Psychisch kranke Kinder sollten bereits vor der Einschulung behandelt werden
11.10.2013
Rund zehn Prozent der Vorschulkinder sind von psychischen Störungen wie Depressionen oder ADHS betroffen, die klinisch relevant und damit behandlungsbedürftig sind. Darauf weist Professor Alexander von Gontard, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik des Saarlandes, im Rahmen der derzeit stattfindenden Fachtagung „Psychische Störungen im Vorschulalter“ im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“ hin. Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie rät dazu, psychische Störungen möglichst frühzeitig, noch vor der Einschulung zu behandeln.
Eine frühzeitige Behandlung psychisch gestörter Kinder erspart viel Leid
Derzeit diskutieren knapp 450 Experten in Homburg rund um das Thema psychische Störungen bei Kindern. „Diese Tagung widmet sich speziell psychischen Störungen bei Klein- und Vorschulkindern und hat zum Ziel, eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand, wie auch zu konkreten Aspekten der Diagnostik und Therapie zu vermitteln. Dazu haben sich ausgewiesene Experten freundlicherweise bereit erklärt, mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen und klinischen Erfahrungen zu dieser Tagung beizutragen“, wird Professor Alexander von Gontard, in einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums zitiert. Der Experte erläutert im Interview mit der Nachrichtenagentur, worauf Eltern bei ihren Kindern achten sollten.
„Nach vielen Studien haben etwa zehn Prozent der Vorschulkinder klinisch relevante psychische Störungen, also solche mit Beeinträchtigungen und hohem Leidensdruck“, berichtet der Experte. Die Palette der Störungen reiche „von Essstörungen, exzessivem Schreien über post-traumatische Belastungsstörungen bis hin zu autistischen und ADHS-Störungen“. Wenn Eltern bei ihren Kindern ein auffälliges Verhalten feststellten, sei der Kinderarzt die erste Anlaufstelle. „Erzieher oder Frühförderstellen sollten bei psychischen Auffälligkeiten vermehrt eine Vorstellung in der Psychiatrie anregen. Viele Eltern kommen aber auch von allein“, erläutert von Gontard. Leider gebe es hierzulande nur wenige Zentren mit Spezialisierung auf Vorschulkinder. Das Angebot müsse weiter ausgebaut werden.
Eltern werden in Therapie von psychisch gestörten Kindern einbezogen
Wenn ein Kind Verhaltensauffälligkeiten zeige, müsse im ersten Schritt abgeklärt werden, ob es sich dabei tatsächlich um eine Störung handele, die behandlungsbedürftig sei. Häufe reiche bereits eine Beratung aus. „Dann gibt es Elterntraining, Elterninteraktionstraining und Elterngruppen. Ab dem Alter von vier Jahren kann man auch Einzeltherapien des Kindes durchführen“, so der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist die Arbeit über die Eltern und mit den Eltern.“ Von Gontard rät dazu, möglichst noch vor der Einschulung mit der Behandlung von psychisch kranken Kindern zu beginnen. Dadurch könnten viel Leid und sekundäre Folgen verhindert werden.
Zu den häufig gestellten Diagnosen bei Kindern gehört die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Von Gontard rät jedoch zur Vorsicht. ADHS sei frühestens im Alter von drei Jahren diagnostizierbar. „Für kleine Kinder hat ADHS oft erhebliche soziale Konsequenzen, wie Problem mit Gleichaltrigen, Eltern und Erziehern oder Ausschluss vom Kindergarten.“ Es müsse zunächst ein Eltern-Kind-Training erfolgen. Erst wenn dies keinen Erfolg zeige, das Kind aufgrund der Störung erheblich eingeschränkt und mindestens vier Jahre alt sei, komme eine medikamentöse Therapie in Frage. (ag)
Bild: RIKE / pixelio.de
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