Eine neue Vorinstanz soll die Therapie-Bedürftigkeit klären
Wer schon mal eine Psychotherapie machen wollte, hat schnell erkannt: Einen Platz bei einem Therapeuten zu bekommen, ist alles andere als einfach. Die Wartelisten sind lang und die Plätze begrenzt. Neue Plätze können aber oft nicht geschaffen werden, da auch die Anzahl der Zulassungen für Psychotherapeuten eingeschränkt ist. Gesundheitsminister Jens Spahn will an dieser Situation etwas ändern – jedoch nicht so, wie viele sich das vorgestellt haben. Statt mehr Plätze zu schaffen, möchte er durch eine Vorinstanz die Zahl der Therapiesuchenden senken.
Gesundheitsminister Spahn stellte am 26. September einen Gesetzentwurf vor, der eine bessere Versorgung für psychisch Kranke gewährleisten soll. Das sogenannte Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) soll eine gestufte Steuerung von hilfesuchenden psychisch kranken Menschen einführen. In einer medizinischen Voruntersuchung soll dann ein dafür qualifizierter Arzt entscheiden, ob der Patient tatsächlich eine Psychotherapie benötigt. Für psychisch Kranke stellt dies jedoch eine weitere Hürde auf den Weg zur Therapie dar, kritisieren die Gegner des Entwurfs.
Die Guten kommen ins Töpfen… und die Schlechten?
Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten, die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung und die Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten reagierten mit heftiger Kritik und probieren derzeit eine Petition gegen das TSVG zu erwirken. „Eine derartige Selektion, bevor eine Behandlung in Anspruch genommen werden kann, hebelt den freien Zugang zum ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten aus“, betonen die Vereinigungen in dem Petitionstext.
Ein neuer Hürdenlauf für psychisch Kranke?
Dieses Gesetzesvorhaben diskriminiere eine ganze Gruppe von Patienten, so der Zusammenschluss. Psychisch Kranke hätten ohnehin schon mit hohen seelischen und schambesetzten Belastungen zu kämpfen. Diese müssten nach dem neuen Gesetz noch zusätzlich mit einem weiteren, nicht selbstgewählten Arzt besprochen werden. „Psychisch Kranken wird ein Hürdenlauf zugemutet, der sie unnötig belastet und gegenüber anderen Patientengruppen benachteiligt“, schreiben die Autoren der Petition.
Fachärzte fühlen sich diskriminiert
Wie aus der Petition hervorgeht, fühlen sich auch die Psychiater und Psychotherapeuten übergegangen. Denn durch den Gesetzentwurf wird ihnen indirekt unterstellt, dass sie nicht in der Lage sind, solche Einschätzungen selbst vorzunehmen. „Psychotherapeutisch tätige Ärzte und psychologische Psychotherapeuten verfügen aufgrund ihrer Fachkunde und Zulassung über alle Qualifikationen zur Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlungsplanung“, schreiben die Petitionsautoren.
Versorgungsstudien belegen die Therapieerfolge
Die Vereinigungen berufen sich auf mehrere unabhängige Versorgungsstudien, die belegen, dass Psychotherapien in Deutschland gute Erfolg mit hoher Zufriedenheit der Patienten erzielen. „Die beabsichtigte Neuregelung kann nur als der ungerechtfertigte Versuch einer Rationierung von Behandlungsleistungen aufgefasst werden“, so das Fazit der Vereinigung.
Gesundheitsminister verteidigt seine Pläne
Am Mittwoch, den 12. Dezember verteidigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seine Pläne zur Neuregelung der Psychotherapie gegenüber dem öffentlich rechtlichen Sender ARD. „Heute ist es immer noch so, trotz aller Maßnahmen der letzten Jahre, dass Kranke etwa mit einer Depression, die dringend eine Behandlung brauchen, diese zu oft nicht bekommen und lange warten“, sagte Spahn dem Sender. Aus diesem Grund wolle er durch das Gesetzt steuern und koordinieren, damit wirklich Kranke eine Behandlung bekämen. Ein zwischengeschaltetes Gutachten zur Dringlichkeits-Beurteilung halte er für ein geeignetes Instrument.
Spahn: Mehr Therapeuten können das Problem nicht lösen
Nach Ansicht des Gesundheitsministers kann der Einsatz von mehr Psychotherapeuten das Problem nicht lösen. Wie sein Team über die Termin-Servicestelle festgestellt habe, seien die längsten Wartezeiten für eine Therapie in den Gebieten zu verzeichnen, wo es die meisten Psychotherapeuten gebe. „Das zeigt doch, dass da irgendwas in der Steuerung nicht so funktioniert, wie es soll“, so Spahn. Er betonte, dass er selber einen Fall von psychischer Erkrankung in der Familie erlebt habe und dass ihm die schnelle und gute Versorgung von psychisch Kranken besonders wichtig sei. (vb)
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