Hand- und Armfunktionen nach Lähmung wiederhergestellt
Eine neue Operationsmethode gibt neue Hoffnung für Querschnittsgelähmte. Bei 13 jungen Erwachsenen konnte mithilfe einer neuen Technik die Funktionen der Hand und des Ellenbogens nach einer vollständigen Lähmung wiederhergestellt werden. Die Betroffenen konnten nach der Operation wieder selbstständig essen und trinken, sich waschen und die Zähne putzen sowie schreiben und elektronische Geräte bedienen.
Australische Ärztinnen und Ärzte des Austin Health in Melbourne wendeten im Rahmen einer Studie eine neue Operationstechnik bei Querschnittslähmungen an und konnten so bei 13 Personen Bewegungen in verloren geglaubten Gliedmaßen wiederherstellen. Diese Fallstudie soll die Wirksamkeit der sogenannten Nerventransferchirurgie unter Beweis stellen, bei der funktionstüchtige Nerven mit verletzten Nerven verbunden werden, um die Kraft in gelähmten Muskeln zu erneuern. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „The Lancet“ vorgestellt.
Kaputte Nerven können an funktionstüchtige angeschlossen werden
Bei Menschen mit Tetraplegie sind sowohl die unteren als auch die oberen Gliedmaßen vollständig gelähmt. Viele Dinge des Alltags sind somit für die Betroffenen undenkbar und sie sind auf ständige Hilfe angewiesen. Eine revolutionäre Operationsmethode kann dies nun ändern, wie australische Chirurginnen und Chirurgen gezeigt haben. Bei der Operation werden kaputte Nerven aus den Gliedmaßen an funktionierende Nerven der Wirbelsäule angeschlossen. Dadurch kehrte bei 13 Teilnehmenden die Kraft in die Hände und die Arme zurück. Zwei Jahre nach der Operation und nach intensiver Physiotherapie konnten die Probandinnen und Probanden ihre Arme wieder ausstrecken, ihre Hand öffnen, Gegenstände aufnehmen und mit diesen interagieren.
Bislang größte Fallstudie in der Nerventransferchirurgie
Diese Serie von Operationen ist die bislang größte Fallstudie zu der neuen Nerventransferchirurgie. Insgesamt wurden 16 junge Erwachsene mit der neuen Methode operiert. Größtenteils waren die Betroffenen Opfer von Verkehrs- oder Sportunfällen und waren aufgrund einer Rückenmarkverletzung am Hals querschnittsgelähmt. Bei 13 der 16 Personen schlug die neue Methode an. Bei 10 Teilnehmenden wurde der Nerventransfer zusätzlich mit einem Sehnentransfer kombiniert. Bei drei Personen blieb die neue Technik wirkungslos. Die Ärztinnen und Ärzte schlagen vor, dass in Voruntersuchungen noch besser geklärt werden müsse, für wen die neue Methode geeignet ist, um die Fehlerquote zu minimieren.
Wichtigstes Ziel: Die Hand beweglich zu machen
„Für Menschen mit Tetraplegie ist die Verbesserung der Handfunktion das wichtigste Ziel“, erklärt Forschungsleiterin Dr. Natasha van Zyl. Durch die Wiederherstellung der Arm- und Handfunktionen können die Betroffenen alltägliche Aufgaben selbstständig erledigen. Dies gebe ihnen mehr Unabhängigkeit sowie die Möglichkeit, leichter am Familien- und Arbeitsleben teilzunehmen, so die Expertin.
Kombinierte Operationstechniken
„Darüber hinaus haben wir gezeigt, dass Nervenübertragungen erfolgreich mit traditionellen Sehnenübertragungstechniken kombiniert werden können, um den Nutzen zu maximieren“, betont die Doktorin. Im Gegensatz zu traditionellen Methoden biete der Nerventransfer die Möglichkeit, gelähmte Muskeln direkt zu reanimieren. Mit dieser Methode könnten gleich mehrere Muskelgruppen auf einmal angesprochen werden.
Neue Verbindungen schaffen
Die Chirurgin erklärt die Methode anhand eines Beispiels. Das Team nutzte einen funktionstüchtigen Nerv der Schulter und befestigte diesen an einem kaputten Nerv des Trizeps. Dieser aktivierte den Trizepsmuskel erneut und ermöglichte das Aufrichten des Ellenbogens. Um die Greiffähigkeit der Hand wiederherzustellen, schloss das Team dann den Streckmuskelnerv des Handgelenks an den wiederhergestellten Nerv an. Insgesamt wurden 59 solcher Nervenübertragungen bei den 16 Teilnehmenden durchgeführt.
Einschränkungen bei der Methode
Trotz der Erfolge weisen die Expertinnen und Experten auf einige Einschränkungen beim Sehnentransfer hin. So wurden die besten Ergebnisse erzielt, wenn die Operation möglichst zeitnah nach der Verletzung durchgeführt wurde, also innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. Im Anschluss sei eine umfangreiche Rehabilitation erforderlich. Es könne Monate dauern, bis sich die ersten Bewegungen zeigen und Jahre, bis die volle Kraft erreicht sei. Dennoch sehen die Ärztinnen und Ärzte einen vollen Erfolg in der Methode, zumal bei einem Scheitern immer noch der Sehnentransfer zur Wiederherstellung angewendet werden kann. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- van Zyl, Natasha / Hill, Bridget / Cooper, Catherine / u.a.: Expanding traditional tendon-based techniques with nerve transfers for the restoration of upper limb function in tetraplegia: a prospective case series, The Lancet, 2019, thelancet.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.