Künstliche Haut aus menschlichen Zellen: Preis für Alternativmethoden zu Tierversuchen
10.08.2013
Ein Berliner Wissenschaftler hat durch seine Forschung dazu beigetragen, Tausenden Labortieren den Tod zu ersparen. Für seine Arbeit erhielt er jetzt unter anderem den Berliner Forschungspreis.
Tierversuche reduzieren
Der Pharmakologe Prof. Günther Weindl (FU) erhielt am gestrigen Freitag im Roten Rathaus den mit 15.000 Euro dotierten Berliner Forschungspreis 2013 für seine Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen. Darüber hinaus bekam er einen Extra-Preis in Höhe von 5.000 Euro des Bündnisses Tierschutzpolitik. Professor Weindl wurde für seine Arbeit ausgezeichnet, die dazu beitragen kann, Tausenden von Labortieren den Tod zu ersparen. Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) sagte bei der Preisübergabe: „Wir werden Tierversuche nie ganz abschaffen können, aber Professor Weindls Arbeit zeigt Wege auf, die Zahl zu reduzieren.“
Hautreste aus Operationen
Der 37-jährige Weindl, der im Institut für Pharmazie, Pharmakologie und Toxikologie der Freien Universität Berlin tätig ist, forscht seit nunmehr zehn Jahren an Hautmodellen, für die er fingernagelgroße Hautstücke verwendet. Krankenhäuser dürfen Hautreste aus Operationen mit Zustimmung der Patienten an die Forschung abgeben. Der FU-Forscher baut diese Abfälle mit seinen Assistenten neu zusammen, um ein Modell der ersten und zweiten Hautschicht zu erstellen, die wie echte Haut aussieht. Die zusammengefügten Zellen bilden nach einiger Zeit von selbst auch die oberste Hornschicht. Seit etwa 20 Jahren sei es möglich, einfache Modelle menschlicher Haut zu erstellen.
Langerhans-Zellen
Bei Weindls Präparaten sei das Besondere das Hinzufügen der Langerhans-Zelle, einer Zellart, die alle Menschen in sich tragen. Diese entscheide etwa bei Bakterien, die die oberste Hornschicht des Menschen überwinden und in die Haut eindringen, ob es sich um gefährliche Fremdkörper handelt. In diesem Fall leiten sie durch eine Alarmierung an den Körper die Abwehrreaktion ein. Das Modell des Berliner Wissenschaftlers kommt der menschlichen Haut sehr nahe und dadurch werden Testergebnisse zur Verträglichkeit neuer Kosmetika oder Arzneimitteln an diesem „immunkompetenten Hautmodell" besonders aussagekräftig. „Wir wollen unnötige Tierversuche ersetzen", so Weindl.
Forscher sieht Notwendigkeit für Tierversuche
Er befürwortet zwar das jüngste EU-Verbot von Tierversuchen zur Herstellung von Kosmetikprodukten, ist aber kein genereller Tierversuchsgegner. So kritisiert er etwa überflüssige Tierversuche aufgrund einer unzureichenden Forschungsplanung, sieht jedoch deren Notwendigkeit auch in Zukunft bei der Entwicklung von Arzneimitteln, um Risiken für den Menschen zu reduzieren. Außerdem käme die sogenannte tierversuchsfreie Forschung nicht ohne tierische Wirkstoffe aus, denn für die Erstellung der Nährflüssigkeit, die auch Weindl für seine Arbeit benötigt, bräuchte man fötales Kälberserum, das aus dem Blut von Kälbern gewonnen wird. Die Verwendung des Serums solle zwar reduziert werden, aber Weindl sieht sich derzeit noch „an der Grenze des Machbaren.“
Lob an der Preisverleihung
Dank der Forschung an der Berliner FU könnten künftig Wissenschaftler deutschlandweit auf tausende von Tierversuchen verzichten. Die Preisverleihung wurde auch von Siegfried Throm vom Verband forschender Arzneimittelhersteller, gelobt: „Hier wird ein exzellentes Projekt gewürdigt, das helfen wird, Tierversuche zu ersetzen.“ Weiter meint er: „Ich hoffe, dass diese Preisverleihung anderen Wissenschaftlern Ansporn für die Suche nach weiteren Alternativmethoden gibt.“
Tierversuchsfreie Forschung ist möglich
Tierversuche sind in der medizinischen Forschung bis heute ebenso verbreitet wie umstritten. Für die Tiere bedeuten sie „Schmerzen, Leiden und bleibende Schäden“ (Deutsches Tierschutzgesetz), die Wissenschaft verspricht sich weitreichende Erkenntnisse für die Behandlung von Patienten. Doch die Ergebnisse der tierexperimentellen Forschung sind laut dem Verein Ärzte gegen Tierversuche e.V. nicht nur moralisch und ethisch verwerflich, sondern auch kaum zuverlässig auf den Menschen übertragbar. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich der Verein für ethisch vertretbare, rein tierversuchsfreie wissenschaftliche Forschung. Jedes Jahr nehme die Zahl der Tierversuche weiter zu, was nicht nur mit dem Leid von Millionen Lebewesen einhergehe, sondern auch ein Zeichen für eine „fehlgeleitete Medizin und Wissenschaft“ sei, meinten die Tierschützer anlässlich einer gemeinsamen Aktion mit anderen Tierschutzgruppen im vorvergangenen Jahr. (ad)
Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de
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