Systemische Therapie: Kosten-Übernahme
Die gesetzliche Krankenkassen übernehmen ab sofort die Kosten einer Systemischen Therapie bei Erwachsenen, wenn diese zur Behandlung einer psychischen Erkrankung notwendig ist. Darauf weisen die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V. (DGSF) und die Systemische Gesellschaft (SG) in einer gemeinsamen Mitteilung hin.
Den Angaben zufolge wurden die Vergütungsregelungen für das neu in die Regelversorgung aufgenommene Psychotherapieverfahren vor wenigen Tagen von Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung festgelegt, die rechtlichen Grundlagen – Psychotherapie-Richtlinie und Psychotherapie-Vereinbarung – sind bereits vor einigen Monaten entsprechend geändert worden.
Nicht auf die einzelne Person fokussiert
Wie in einer Mitteilung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erläutert wird, ist die Systemische Therapie ein Psychotherapieverfahren, das den sozialen Beziehungen innerhalb einer Familie oder Gruppe eine besondere Relevanz für die Entstehung einer psychischen Erkrankung beimisst.
Die Therapie fokussiert entsprechend nicht auf den einzelnen Menschen, sondern auf die Interaktionen zwischen Mitgliedern der Familie sowie der weiteren sozialen Umwelt. Unter anderem wird versucht, symptomfördernde Beziehungen zu verändern beziehungsweise ihnen eine funktionalere Selbstorganisation der Patientin oder des Patienten entgegenzusetzen.
Die Systemische Therapie kann – wie die anderen psychotherapeutischen Verfahren auch – als Einzel- oder Gruppentherapie oder als Kombination zwischen Einzel- und Gruppentherapie angeboten werden. Als spezifische Anwendungsform der Systemischen Therapie wird außerdem das sogenannte „Mehrpersonensetting“ möglich sein.
Hierbei werden relevante Bezugspersonen der Patientin oder des Patienten in die Behandlung miteinbezogen. Sofern erforderlich, kann die Anwendung der Systemischen Therapie im Mehrpersonensetting auch mit der Anwendung in einer Einzel- oder Gruppentherapie kombiniert werden.
Hochwirksames Psychotherapieverfahren
Den Angaben zufolge ist in Deutschland jedes Jahr etwa jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen. Für die knapp 18 Millionen Betroffenen und deren Angehörige ist eine psychische Erkrankung meist mit massivem Leid verbunden. Das kann auch in den sozialen Beziehungen des Betroffenen zu erheblichen Einschränkungen führen.
„Endlich steht allen erwachsenen Versicherten dieses hochwirksame Psychotherapieverfahren zur Verfügung“, sagt Dr. Ulrike Borst, Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft (SG). Ob die Kosten der Systemischen Therapie auch für die ambulante Behandlung von Kindern und Jugendlichen von den Krankenkassen übernommen werden, muss noch entschieden werden.
Positive Wirkung bescheinigt
Betroffene in Deutschland haben lange darauf warten müssen: Zwölf Jahre nach der wissenschaftlichen Anerkennung durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) ist Systemische Therapie für Erwachsene Teil der Regelversorgung. Damit kommt laut der DGSF nach 33 Jahren – 1987 wurde zuletzt die Verhaltenstherapie zugelassen – wieder ein neues Psychotherapieverfahren im Krankenkassenkontext zum Einsatz.
Die Zulassung für ein psychotherapeutisches Verfahren erfolgte dabei das erste mal auf Basis der Ergebnisse von Wirksamkeitsstudien: Im Auftrag des G-BA bewertete das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) den Nutzen Systemischer Therapie. In sieben sogenannten Störungsbereichen bescheinigte es der Systemischen Therapie eine positive Wirkung, darunter bei den am häufigsten vorkommenden Beeinträchtigungen wie Angststörungen, Depression sowie Suchterkrankungen.
Den Fachleuten zufolge stehen noch wenige Psychologische und Ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Verfügung, die Systemische Therapie direkt mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können. Inzwischen werden aber entsprechende Aus- und Weiterbildungen vermehrt angeboten. Die Weiterbildungsordnungen für Ärztinnen und Ärzte werden derzeit ebenfalls entsprechend angepasst, damit möglichst bald flächendeckend Versicherten Systemische Therapie angeboten werden kann.
Informationen zu freien Therapieplätzen können bei den Kassenärztlichen Vereinigungen erfragt werden, beispielsweise über die bundeseinheitliche kostenlose Telefonnummer der Terminservicestellen: 116117.
Zulassung der Therapie für Kinder steht noch aus
Damit auch Kinder und Jugendliche in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung mit Systemischer Therapie behandelt werden können, ist ein weiteres Bewertungsverfahren durch den G-BA erforderlich. Die Zulassung der Systemischen Therapie für Kinder- und Jugendliche als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen steht also noch immer aus.
Ein entsprechender Antrag auf Methodenbewertung wurde aber im G-BA am 22. November 2019 angekündigt und wird nun von den systemischen Fachverbänden dringend erwartet. Der GB-A muss dann innerhalb von zwei Jahren eine Entscheidung über die Zulassung systemischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie treffen.
„Es darf nicht sein“, sagt Dr. Filip Caby, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), „dass den Kindern und Jugendlichen etwas vorenthalten wird, was den Erwachsenen bereits zugänglich gemacht wurde“. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V.: Systemische Therapie kann ab sofort mit den Krankenkassen abgerechnet werden, (Abruf: 01.07.2020), Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V.
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Systemische Therapie für Erwachsene als weiteres Richtlinienverfahren aufgenommen, (Abruf: 01.07.2020), Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.