig in Kontakt mit den hochgefährlichen Pflanzenschutzmitteln und die Pestizide werden zudem häufig im Haus für Kinder zugänglich gelagert, erklärte die PAN-Geschäftsführerin. Darüber hinaus müssen die Kinder bei der Feldarbeit die Pestizide auch selber ausbringen, so die Aussage in der aktuellen Studie. Verkauft werden die gefährlichen Pflanzenschutzmittel meist auf der Straße, abgefüllt in Saft- oder Limonadenflaschen, was das Risiko einer Verwechslung mit Lebensmitteln vor allem bei Kindern deutlich erhöhe, bemängelte Weber. Dabei seien vor allem die langfristigen Folgen einer Pestizidvergiftung für die Heranwachsenden äußerst bedenklich, ergänzte der Kinderrechtsexperte von Terre des Hommes, Albert Recknagel. Als Symptome einer akuten Vergiftung durch Pestizide beschreiben die Experten Atemnot, Schwindel, Sehstörungen, Augen- und Hautschäden, Muskelkrämpfe und Bewusstlosigkeit. Eine Pestizidvergiftung könne durchaus tödlich verlaufen und sollte daher keineswegs unterschätzt werden, warnen Recknagel und Weber.
Pestizide sollten vom Markt genommen werden
Als langfristige Folge einer Pestizidvergiftung wird in der aktuellen Studie unter anderem ein erhöhtes Risiko von Allergien, Krebserkrankungen und Unfruchtbarkeit genannt. Außerdem hätten vergleichende Studien mit Schulkindern in Bolivien belegt, dass die Kinder von Arbeiterinnen auf Blumenplantagen doppelt so häufig Konzentrationsstörungen und Lernschwächen aufwiesen, wie die bolivianischen Kinder im Durchschnitt. Der Blumenanbau gilt als einer der Sektoren, in denen besonders viele Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Das Pestizid-Aktions-Netzwerk engagiert sich auch im Sinne der Bevölkerung vor Ort schon seit Jahren gemeinsam mit anderen Organisationen wie Greenpeace oder jetzt Terre des Hommes für eine Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft beziehungsweise beim Pflanzenbau. Dabei haben die unabhängigen Studien der gemeinnützigen Institutionen auch dazu beigetragen, dass zum Beispiel Anfang Juni 2010 die Grenzwerte für die Pestizidbelastung von Lebensmitteln in der Europäischen Union deutlich gesenkt wurden. Angesichts der aktuellen Studienergebnisse fordern PAN und Terre des Hommes nun die Regierungen, die Pestizidindustrie sowie die Textil-, Futtermittel- und Lebensmittelindustrie dazu auf, Pläne zur Beseitigung der hochgiftigen Pestizide zu entwickeln und diese endlich vom Markt zu nehmen. (fp)
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Bild: Angel Garcia/Greenpeace
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