Unterschiedliche Gehirndurchblutung während Pubertät
27.05.2014
Den Geschlechtern werden häufig unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben: Männer seien wenig sensibel oder Frauen sozialer eingestellt. Eine Studie hat nun möglicherweise eine Erklärung für solche Unterschiede gefunden. Die Forscher stellten fest, dass sich die Gehirndurchblutung von Jungen und Mädchen in der Pubertät unterschiedlich entwickelt.
Gehirndurchblutung bei Frauen stärker als bei Männern
Die Gehirne von Mädchen und Jungen entwickeln sich in der Pubertät gegensätzlich. Ab dieser Zeit wird das weibliche Gehirn insgesamt besser durchblutet als das männliche. Forscher um Theodore Satterthwaite von der University of Pennsylvania in Philadelphia fanden für bestimmte Hirnregionen besonders deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wie sie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ („PNAS“) vermuten, könnten die Differenzen mit der Anfälligkeit für psychische Erkrankungen zusammenhängen. Das Wissenschaftlerteam schreibt: „Durchblutung ist eine fundamentale Eigenschaft der Prozesse im Gehirn, und es ist bekannt, dass sie im Erwachsenenalter bei Frauen stärker ist als bei Männern.“
Durchblutung des Gehirns nimmt während des Kindesalters ab
Um herauszufinden, wie die Unterschiede zustande kommen, haben die Forscher bei 922 Jugendlichen im Alter von acht bis 22 Jahren die Blutströme in verschiedenen Phasen der Pubertät mit der Magnetresonanztomografie (MRT) und anderen bildgebenden Verfahren gemessen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Hirndurchblutung in der frühen Pubertät, also im Alter von etwa zwölf Jahren, bei Mädchen und Jungen noch gleichermaßen sank. Es war bereits vorher bekannt gewesen, dass die Durchblutung des Gehirns während des Kindesalters abnimmt. Während bei Kindern mehr als 100 Milliliter Blut pro Minute durch 100 Gramm Gehirn fließen, ist diese Menge bei Erwachsenen tendenziell nur noch etwa halb so hoch.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern ab mittlerer Phase der Pubertät
Doch ab der mittleren Phase der Pubertät, also im Alter von etwa 16 Jahren, fanden die Wissenschaftler Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So nahm die Durchblutung bei Jungen weiter ab, wohingegen sie bei Mädchen leicht anstieg. Dieser Trend verstärkte sich in der späteren Pubertät sogar noch. Wie die Forscher berichteten, waren die Differenzen am deutlichsten ausgeprägt in Hirnregionen wie dem orbitofrontalen Kortex, die mit Sozialverhalten und der Regulierung von Emotionen verknüpft sind: „Wir vermuten, dass geschlechtsspezifische Veränderungen der Hirndurchblutung, die mit der Pubertät verbunden sind, mit der Überlegenheit von Frauen bei diesen Aufgaben zu tun haben könnten.“
Erkenntnisse könnten bei Erforschung psychischer Erkrankungen helfen
Das Team um Satterthwaite schreibt, dass die Ergebnisse bei der Erforschung psychischer Erkrankungen wie etwa Depressionenhelfen könnten, die häufig nach der Pubertät auftreten. Demnach sollten künftige Untersuchungen prüfen, ob die bessere Hirndurchblutung bei jungen Frauen mit ihrem erhöhten Risiko zusammenhängt, an Affekt- oder Angststörungen zu erkranken. Zudem könnte dadurch gleichzeitig das Risiko für eine Schizophrenie sinken. Es könne auch ein erster Schritt zur Erstellung von Wachstumstabellen für die normale Hirnentwicklung sein, meint der Wissenschaftler. Möglicherweise könnte man Probleme schon erkennen, bevor sie zu schweren Erkrankungen führen.
Rätsel der psychischen Instabilität während der Pubertät
Psychiater Satterthwaite erklärte: „Unsere Ergebnisse zeigen, wann die Unterschiede im Gehirn beginnen, und vielleicht können wir daraus ableiten, welche Entwicklungsschritte in welchem Alter typisch sind.“ Doch auch wenn die neuen Erkenntnisse sowie die aus anderen Untersuchungen Hoffnung schüren, so bleibe es dennoch eine Illusion, dass man mit Aufnahmen vom Gehirn das Rätsel der psychischen Instabilität während der Pubertät ergründen könnte. Auch wenn Stimmungsschwankungen der Pubertierenden oft auf ein erhöhtes Hormonniveau zurückgeführt wurden, so weiß man inzwischen, dass diese Beziehung zwar besteht, aber nicht so stark ist wie angenommen. Verantwortlich dafür ist vielmehr eine Kombination von hormonellen und situativen Faktoren. Die Form und Struktur des Gehirns zeigen mit Ausnahme der neu beobachteten Unterschiede kaum Differenzen zwischen den Geschlechtern. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) schreibt, sagte Jay Giedd von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA: „Man kann in diesen Bildern ja nicht mal das Gehirn eines Mädchens von dem eines Jungen unterscheiden.“ (sb)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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