Wissenschaftler uneins über Cannabis-Wirkung
26.09.2013
Erhöht der Konsum von Cannabis das Risiko für Halluzinationen und Wahnvorstellungen? Ja, sagen viele Wissenschaftler, die sich mit dem Thema beschäftigen. Auf der anderen Seite behaupten neue Studien, könne die Hanfpflanze aber auch der Vorbeugung von Psychosen dienen.
Regelmäßiges Kiffen kann Risiko für Psychose erhöhen
Regelmäßiges Kiffen erhöht das Risiko für eine Psychose – da sind sich Wissenschaftler mittlerweile weitgehend einig. Bei einer Psychose handelt es sich um eine schwere psychische Erkrankung, die von einem zeitweiligen Verlust des Realitätsgefühls bzw. Wahnvorstellungen und Halluzinationen geprägt ist. Am häufigsten tritt dieser Zustand bei der so genannten bipolaren Störung bzw. manischen Depression sowie bei Schizophrenie auf. „Dieses Risiko ist bei Cannabis-Konsumenten etwa zwei bis dreimal höher als in der Normalbevölkerung", so der Psychiater Patrik Roser vom LWL-Universitätsklinikum Bochum.
Niederländische Forscher untersuchen knapp 2000 junge Menschen
Zu diesem Ergebnis waren niederländische Forscher um die Psychologen Jim van Os und Rebecca Kuepper von der Universität Maastricht bereits vor zwei Jahren im Rahmen einer Kohortenstudie mit insgesamt 1923 deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (48 % Männer) im Alter von 14 bis 24 Jahren gekommen. Die Forscher hatten die Teilnehmer der Studie über 10 Jahre hinweg beobachtet, „um festzustellen, ob die Verwendung von Cannabis in der Jugend das Risiko für psychotische Erkrankungen erhöht“, so die Psychologen in ihrem Artikel im medizinischen Online-Fachblatt „British Medical Journal.“
Erhöhtes Risiko unabhängig von Alter und Geschlecht
Das besorgniserregende Ergebnis der Forscher: „Cannabiskonsum erhöht signifikant das Risiko psychotischer Erfahrungen. Dabei ist dieser Zusammenhang unabhängig von Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status, Konsum anderer Drogen, städtischer bzw. ländlicher Umgebung und Kindheitstrauma.“
Auch genetische Disposition und Biografie könnten eine Rolle spielen
Cannabis scheint jedoch nicht der einzige Faktor zu sein, der die Entstehung von Psychosen begünstigt. Stattdessen seien laut einer weiteren Studie aus dem Jahr 2011 insbesondere auch diejenigen gefährdet, die eine genetische Disposition haben oder aufgrund ihrer Biografie anfälliger für eine Psychose sind. So hatte eine Meta-Analyse australischer Forscher um Dr. Matthew Large ergeben, „dass Cannabis-Konsum Schizophrenie und andere psychotische Störungen herbeiführen kann, möglicherweise aber durch eine Wechselwirkung zwischen genetischen und umweltbedingten Faktoren“, so die Wissenschaftler in ihrem Artikel in der medizinischen Fachzeitschrift „JAMA“.
Schützt Inhaltsstoff Cannabidiol möglicherweise sogar vor Psychosen?
Die Formel Cannabis-Konsum = erhöhtes Risiko für Psychosen scheint zwar den genannten Studien nach plausibel, doch so einfach ist das Ganze nicht: Es klingt zwar paradox, aber neuere Studien zeigen wiederum, dass Cannabis unter Umständen auch vor Psychosen schützen kann. Dabei geht es um den Hanf-Inhaltsstoff „Cannabidiol“ (CBD), ein schwach psychoaktives Cannabinoid, welches unter anderem entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit wirken kann. So kam der Psychiater Patrik Roser gemeinsam mit Dr. Ida S. Haussleiter im Rahmen einer Übersichtsarbeit aus dem vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit von gängigen Psychose-Medikamenten und isoliertem Cannabidiol vergleichbar sei: „Die Ergebnisse bestätigen überwiegend die Hypothese einer antipsychotischen Aktivität der beiden Cannabinoide“, so Roser im Abstract seiner Artikels im Magazin „Current Pharmaceutical Design“. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.