Proteinarme Ernährung verbessert den Zuckerstoffwechsel
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der übergewichtigen Menschen weltweit dramatisch erhöht. Als Hauptursachen für den Anstieg des Körpergewichts gelten veränderte Ernährungsgewohnheiten und mangelnde körperlicher Aktivität. Experten gehen jedoch davon aus, dass noch mehr Faktoren eine Rolle spielen. Von Bedeutung ist hier offenbar, wie viel Proteine die Nahrung enthält.
Immer mehr Menschen sind zu dick
Immer mehr Menschen weltweit leiden an Übergewicht und Fettleibigkeit. Vor allem starkes Übergewicht, die Adipositas, kann zu schweren gesundheitlichen Schäden führen: zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und vor allem zu Typ2-Diabetes und dem metabolischem Syndrom.
Nicht nur veränderte Ernährungsgewohnheiten verantwortlich
Zwar gelten veränderte Ernährungsgewohnheiten und mangelnde körperliche Aktivität als Hauptursachen für den weltweiten Anstieg des Körpergewichts, doch Wissenschaftler gehen davon aus, dass noch weitere Faktoren den rasanten Gewichtsanstieg begünstigen. Sie haben vor allem die veränderte Zusammensetzung der Ernährung hinsichtlich Fett, Kohlenhydraten und Proteinen im Visier, berichtet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer aktuellen Mitteilung.
Abnehmen mit viel Eiweiß?
Viel Eiweiß lässt die Pfunde schmelzen, meinen manche Fachleute. So raten Ernährungsexperten wie Georg Abel von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie in Saarbrücken zu einer proteinreichen Kost, wenn man abnehmen will. Eine US-amerikanische Studie kam jedoch zu dem Ergebnis, dass eiweißreiche Diäten so ungesund wie Rauchen sein sollen.
Proteinarme Diät steigert den Energieverbrauch
Forscher im DKFZ zeigten nun, dass eine proteinarme Diät bei Mäusen die Fett- und Kohlehydrat-Verbrennung und damit den Energieverbrauch steigert. Laut den Wissenschaftlern bildeten sich nach der Umstellung auf proteinreduzierte Diät sogar Insulinresistenzen zurück – unabhängig vom Körpergewicht und der Gesamtenergiezufuhr. Den Angaben zufolge senkte eine kurzzeitige proteinarme Ernährung auch bei jungen Freiwilligen den Insulin- und Blutzuckerspiegel. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse im „Journal of Clinical Investigation“.
Hoher Proteinanteil geht mit hoher Diabetes-Rate einher
„Besonders, was die Proteine betrifft, gab es widersprüchliche Hinweise“, sagte Adam Rose vom DKFZ. „Einerseits gibt es Beobachtungen, dass Menschen bei proteinarmer Diät insgesamt mehr essen, um ihre erforderliche Eiweißdosis zu erreichen. Anderseits belegen epidemiologische Studien, dass ein hoher Proteinanteil in der Ernährung mit einer hohen Diabetes-Rate einhergeht.“
Um zu ihren Ergebnissen zu gelangen, setzten die Forscher Mäuse auf proteinarme Diät (fünf Prozent der Gesamtkalorien gegenüber 20 Prozent im normalen Mäusefutter). Obwohl die Tiere insgesamt etwas mehr fraßen, nahmen sie langsamer an Gewicht zu als normal gefütterte Artgenossen.
Insulinresistenzen bildeten sich zurück
Es zeigte sich, dass die Tiere unter proteinarmer Diät ihr Futter um 40 Prozent weniger effizient verwerteten. Sie verbrannten mehr Fett und Kohlehydrate und hatten daher einen gesteigerten Energieverbrauch. Den Wissenschaftlern zufolge verbesserten sich die im Blut messbaren Stoffwechselwerte erheblich. Die Mäuse hatten demnach niedrigere Insulin-, Cholesterin- und Blutfettspiegel, dagegen stieg unter anderem die Konzentration des Proteins FGF21, des Fibroblasten-Wachstumsfaktors 21.
Selbst bei fettleibigen Mäusen die auf proteinarme Diät gesetzt wurden, verbesserten sich die Blutzucker-Werte. Sogar zuvor bestehende Insulinresistenzen bildeten sich zurück. An ihrem Körpergewicht änderte sich nichts.
Proteinarmes Futter als Stressfaktor
Dass FGF21 eine entscheidende Rolle für den verbesserten Zuckerstoffwechsel spielt, zeigte sich an Mäusen, deren Leberzellen das Gen für diesen Faktor fehlte: Bei diesen Tieren wirkte sich die proteinarme Diät nicht günstig auf den Stoffwechsel aus. Den Angaben zufolge stieg der FGF21-Spiegel der Mäuse besonders steil nach einer proteinarmen „Mahlzeit“. Das wurde durch eine zentrale Stressreaktion in der Leber verursacht. Offebar wirkt das proteinarme Futter als Stressfaktor, der sich jedoch gesundheitlich positiv auswirkt.
Die Forscher stellten zudem fest, dass für die günstigen Effekte der proteinarmen Ernährung nicht alle Proteinbausteine gleichermaßen verantwortlich sind: Insbesondere der Mangel an sogenannten „nicht-essenziellen“ Aminosäuren, die der Körper selbst herstellen kann, steigerte den FGF21-Spiegel.
Zuckerstoffwechsel in den Griff bekommen
Die Wissenschaftler des DKFZ untersuchten schließlich in Zusammenarbeit mit Bente Kiens von der Universität Kopenhagen, ob die an Mäusen beobachteten günstigen Effekte einer proteinarmen Diät auch beim Menschen zum Tragen kommen. Sie baten fünf junge Männer, sich sieben Tage lang freiwillig proteinarm zu ernähren. Die Forscher stellten bei den Teilnehmern anschließend hohe FGF21-Werte fest, doch trotz erhöhter Kohlenhydratzufuhr niedrigere Blutzucker- und Insulinspiegel.
„Das sind sehr vielversprechende Ergebnisse, die wir bald schon an einer größeren Anzahl von Teilnehmern überprüfen wollen“, so Kiens. Studienleiter Adam Rose fügte an: „Das wäre eine hervorragende und einfache Methode, um bei Personengruppen mit hohem Risiko einen entgleisenden Zuckerstoffwechsel wieder in den Griff zu bekommen.“
Stress kann Stoffwechsel womöglich positiv beeinflussen
Nun soll weiter überprüft werden, ob sich die positiven Stoffwechsel-Effekte der proteinarmen Ernährung, die sie bei Mäusen beobachtet hatten, auch beim Menschen auf molekularer Ebene bestätigen. „Unsere Maus-Ergebnisse untermauern ein neues Konzept, für das es zunehmend wissenschaftliche Hinweise gibt: Bestimmte Formen von Stress können unseren Stoffwechsel offenbar positiv beeinflussen“, erläuterte Adam Rose. (ad)
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