Schwere Kinder-Hepatitis: Adenovirus als Auslöser unter Verdacht
Seit Anfang April häufen sich Meldungen von ungewöhnlich schweren Hepatitis-Fällen bei Kindern in mehreren europäischen Ländern sowie in den USA. Nun hat das Robert Koch-Institut auch den ersten Fall in Deutschland bestätigt und eine Meldepflicht für die rätselhafte Hepatitis ausgerufen.
In dem „Epidemiologischen Bulletin 17/2022“ des Robert Koch-Instituts wurde der erste Fall einer akuten Hepatitis mit unklarer Ätiologie bei einem Kind in Deutschland bestätigt. Zudem wird in dem Bulletin zusammengefasst, was bisher über die seltsamen Hepatitis-Fälle bekannt ist und welche Maßnahmen dagegen eingeleitet werden.
169 bestätigte Fälle
Erst kürzlich verbreitete sich die Nachricht über seltsame Hepatitis-Fälle bei Kindern aus Europa und den USA (siehe Artikel: „Rätselhafte Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern häufen sich“). Gewöhnlich verlaufen Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern sehr mild und werden oftmals gar nicht bemerkt.
Bei den beschriebenen Fällen war der Verlauf jedoch schwer und reichte teilweise bis zum Leberversagen. Typische Erreger wie Hepatitis-Viren konnten als Ursache für die Erkrankung ausgeschlossen werden, weshalb die Herkunft der Infektionen Rätsel aufwirft.
Besonders im Vereinigten Königreich wurden viele Lebererkrankungen dieser Art gemeldet. Bereits 114 Fälle von schwerer akuter Hepatitis wurden dort bei zuvor gesunden Kindern unter zehn Jahren gemeldet.
In einigen Fällen ist eine Lebertransplantation erforderlich oder wurde bereits durchgeführt. Insgesamt sind Fälle bei 169 Kindern aus 11 Ländern bekannt.
Erhöhte Aufmerksamkeit auch in Deutschland
Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) wurde in Deutschland bislang nur ein solcher Hepatitis-Fall dokumentiert. Derzeit gebe es keine Hinweise auf eine Häufung hierzulande. Ärztinnen und Ärzte werden jedoch um erhöhte Aufmerksamkeit sowie um das Melden von Verdachtsfällen gebeten.
Adenoviren als wahrscheinliche Ursache
Nach Angaben des RKI wurde durch Labortests eine virale Hepatitis mit den klassischen Hepatitiserregern A-E bei den betroffenen Kindern ausgeschlossen. Die Befunde deuten jedoch auf eine virale Genese hin. Bei einer Mehrheit der Kinder wurde ein Adenovirus des Serotyps 41F nachgewiesen.
In England gehen Medizinerinnen und Mediziner derzeit davon aus, dass eine Infektion mit dem Adenovirus 41F als wahrscheinlichste Ursache anzusehen ist. Adenoviren verursachen in der Regel jedoch keine Hepatitis.
Es sind aber einige seltene Komplikationen bekannt, bei denen immungeschwächte Personen im Rahmen einer Adenovirus-Infektion eine Hepatitis entwickelten.
Neue Adenovirus-Variante oder mehr Immunschwächen?
Nun wird vermutet, dass in England eine neue Variante von Adenoviren zirkulieren könnte, die mit einem höheren Risiko für Hepatitis bei Kindern verbunden ist. Eine andere Vermutung ist, dass Immunschwächen bei Kindern aufgrund der Coronavirus-Pandemie weiter verbreitet sind und es deshalb zu mehr Komplikationen bei Adenovirus-Infektionen kommt.
Mehrere europäische Behörden arbeiten an der Aufklärung
An der Aufklärung der genauen Ursache arbeiten derzeit mehrere Organisationen, darunter das RKI, das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC), die Weltgesundheitsorganisation WHO sowie die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA).
Es ist jedoch damit zu rechnen, dass noch einige Wochen vergehen werden, bis die genaue Ursache dingfest gemacht wird. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- RKI: Epidemiologische Bulletin 17/2022 (veröffentlicht: 28.04.2022), rki.de
- Deutsches Ärzteblatt: Akute Hepatits: Erster Fall bei einem Kind in Deutschland (veröffentlicht: 27.04.2022), aerzteblatt.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.