Insektizide verursachen Schwund der Bienenvölker
02.04.2012
Seit Jahren beobachten Wissenschaftler und Imker ein massives Bienensterben. Dabei standen bereits verschiedene Auslöser wie zum Beispiel bestimmte Milben und Parasiten unter Verdacht. Nun haben schottische Forscher der Universität von Stirling herausgefunden, dass die vom Menschen eingesetzten Pestizide offenbar eine größere Rolle spielen als bislang angenommen.
Die Forscher der School of Natural Sciences an der Universität von Stirling (UK) stellten fest, dass auch die im Nektar und Pollen enthaltenen Spuren der sogenannten Neonicotinoide (hochwirksame Insektizide) zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Vermehrung von Hummeln führen. Die Tiere litten vermehrt unter Fehlbildungen, die betroffenen Kolonien wuchsen deutlich langsamer und die Produktion neuer Königinnen war um 85 Prozent reduziert, berichten Dave Goulson und Kollegen in dem Fachmagazin „Science“. Darüber hinaus hatten französische Forscher festgestellt, dass die ausgebrachten Pestizide auch den Orientierungssinn der Insekten beeinträchtigen, wodurch diese nicht mehr zurück in ihren Stock finden.
Pestizide entscheiden für Hummel- und Bienensterben
Sowohl die Ergebnisse der französischen Forscher, als auch die Resultate von Dave Goulson und Kollegen legen den Schluss nahe, dass Pestizide bei dem seit Jahren zu beobachtenden Hummel- und Bienensterben eine sehr viel größere Rolle spielen als bislang angenommen. Die beiden unabhängige im Fachmagazin „Science“ vorgestellte Studien zeigen, dass die Insektizide wesentlichen Einfluss auf den zu beobachtenden Schwund der Bienen- und Hummelvölker haben. Die schottischen Forscher hatten die Wirkung der Pestizide auf die Entwicklung von Hummeln untersucht, wobei sie die Tiere einer ähnlichen Konzentration aussetzten, wie diese auch bei den Pollen und dem Nektar besprühter Kulturpflanzen vorzufinden ist.Anschließende ließen die Forscher die Hummel sechs Wochen lang ihr Nest weiter ausbauen und überprüften daraufhin wie viel die Nester mit dem gesamten Inhalt aus Hummeln, Wachs, Honig, Larven und Pollen wogen.
Pestizid belastete Kolonien wachsen weniger
Dabei stellten die Forscher fest, dass die Kolonien, bei den mit Pestiziden belasteten Tieren, durchschnittlich acht bis zwölf Prozent kleiner waren als in der Kontrollgruppe. Darüber hinaus tendierten die Hummel verstärkt zu Fehlbildungen und die belasteten Völker brachte 85 Prozent weniger Königinnen hervor, schreiben Dave Goulson und Kollegen. Die Königinnen seien entscheidend für die Reproduktion der Hummel in den Folgejahren, so dass die Insektizide hier auch eine zeitlich verzögerte Wirkung zeigen, die sich erst ein Jahr nach der eigentlichen Pestizid-Belastung bemerkbar macht. Die Anzahl der Königinnen stehe in direktem Zusammenhang mit der Zahl neuer Nester im kommenden Winter, berichten die schottischen Wissenschaftler. So haben nach Ansicht von Dave Goulson die Insektizide einen massiven Einfluss auf den zu beobachtenden Rückgang der Hummelvölker weltweit. „Einige Hummelarten sind enorm zurückgegangen“, betonte der Experte und nannte Nordamerika als Beispiel, wo „manche Arten mehr oder weniger komplett vom Kontinent verschwunden“ seien. Auch in Großbritannien sind laut Aussage von Goulson bereits drei Arten ausgelöscht. „Angesichts des Ausmaßes der Nutzung der Neonicotinoide“, sei davon auszugehen, dass die Pestizide einen wesentlichen Anteil am Massensterben von Hummeln und Bienen haben, so die Einschätzung der schottischen Forscher.
Pestizide beeinflussen den Orientierungssinn von Bienen
Auch die Studie der französische Forscher um Mickael Henry vom Institut National de la Recherche Agronomique in Avignon legt den Schluss nahe, dass die Pestizide einen gravierenden Einfluss auf die Bienen- und Hummelpopulationen haben als bislang angenommen. Henry und Kollegen hatten im Rahmen ihrer Studie winzige Mikrochips an den Körpern von Bienen befestigt, mit denen sie die Flugrute der Tiere verfolgen konnten. Nachdem einige der Versuchsbienen in Kontakt mit dem Insektizid Thiamethoxam gekommen waren, schien ihr Orientierungssinn deutlich beeinträchtigt, schreiben die französischen Forscher. Die betroffenen Tiere seien zwei- bis dreimal häufiger weit entfernt von ihrem Nest gestorben, als Bienen, die nicht in Kontakt mit dem Insektizid kamen, so Henry und Kollegen weiter. Die mit Hilfe der Daten aus den Mikrochips ermittelten Flugrouten zeigten, dass die belasteten Bienen irgendwann eine Entfernung von ihrem Nest erreichten, die ihnen eine Rückkehr deutlich erschwerte. Demnach könnten die vom Menschen versprühten Giftstoffe dazu beitragen, dass ein wachsender Anteil der Biene nicht in seinen Stock zurückfindet, so das Fazit der französischen Forscher.
Nahrungsmittelkrise aufgrund des Bienensterbens?
Der Rückgang der Bienen- und Hummelvölker hat in den vergangenen Jahren zu einer intensiven Diskussionen über die möglichen Ursachen und die Folgen des Bienen- beziehungsweise Hummelsterbens geführt. Denn die nützlichen Insekten übernehmen eine entscheidende Rolle im Ökosystem. Sie bestäuben Milliarden von Pflanzen und sorgen so dafür, dass diese Früchte tragen beziehungsweise sich vermehren können. Fehlen die Bienen könnte dies eine globale Nahrungsmittelkrise auslösen, so die Einschätzung der Vereinten Nationen (UNO). Auch als wirtschaftlicher Faktor ist die Leistung der Insekten von erheblicher Bedeutung, da weite Teile der Landwirtschaft ohne ihren Beitrag nicht funktionieren würden. Langfristig könnte beim Fehlen der Bienen die pflanzliche Nahrungsgrundlage immer weiter schwinden, wodurch die Verfügbarkeit von Lebensmitteln massiv zurückgehen würde. Eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung wäre ohne die Unterstützung der nützlichen Insekten nicht zu gewährleisten.
Langfristige Ertragseinbußen durch den Einsatz von Pestiziden
Die Suche nach den Ursachen des weltweiten Bienensterbens läuft daher auf Hochtouren, wobei neben den Insektiziden beziehungsweise Pestiziden vor allem die aggressiven Varroamilben als Auslöser unter Verdacht stehen. Die Milben beißen sich an den Bienen fest und können den Tod der Tiere zur Folge haben. In den Stöcken können sich die Milben leicht vermehren, was unter Umständen den Verlust ganzer Völker mit sich bringt. Da die Milben bei den verhältnismäßig milden Temperaturen länger aktiv bleiben und sich besser ausbreiten können, spiele hier auch das Wetter eine Rolle bei dem verstärkten Bienensterben, so die Aussage der Experten. Des weiteren stehen spezielle Parasiten-Fliegen im Verdacht das Sterben der Bienen zu begünstigen. Allerdings legen die aktuellen Studienergebnisse den Schluss nahe, dass die vom Menschen eingesetzten Pestizide einen weit größeren Anteil am Bienensterben haben als bislang angenommen. Hier sollte schon aus schlichtem Eingeninteresse möglichst zeitnah ein Umdenken erfolgen. Denn die kurzfristig mit Hilfe von Pestiziden zu erzielenden Ertragssteigerungen, können bei einem weiteren Rückgang der Bienenpopulationen schnell zu erheblichen Ertragseinbußen führen. (fp)
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