Mehrheit der Deutschen sieht Drogenkrieg kritisch – Hanfverband kündigt Medienkampagne an
03.11.2014
Laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbands zieht eine Mehrheit der Deutschen eine kritische Bilanz zum weltweiten Krieg gegen Drogen. Über 80 Prozent wollen den Zugang zu Cannabis als Medizin erleichtern. Nur wenige halten Cannabis für gefährlicher als Alkohol. Die Zustimmung zu einer vollständigen Legalisierung von Cannabis ist auf 30 Prozent gestiegen.
DHV-Sprecher Georg Wurth: Beim Thema Cannabis als Medizin sieht eine große Mehrheit der Bevölkerung Handlungsbedarf. Die Bundesregierung sollte endlich den Kopf aus dem Sand ziehen und Verbesserungen zum Wohl der Patienten umsetzen. Über eine Legalisierung von Cannabis als Genussmittel werden wir wohl noch einige Jahre diskutieren müssen. Mit einer Mehrheit haben wir an dem Punkt nicht gerechnet. Uns geht es mit der Umfrage darum, den Trend Richtung Legalisierung aufzuzeigen. In den USA lag die Zustimmung zu einer Regulierung dieses Marktes 1991 noch bei 17 Prozent und ist seitdem kontinuierlich auf heute über 50 Prozent gestiegen. Wir erwarten eine ähnliche Entwicklung auch in Deutschland. Bei unserer letzten Umfrage vor vier Jahren waren erst 19 Prozent für Cannabis in Fachgeschäften, heute sind es 30 Prozent.
Noch im November werden wir mit TV- und Kinospots die größte Medienkampagne zur Cannabispolitik starten, die es je in Deutschland gab. Die Zeit der Legalisierung in ganz Deutschland ist noch nicht gekommen. Aber es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung Städten wie Berlin oder Frankfurt erlaubt, in kleinem Rahmen neue Wege abseits der Prohibition auszuprobieren.
Vor allem SPD und CDU sollten die Ergebnisse zu denken geben. Auch eine große Mehrheit ihrer Anhänger will den Zugang zu Cannabis als Medizin erleichtert sehen. Außerdem wollen 37 Prozent der SPD-Wähler den Besitz geringer Mengen Cannabis zum Eigenverbrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgen und jeder vierte CDU-Anhänger befürwortet Cannabis-Fachgeschäfte wie in Colorado. Für Diskussionsbedarf reicht das allemal.
Globaler Drogenkampf: Mehrheit der Deutschen zieht kritische Bilanz
Die Bundesbürger ziehen mit Blick auf den weltweiten Kampf gegen Drogen eine kritische Bilanz: Nur knapp jeder Fünfte (19 Prozent) bezeichnet das harte Vorgehen der Staaten gegen illegale Drogen als sehr (2 Prozent) oder eher erfolgreich (17 Prozent). Acht von zehn (77 Prozent) bezeichnen die bisher gewählten Maßnahmen dagegen als weniger (61 Prozent) oder gar nicht erfolgreich (16 Prozent). Dieses negative Urteil durchzieht alle Bevölkerungsgruppen. Es eint zudem die Anhänger der im Bundestag vertretenen Parteien.
Schädigungspotenzial: Zwei Drittel halten Cannabis für nicht gefährlicher als Alkohol
In Deutschland besteht ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür, dass die staatliche Entscheidung über Legalität oder Illegalität von Rauschmitteln nicht automatisch eine Aussage über deren Schädigungs-potenzial zulässt. Aufgefordert, Cannabis hinsichtlich seiner Gefährlichkeit mit Alkohol als legal beziehbarem Rauschmittel zu vergleichen, unterstellen nur 20 Prozent Cannabis eine größere Gefährlichkeit.
Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) betrachten demgegenüber Cannabis nicht als gefährlicher: 46 Prozent gehen dabei von einem dem Alkohol vergleichbaren Schädigungspotenzial aus. 20 Prozent stufen Cannabis sogar als weniger gefährlich ein, darunter überdurchschnittlich viele junge Deutsche (18-29 Jahre: 35 Prozent; 60 Jahre und älter: 11 Prozent).
Cannabis: Deutsche distanziert gegenüber Lockerungen beim Alltagskonsum
Ungeachtet der Zweifel an einem erhöhten Schädigungspotenzial stehen die Deutschen Ideen zur Cannabis-Legalisierung nach dem Vorbild anderer Länder eher distanziert gegenüber. Sowohl ein Verzicht auf die strafrechtliche Verfolgung des Besitzes als auch die Ermöglichung eines legalen und regulierten Erwerbs findet in Deutschland zumindest derzeit keine Mehrheit. Den Besitz von geringen Cannabis-Mengen für den Eigenverbrauch wollen aber immerhin vier von zehn (39 Prozent) künftig nicht strafrechtlich verfolgt sehen. Jeder Dritte (30 Prozent) würde zudem die Einrichtung von Fachgeschäften begrüßen, in denen Volljährige, Cannabis legal und reguliert erwerben können.
Eine entscheidende Rolle in der Haltung zur Cannabis-Legalisierung spielt die Bewertung des Schädi-gungspotenzials. So begrüßen die Deutschen, denen Cannabis im Vergleich zu Alkohol als weniger gefährliches Rauschmittel gilt, Legalisierungspläne jeweils mehrheitlich. Demgegenüber fällt die Ablehnung immer dann besonders groß aus, wenn Cannabis als vergleichsweise gefährlich eingestuft wird.
Politische Mehrheiten für eine Legalisierung des Besitzes und für den legalen Erwerb von Cannabis durch Volljährige finden sich am ehesten bei den Anhängern der Grünen, während in den Reihen der Union und SPD die Ablehnung jeweils deutlich überwiegt.
Cannabis: Mehrheit für erleichterten Zugang im Krankheitsfall
Während sich weiterhin eine Mehrheit der Deutschen mit Lockerungen beim Alltagskonsum von Cannabis eher schwer tut, findet die Forderung nach einem erleichterten Zugang für Patienten mit 82 Prozent eine deutliche Unterstützung. Auch in den Reihen von Union (76 Prozent) und SPD (85 Prozent) unterstützen deutlich Mehrheiten Änderungen bestehender Regelungen im Fall von Erkrankungen. Selbst diejenigen, die Cannabis im Vergleich zum Alkohol als gefährlicher bewerten, zeigen sich mit 67 Prozent mehrheitlich offen für entsprechende Anpassungen gesetzlicher Vorgaben. Die Studie führte infratest dimap zum Thema "Legalisierung von Cannabis" im Auftrag des Deutschen Hanfverbands (DHV) durch. (pm)
Bild: NicoLeHe / pixelio.de
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