Präsentismus: Viele Menschen gehen krank zur Arbeit
09.03.2011
Zahlreiche Beschäftigte gehen trotz Erkrankung zur Arbeit, auch wenn der Arzt ihnen geraten hat, zu Hause zu bleiben. Dies hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in einer Studie zum Thema Präsentismus herausgefunden.
Wenn Arbeitnehmer trotz Krankheit zur Arbeit gehen, sprechen die Fachleute vom sogenannten Präsentismus. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat sich dem Phänomen in einer umfassenden Studie gewidmet, bei der im Rahmen einer Metaanalyse 258 bestehende Forschungsarbeiten zum Thema Präsentismus ausgewertet wurden. Das Ergebnis der BAuA verdeutlicht, dass Arbeiten trotz Krankheit keine Ausnahme ist – mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit der Betroffenen und die Produktivität der Unternehmen.
Das Thema Präsentismus hat laut Aussage der BAuA in den letzten Jahren sowohl national als auch international immer mehr an Bedeutung gewonnen, auch wenn bis heute kein einheitliches Konzept des Präsentismus vorliegt. Daher haben die Autoren Mika Steinke und Bernhard Badura im Rahmen der Metastudie „Präsentismus: Ein Review zum Stand der Forschung“ 285 aktuelle Forschungsarbeiten zum Thema Präsentismus ausgewertet und die Ergebnisse nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei der Auswertung der 258 Studien konnten die Experten der BAuA zwei Schwerpunkte der bisherigen Forschungsansätze identifizieren. So widmen die nordamerikanischen Studien ihr Forschungsinteresse vor allem den Produktivitätsverlust aufgrund gesundheitlicher Beschwerden, während europäische Studien ihren Schwerpunkt eher auf die Ursachen und Einflussfaktoren des Verhaltens der Beschäftigten sowie die gesundheitlichen Konsequenzen setzen, berichten Mika Steinke und Bernhard Badura.
Produktivitätsverluste durch Präsentismus
Die Auswirkungen chronischer Erkrankungen auf die Produktivität werden in den USA bereits deutlich länger untersucht als in Europa, erklärten die Autoren der BAuA. Entsprechend besser sei die Qualität der Messverfahren zu beurteilen. Die BAuA fordert daher auch für Deutschland die Entwicklung und Validierung von Instrumenten zur Messung des Präsentismus, wobei diese auf Selbsteinschätzungen der Erwerbstätigen basieren sollten. So ließen sich die durch Präsentismus bedingten Produktivitätsverluste auch hierzulande weit besser erfassen, erklärte die BAuA.
Gesundheitliche Folgen des Präsentismus
Die Auswirkungen des Präsentismus auf die Gesundheit werden indes eher in den europäischen Studien thematisiert. Die Auswertung habe gezeigt, dass Arbeitnehmer, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen, ihren eigenen Gesundheitszustand insgesamt besonders häufig als schlecht oder eher schlecht einstufen, erklärte die Autoren der BAuA. Außerdem hätten mehre Studien Hinweise darauf ergeben, dass Präsentismus bei einem ohnehin eher schlechten Gesundheitszustand langfristig das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, berichten Mika Steinke und Bernhard Badura. Zwei Studien hätten sogar Anzeichen dafür ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen Präsentismus und Langzeit-Arbeitsunfähigkeit bestehe. Allerdings konnten auch positive gesundheitliche Effekte des Präsentismus aufgezeigt werden, so die Aussage der Autoren. Zum Beispiel seien Anzeichen dafür zu erkennen, dass Präsentismus positiv auf bestimmte chronische Muskel-Skelett-Erkrankungen wirke.
Präsentismuskosten höher als Kosten krankheitsbedingter Fehlzeiten
Insgesamt habe die Metastudie „Präsentismus: Ein Review zum Stand der Forschung“ eindeutig belegt, dass der Krankenstand als Instrument zur Erfassung des Gesundheitszustandes der Arbeitnehmer zu kurz greife, betonten die Autoren der BAuA, Mika Steinke und Bernhard Badura. Aus betriebswirtschaftlich Sicht seien die Präsentismuskosten mindestens ebenso so hoch wie die Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten, erläuterten die Experten. Wenn langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen als Folge des Präsentismus auftreten, können jedoch nicht nur die betriebswirtschaftlichen sondern auch die volkswirtschaftlichen Kosten massiv steigen, warnen die BAuA Autoren. Das viele Beschäftigte aufgrund des Leistungsdrucks und drohendem Jobverlust trotz anders lautender Empfehlung ihres Arztes krank zur Arbeit gehen, könne schnell mehr Nachteile mit sich bringen als wenn die Betroffenen zu Hause geblieben wären und sich auskuriert hätten, so das Fazit der Experten. (fp)
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