EU empfiehlt rezeptfreie Abgabe der Notfallverhütung in Apotheken
26.11.2014
Für die sogenannte „Pille danach“ mussten Frauen bislang erst einen Arzt aufsuchen, denn Rezept und Beratung waren für den Einsatz der Notfallverhütung verpflichtend. Nun haben sich die Arznei-Experten der EU jedoch für eine rezeptfreie Abgabe des Präparats „ellaOne“ in Apotheken ausgesprochen. Während Gesundheitsminister Gröhe (CDU) bisher an der Verschreibungspflicht festgehalten hatte, sehen die Frauen der SPD-Fraktion in dem politischen Kurswechsel einen großen Fortschritt für das „Selbstbestimmungsrecht moderner Frauen“.
Rezept und ärztliche Beratung bislang verpflichtend
Bislang gab es die so genannte „Pille danach“ nur auf Rezept. Das Problem dabei: Das Medikament kann nach einer Verhütungspanne zwar eine ungewollte Schwangerschaft verhindern, aber nur, wenn es möglichst schnell eingenommen wird. Doch nicht jede Frau schafft es rechtzeitig, einen Arzt aufzusuchen, sei es, weil die Praxis am Wochenende geschlossen hat oder ein Besuch mit Angst oder Scham besetzt ist. Dennoch wurde seitens des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU) bisher strikt daran festgehalten, dass Frauen die Pille nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr nur auf Rezept und nach ärztlicher Beratung erhalten sollten.
Europäische Zulassungsbehörde empfiehlt Rezeptfreiheit für ulipristalhaltige Pille „ellaOne“
Nun hat sich Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) jedoch am Freitag für eine rezeptfreie Abgabe des Präparats „ellaOne“ in Apotheken ausgesprochen, welche zentral über die Europäische Union zugelassen wurde. Dabei handelt es sich es um eine ulipristalhaltige Notfallverhütung, die bis zu 120 Stunden (5 Tage) nach einer möglichen unerwünschten Befruchtung eingesetzt werden kann, um eine Schwangerschaft zu verhindern. „Basierend auf der Auswertung der verfügbaren Informationen, ist der CHMP zu dem Ergebnis gekommen, dass ellaOne sicher und effektiv, ohne ärztliche Verschreibung verwendet werden kann. ellaOne ist in der EU seit 2009 zugelassen und umfassende Informationen über die Gefahren und Vorteile wurden gesammelt und untersucht“, so eine aktuelle Mitteilung der EMA. Kommt es dazu, dass die EU-Kommission die Verschreibungspflicht innerhalb der gesamten EU aufheben sollte, würde dies auch für Deutschland eine freie Abgabe des Präparats bedeuten.
Apotheker sollen Verantwortung für sachgemäßen Umgang übernehmen
Für den Bundesapothekerverband ein wichtiger Schritt, gerade weil die Wirksamkeit am höchsten ist, wenn die Pille möglichst schnell eingenommen wird. „Ohne Rezeptpflicht könnten wir unseren Patientinnen noch schneller weiterhelfen. In den wohnortnahen Apotheken mit ihrem niedrigschwelligen und flächendeckenden Nacht- und Notdienst erhalten Frauen die ‚Pille danach‘ umgehend“, sagt Dr. Andreas Kiefer, der Präsident der Bundesapothekerkammer. Die Verantwortung für einen sachgemäßen Einsatz des Präparats würden dabei laut Kiefer selbstverständlich die Apotheker übernehmen. Ein wichtiger Punkt, denn Kritiker befürchten unter anderem, dass der leichtere Zugang zu einer Vernachlässigung der Langzeitverhütung führen könne.
Kriterien für eine hochwertige Beratung notwendig
Für Minister Hermann Gröhe keine einfache Situation, dementsprechend betonte er gegenüber der „dpa“, dass zunächst eine genaue Prüfung der Empfehlungen des EU-Arzneimittelausschusses anstehe. Sofern Brüssel die Entscheidung gegen eine zwingende Beratung durch einen Arzt treffen würde, sei „eine intensive Beratung auch in den Apotheken der richtige Weg“, räumte Gröhe ein. In diesem Fall sei es jedoch wichtig, mit Ärzten, Apotheken und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte „Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung zu entwickeln“, so der Minister weiter. Auch Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, steht der Entscheidung der Zulassungsbehörde kritisch gegenüber: „Es ist schade, dass unsere Argumente in Brüssel anscheinend nicht gehört werden. Aber wir wollen in jedem Fall ein hohes Niveau der Beratung bei der Pille danach sicherstellen.“ Dies könne beispielsweise mithilfe eines Beratungsbogens in der Apotheke erfolgen, welcher in der Schweiz bereits verpflichtend eingeführt wurde, so Spahn weiter gegenüber der „dpa“.
SPD-Frauen begrüßen Gröhes Kurswechsel
Positiv wurde Gröhes Richtungswechsel hingegen von den Frauen der SPD-Fraktion aufgenommen. Wie die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich betonte, sei der rezeptfreie Zugang zur Pille danach längst überfällig „und ein wichtiger Teil des Selbstbestimmungsrechts moderner Frauen.“ In diesem Zusammenhang sei es aber auch notwendig, den Frauen die Möglichkeiten zu bieten, günstigere und medizinisch weiter erforschte Präparate anzubieten. Dementsprechend sollten zukünftig nicht nur ulipristalhaltige Pillen frei erhältlich sein, sondern auch Produkte, die den Wirkstoff Levonorgestrel enthalten. (nr)
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