Lustpille Flibanserin: Was „Pink Viagra“ wirklich mit Frauen macht
Seit rund einem halben Jahr ist in den USA eine Pille auf dem Markt, die Frauen mehr Lust machen soll. Schon vor der Einführung des Medikaments, das auch „Pink Viagra“ genannt wird, zeigten sich viele Experten bezüglich der Wirkung skeptisch. Nun bestätigte eine Studie ihre Zweifel.
Kritiker verwiesen früh auf Nebenwirkungen
Nach einer jahrelangen Vorgeschichte hieß es im Spätsommer vergangenen Jahres schließlich: Die sogenannte Viagra für Frauen erhält die Zulassung in den USA. Schon lange vor dem Verkaufsstart sorgte das Medikament für großes Aufsehen. Kritiker wiesen damals auf frühere Untersuchungen hin, die darauf hindeuteten, dass bei Frauen, die das Mittel nahmen, nur ein bescheidener Aufwärtstrend in ihren „sexuell befriedigenden Ereignissen“ verzeichnet werden konnte. Außerdem wurde über die häufig auftreten Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit sowie gelegentlich Schlaflosigkeit, Mundtrockenheit und Verstopfung berichtet. Zwar wurden die Skeptiker als die üblichen Bedenkenträger abgetan, doch eine neue Studie bestätigte nun ihre Zweifel.
Wenig befriedigend
Die Wirkung der seit rund einem halben Jahr in den USA erhältlichen Frauen-Lustpille Addyi ist einer neuen Studie zufolge gering, die Nebenwirkungen hingegen sind deutlich, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Laut den Forscher aus den Niederlanden und Belgien resultierte die Einnahme der Pille durchschnittlich in nur einer befriedigenden sexuellen Erfahrung mehr innerhalb von zwei Monaten. Als Nebenwirkung der auch als „Pink Viagra“ bezeichneten Pillen verzeichneten die Wissenschaftler einen deutlichen Anstieg von Schwindel, Schläfrigkeit, Übelkeit und Erschöpfung. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Jama Internal Medicine“ veröffentlicht.
Wunsch nach Sex soll verstärkt werden
Um zu ihren Ergebnissen zu gelangen, werteten die Forscher Daten von fünf bereits veröffentlichten und drei unveröffentlichten Studien aus, an denen insgesamt 5.914 Frauen teilgenommen hatten. „Die Auswertung dieser Daten legt nahe, dass die von Flibanserin hervorgerufene Veränderung minimal ist“, so die Autoren. Bei Flibanserin handelt es sich um den in Addyi enthaltenen Wirkstoff, der Botenstoffe im Gehirn beeinflussen und so bei Frauen den Wunsch nach Sex verstärken soll. Zwar traten Nebenwirkungen wie Schwindel, Schläfrigkeit, Übelkeit und Erschöpfung laut den Forschern häufig auf, jedoch meist in milder Form.
Vor einer Empfehlung müssten weitere Untersuchungen folgen
Die Wissenschaftler forderten, dass es erst weitere Untersuchungen geben müsse, bevor die Pille Patientinnen empfohlen werden könne. Darüber hinaus müsse in Betracht gezogen werden, Addyi wie von einigen Wissenschaftlern und Ärzten vorgeschlagen, nur als Teil einer Behandlung anzuwenden, die beispielsweise auch Psychotherapie beinhalte. Das dürften auch Gesundheitsexperten hierzulande ähnlich sehen. Mangelnde Lust auf Sex ist grundsätzlich weit verbreitet. Frauen in langen Beziehungen treffe es laut Fachleuten häufiger. Gründen, warum Frauen keine Lust mehr auf Sex verspüren, sind unter anderem Stress, Überlastung, Gewohnheit oder körperliche Leiden. Experten schätzen, dass das Medikament für weniger als zehn Prozent der Patientinnen infrage kommt. Dem Großteil der Betroffenen könne mit Gesprächen und Ratschlägen geholfen werden. Außerdem kann ausgiebiger Schlaf die Lust steigern. Dies geht aus einer US-amerikanischen Studie hervor, die einen Zusammenhang zwischen Schlaf und gutem Sex festgestellt hatte.
Markteinführung in Deutschland unklar
Addyi war in den USA im August vergangenen Jahres zugelassen worden und ist im Oktober dort auf den Markt gekommen. Anders als Viagra für Männer wirkt das „Pink Viagra“ nicht auf den Körper, sondern auf psychische Mechanismen – vergleichbar zum Beispiel mit Mitteln gegen Depression. Das Medikament muss täglich eingenommen werden. Zudem sollte über den gesamten Einnahmezeitraum Alkohol gemieden werden, da die Nebenwirkungen dadurch noch verstärkt werden. Die Pille ist verschreibungspflichtig und nur nach Beratungsgesprächen bei geschulten Ärzten und Apothekern erhältlich. Die Kosten für die „Viagra für Frauen“ liegen je nach Krankenkasse zwischen 30 und 75 US-Dollar (26 bis 66 Euro) im Monat. Nach Herstellerangaben ist es noch unklar, ob und wann ein Verkauf des umstrittenen Produkts auch in Deutschland angestrebt wird. (ad)
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