Männer müssen selbstbewusst sein – und Frauen sozial?
In der Psychologie gibt es die Theorie des sogenannten „Confidence Gap“, die besagt, dass Frauen beruflich schlechter vorwärtskommen, weil sie oft als weniger selbstbewusst wahrgenommen werden als ihre männlichen Kollegen. Die jüngsten Forschungen der Professorin für Organisationsverhalten Laura Guillén widerlegen diese Theorie. Guillén zufolge ist der „Confidence Gap“ ein Mythos.
Laura Guillén ist Professorin für Organisationsverhalten an der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. In ihren aktuellen Forschungen stellt sie dar, dass Frauen, die als selbstbewusst angesehen werden, nicht unbedingt Karriere machen. Stattdessen sei die Einflussnahme am Arbeitsplatz enger ihrer Warmherzigkeit und Fürsorge zuzuschreiben als dem wahrgenommenen Selbstvertrauen. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Human Resource Management“ publiziert.
Unterschiedliche Einflussnahme bei den Geschlechtern
„Obwohl es keine sichtbaren Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie sich leistungsstarke Männer und Frauen bewerten, zeigten ihre Gründe für die Gewinnung von Einfluss im Unternehmen eine starke Geschlechterdisparität“, erläutert Professorin Guillén in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen. Ihre Forschungen zeigen, dass Männer eher vorankommen, wenn sie als selbstbewusst wahrgenommenen werden. Stattdessen machen Frauen jedoch schneller Karriere, wenn sie von Mitmenschen als warmherzig, fürsorglich und sozial empfunden werden.
Frauen müssen nicht wie Männer sein, um Erfolg zu haben
„Die populäre Botschaft, dass Frauen sich verändern müssen, um selbstbewusster zu wirken und damit erfolgreich zu sein, ist falsch“, so Guillén. Schlimmer sei noch, dass die Botschaft nicht nur falsch sei, sondern auch die Geschlechtervielfalt innerhalb einer Belegschaft mindere. Guillén bemängelt, dass sich Arbeitgeber in vielen Fällen dieser Verantwortung entziehen. Stattdessen würden sie Frauen einfach dazu anhalten, sich an männlichen Stereotypen zu orientieren.
Soziale Frauen und asoziale Männer?
Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass von Arbeitnehmerinnen erwartet wird, dass sie sich zusätzlich zu den normalen Arbeitsbelastungen auch noch um andere kümmern müssen, um Erfolg zu haben. Männer hingegen seien stattdessen nur an die Indikatoren der Leistung gebunden. „Um voranzukommen, müssen sich Frauen um andere kümmern, während sich ihre männlichen Kollegen auf ihre eigenen Ziele konzentrieren“, so das Fazit von Guillén.
Macht durch Sozialverhalten
„Obwohl diese soziale Qualität in keiner Stellenbeschreibung aufgeführt ist, scheint sie der zentrale Leistungsindikator zu sein, gegen den erfolgreiche Frauen Zugang, Macht und Einfluss erhalten“, resümiert die Professorin. Guillén fordert, dass Personalabteilungen sicherstellen sollten, dass Frauen und Männer im Einstellungsprozess und bei der Auswahl für Beförderungen nach den gleichen Kriterien bewertet werden.
Fokus auf Wärme und soziale Fähigkeiten bei Frauen
In Analysen über Leistungsbeurteilungen von Frauen und Männer stellte das Forscherteam um Guillén fest, dass in Beurteilungen bei Frauen fast doppelt so viele Worte über die sozialen Fähigkeiten verwendet werden, wie bei Männern. „Diese unbewussten geschlechtsspezifischen Verzerrungen müssen bekämpft werden“, so Guillén. Die Expertin für Organisationsverhalten spricht sich dafür aus, dass Talente und Fähigkeiten in allen Organisationen gerechter belohnt werden – und zwar unabhängig vom Geschlecht. (vb)
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